Mit Straßenverkauf fing es an

Seit 50 Jahren gibt es das Eiscafé Silano der Familie Biscardi in Lollar.
Lollar (dge). Es war ein Sommertag Anfang der 1970er Jahre. Auf einer Wiese am Wißmarer See machen zwei Männer gerade ein Päuschen. »Du, so eine Eisdiele, das wäre doch eine Idee«, sinniert der eine. »Ja, das ist sogar eine gute Idee«, stimmt der andere zu.
So oder so ähnlich könnte der Dialog geklungen haben. Tatsache ist aber, dass die Brüder Francesco und Vincenzo Biscardi ihren Traum von einer Eisdiele verwirklicht haben. Mit einem Straßenverkauf an der »Kloppmaschin«, einem Gebäude an der Bahnstrecke nahe der Daubringer Straße, fing es dann an.
Wie Guiseppina »Pina« Biscardi Pirillo und Guiseppe Biscardi im Gespräch mit dem Anzeiger verrieten, sei ihren Vätern der Gedanke tatsächlich auf der besagten Wiese in den Sinn gekommen. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Pina Biscardi Pirillo ist die Tochter von Francesco, ihr Cousin Guiseppe Biscardi der Sohn von Vincenzo. Die beiden führen das »Eiscafé Silano« in Lollar in der zweiten Generation. Es ist der klassische Familienbetrieb. Pinas Sohn Gianluca setzt die Reihe fort, ihre Tochter Roberta lebt und arbeitet zwar in Mailand, aber wenn sie in Lollar ist, findet man auch sie häufig in der Eisdiele.
Aus Kalabrien
Doch gehen wir noch mal ein Stück weiter zurück: 1960 kommt Francesco Biscardi aus Kalabrien als Gastarbeiter nach Deutschland, ist zunächst bei Buderus beschäftigt. In seiner Freizeit hilft er am Wißmarer See aus. Seine Ehefrau Rosaria kommt zwei Jahre später nach, sein Bruder Vincenzo sechs Jahre später, also 1966. Vincenzos Ehefrau Concetta lebte schon hier, sie war mit ihren Eltern 1965 aus Sizilien nach Deutschland gekommen. Die Idee, italienisches Speiseeis in Deutsschland zu verkaufen, setzten die Brüder im Juni 1972 um und gründeten den bereits erwähnten Straßenverkauf. Hinzu kam ein Eisauto, das über die Dörfer fuhr. »Als kleiner Junge durfte ich mitfahren, manchmal hab ich dann im Fußraum ein Nickerchen gemacht«, schmunzelt Guiseppe Biscardi.
Die Brüder Biscardi besuchen Kurse, lernen alles, was man über die Herstellung von Eis wissen musste. Noch heute gilt: Selbst gemacht schmeckt am besten. Das Vanilleeis wird nach überliefertem Hausrezept zubereitet. »Stracciatella machen wir zum Beispiel mit flüssiger Schokolade. Das Fruchteis kommt aus einer fast schon historischen Eismaschine.« Auch die zweite Generation legt Wert auf Qualität und traditionelle Zubereitung, liebt ihr Handwerk. »Man kann heute viel mit Pulver und mit Luft machen. Das kommt bei uns aber nicht in die Tüte«, stellen die beiden klar.
Das Geschäft mit der kalten Leckerei brummte, 1977 eröffneten die Biscardis ihr Eiscafé in der Marburger Straße, gemeinsam mit ihren Ehefrauen bauen sie das Geschäft aus. Auch wenn sie immer wieder nach Italien fahren, ist Deutschland doch die neue Heimat geworden. 2005 ist die heute 55-jährige Pina Biscardi Pirillo in die elterlichen Fußstapfen getreten, Guiseppe Biscardi 2018. Haben die beiden sich vorstellen können, beruflich etwas anderes zu machen? Guiseppe Biscardi lächelt: »Mein Traumberuf war mal Fußballer. Aber ich bin nach dem Abitur mit dem neuen Eiswagen unterwegs gewesen. Das hat so viel Spaß gemacht, also bin ich geblieben«, erklärt der 45-Jährige. Seine Cousine hat eigentlich Großhandelskauffrau gelernt. »Aber man wird ja eigentlich da rein geboren«, beschreibt Pina Biscardi Pirillo ihre Leidenschaft für den Traditionsbetrieb. 2020 wurde das Eiscafé beim Wettbewerb »Deutschlands beliebteste Eisdielen« in Hessen übrigens mit dem zweiten Platz belohnt.
Aus der ehemaligen Terrasse ist längst ein Wintergarten geworden. So kann man auch bei Regenwetter nach draußen schauen und einen Schlemmerbecher genießen. Eine Terrasse gibt es dennoch, sie ist nur ein paar Meter weiter gezogen.
»Viele unserer Stammgäste kommen seit einer gefühlten Ewigkeit. Zuerst als Kinder, dann als junge Leute und dann wieder mit ihren eigenen Kindern und später mit ihren Enkelkindern.« Pina Biscardi Pirillo kennt ihre Gäste, viele sind im Laufe der Jahre zu Freunden geworden. »Man erlebt deren Leben sozusagen mit.« Rund 20 Mitarbeiter beschäftigen die Biscardis heute. Nach wie vor fahren die Eisautos übers Land, setzt ihr Klingeln das Zeichen für den »eisigen« Genuss.
Klassiker
Am Wochenende wird das 50-jährige Bestehen des »Eiscafè Silano« groß gefeiert. Ein kleiner Eisbus wird vor der Tür stehen, für die kleinen Gäste sorgt ein Zauberer für Unterhaltung. Und auf der eigens für diesen Tag kreierten Karte finden sich Klassiker wie der Trüffelbecher oder der Schlemmerbecher. »Klassiker von vor 50 Jahren«, verrät Guiseppe Biscardi. Am Samstag, 16. Juli, wird von 11 bis 22 Uhr gefeiert, am Sonntag, 17. Juli, von 11 bis 20 Uhr. »Danach wollen wir mit unseren Mitarbeitern anstoßen und ihnen Danke sagen.«