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»Werden mehr Einwanderung kriegen«

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Ekin Deligöz (l.) informiert sich vor Ort über die Arbeit des Jugendmigrationsdienstes. Foto: Wisker © Wisker

Lollar (dge). Juliia Babaieva, Taras Kravchenko und Shirkan Alijev wissen, wovon sie sprechen, wenn es um Integration geht. Alle drei sind vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet, im März sind sie in Deutschland angekommen. Auch dank der Sprachkurse, die der Internationale Bund (IB) anbietet, und dank solcher Programme wie dem Jugendmigrationsdienst (JMD) in Lollar fassen sie langsam Fuß.

Alle drei saßen mit am Tisch, als die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, Ekin Deligöz, den Jugendmigrationsdienst des IB in den Räumen des Jugend- und Beratungszentrums besuchte. Die Grünen-Politikerin trifft anlässlich ihrer Sommertour »Kinderchancen vor Ort« deutschlandweit Initiativen und Organisationen, die sich mit ihrer Arbeit für bessere Chancen von benachteiligten Kindern und deren Familien einsetzen.

In Lollar sind es viele Akteure, die an einem Strang ziehen, um Menschen mit Migrationshintergrund zu unterstützen, ihnen die Integration in unsere Gesellschaft zu ebnen. Der Jugendmigrationsdienst ist ein Angebot, das sich an Menschen vom zwölften bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres wendet. Dies unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Die Mitarbeiter helfen bei der sprachlichen, schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Integration. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist dabei ein wichtiger Faktor.

Nachhaltigkeit

Das Programm wird vom Bund gefördert. Diese langfristige Förderung ermögliche Nachhaltigkeit, erklärt Ralf Finthammer, Regionalleiter Hessen Nord des IB. Diese Nachhaltigkeit sei in Lollar auch deshalb möglich, weil die Kommunalpolitik unterstütze. Wie Bürgermeister Dr. Bernd Wieczorek erklärte, habe die Kernstadt Lollar einen Ausländeranteil von rund 30 Prozent. Spreche man von Menschen mit Migrationshintergrund, liege der mit etwa 50 Prozent deutlich höher. Allein deshalb erachtet Wieczorek die Integrationsarbeit als äußerst wichtig. Sie sei aus dem Förderprogramm »Soziale Stadt«, das 2006/2007 anlief, hervorgegangen. Der Bürgermeister verwies auf die Anfänge, als die ersten Gastarbeiter kamen, um bei Buderus zu arbeiten. Anfänglich sei alles ein wenig »holprig« gewesen, doch das sei mittlerweile ganz anders. Dies auch dank der lokalen Akteure. Eine davon ist die Integrationsbeauftragte Caroline Müller. Im Jugend- und Beratungszentrum gebe es viele Angebote unter einem Dach. Chancengleichheit und eine gleichberechtigte Teilhabe gerade von Kindern und Jugendlichen sei »ein Schwerpunkt unserer Arbeit«.

Verena Leowald (Teamleitung JMD Mittelhessen) sprach die »Respekt Coaches« an, die an Schulen in Marburg eingesetzt werden. Auch dies sei ein wichtiger Baustein, denn »Demokratie beginnt auch bei Respekt«. Leowald warb bei der Staatssekretärin für eine weitere Förderung dieses Programms. Denn im Gegensatz zu den Jugendmigrationsdiensten werden die »Respekt Coaches« nur jährlich gefördert.

Doch zurück nach Lollar: Lilija Marinov ist pädagogische Mitarbeiterin. Sie spricht Russisch, berät junge Menschen etwa beim Ausfüllen diverser Anträge, hilft ihnen durch den Behördendschungel. Sie betont, wie wichtig auch die Rolle von Dolmetschern sei. Ohne Übersetzer hätten es die Flüchtlinge aus der Ukraine zum Beispiel ungleich schwerer.

Ekin Deligöz versicherte, dass die Jugendmigrationsdienste weiter gefördert würden. »Wir werden mehr Einwanderung kriegen«, blickt sie in die Zukunft. Da sei es wichtig, dass man bereits vorhandene Strukturen habe und diese nutzen könne. Das habe gerade der Ukraine-Krieg gezeigt. Ihre Erkenntnisse aus der Sommertour will Deligöz in die Entwicklung des Nationalen Aktionsplans »Neue Chancen für Kinder in Deutschland« (NAP) einfließen lassen. Ziel des NAP ist, von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Kindern und Jugendlichen in Deutschland bis 2030 gleiche Chancen auf Teilhabe zu garantieren - durch Zugang zu Bildung, Betreuung, gesunder Ernährung, angemessenen Wohnverhältnissen und Gesundheitsversorgung. Damit setze Deutschland die EU-Ratsempfehlung zur Einführung einer Kindergarantie um.

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