Trend geht zum eigenen Huhn

Die Kleintierzüchter aus Dorf-Güll setzen auf Familien und sichern so ihre Zukunft .
Pohlheim (jüs). Kleintiere liegen im Trend. Aktive des Dorf-Güller Kleintierzuchtvereins H 30 haben sich das zunutze gemacht, um die Zukunft ihres Vereins zu sichern.
Heute sind 90 Mitglieder an Bord, vor 25 Jahren waren es 42, mit ansteigender Tendenz. Eine Besonderheit in der Stadt Pohlheim ist der Zuwachs, da Dorf-Güll auch der kleinste Stadtteil ist. Ein Trio hat es geschafft, dass über 60 Jahre Vereinsgeschichte nicht irgendwann erlöschen, sondern Zukunft haben.
Angefangen hatte alles 1959, als Hobbyzüchter mit Heinrich Müller III an der Spitze den Verein aus der Taufe hoben. Bereits kurze Zeit später wurde im Gemeindehaus eine Kleintierausstellung organisiert. Die Käfige dazu mussten von Watzenborn-Steinberger Kollegen ausgeliehen werden. Heinrich Müller III, der 29 Jahre den Vorsitz innehatte, bestimmte maßgeblich die Entwicklung des Vereins mit. Zum 25-jährigen Vereinsjubiläum war man stolz auf eine Mitgliederzahl von 42 und eine Jugendgruppe.
1988 gab es einen Wechsel an der Spitze, denn Karl Heinz Jäger übernahm den Vorsitz. Es folgte 1999 Walter Sames, der für neuen Aufschwung des Vereins sorgte und dessen Zukunft sicherte. So war er verantwortlich für den Bau des 2005 eingeweihten Vereinsheims und die Anlage eines Vereinsgeländes »Hinter den Linden« mit zwei Zuchtanlagen. Jetzt blühte der Verein auf, durch gezielte Werbung konnte man stolze 90 Mitglieder zählen und bis heute diese Anzahl halten.
Stockende Entwicklung
Walter Sames verstarb 2007 und Raimond Brucker übernahm den Vorsitz für drei Jahre. Danach übernahm Herbert Baumgart für zwei Jahre den Vorsitz. Die Entwicklung des H 30 geriet ab 2014 jedoch ins Stocken.
Der neue Vorsitzende Matthias Müller, Kassenwart Ronald Polzer und Schriftführer Klaus Haas ergriffen dann die Initiative und sorgten für einen Neuanfang. Ursprünglich standen nur Hühner im Fokus, jetzt durften allerlei Geflügel wie Enten, aber auch Tauben und ganz neu auch Kaninchen Einzug halten. Das Vereinsheim wurde modernisiert und neue Volieren gebaut.
Schriftführer Haas ist überraschenderweise gar kein Züchter, sondern ein feiner Beobachter. Die stolzen Bielefelder Hühner sind seine Favoriten. Der Vorsitzende des Vereins, Matthias Müller, der in Langgöns wohnt, ist der eigentliche Fachmann und hat bereits viele Preise errungen. Das Geheimnis des Mitgliedergewinns ist einfach. »Wir setzen auf Kinder und Familien«, sagt Haas, der auch die Dorf-Güller Vereinsgemeinschaft mit ihren 14 Mitgliedsvereinen anführt. Und ein wenig ist das Geheimnis von einem neuen Trend bestimmt, dem Huhn im eigenen Garten. »Das mit den Kaninchen funktionierte gar nicht mehr. Das bröckelt in der Bevölkerung ab«, denkt Haas.
Mit der Pandemie fristeten die Volieren in Dorf-Güll ein trauriges Dasein. Jetzt herrscht hier wieder richtig Leben, denn viele Zugezogene haben den Weg in den Verein gefunden. Darunter sind viele nicht ganz unbeleckt, »haben bereits Vorerfahrung«, weiß Haas. Doch es kam letztlich darauf an, aktiv zu werden und Menschen anzusprechen. Daher richteten die Kleintierzüchter sonntags einen Treff ein, suchen die Kindergärten mit ihren Tieren auf, um sich wieder bekannter zu machen, das half. »Wenn ein Kind hier herkommt, die Tiere füttern und streicheln darf, dann ist es der beste Werbebotschafter«, unterstreicht Haas. »Ich lerne Leute kennen, die ich im Dorf noch nicht gesehen habe«, freut sich der 77-Jährige über die Belebung.
Klar ist aber auch, wer eine Voliere übernehmen will und damit Mitglied wird, der muss mitarbeiten. Mit einem Hahn und vier Hennen startet die Zucht, betont Haas. »Eine alte Regel.« Die Tiere müssen täglich gehegt und gepflegt werden.
Neben der Fütterung ist der Mist zu entfernen, Hühner können schon einmal krank werden. Nicht zuletzt sind Arbeiten wie das Rasenmähen reihum auf dem Gelände zu übernehmen. Die Aufgaben sind vielfältig, wie auch der Spaß mit den Kleintieren und den Menschen, die bestimmen können, wie die Federfarbe ihrer Lieblinge oder ein idealer Hahn aussieht.
Der Vorstand mit Mathias Müller (Vorsitzender), Simon Langbein (Vizevorsitzender), Klaus Haas (Schriftführer), Stella Keller (Kassenwartin), Nadine Langbein (Jugendwartin) und Erwin Keller (Beisitzer) hat erkannt, dass die allgemeine Entwicklung der Liebe zu Kleintieren die Kleintierzuchtvereine stärken kann.
Nach der Hauptphase der Pandemie konnten im März alle Volieren wieder mit attraktiven Zuchttieren besetzt werden.
Sonntagstreff eingerichtet
Eine besondere Bedeutung für den Neuanfang war das Kinder- und Jugendkonzept zur Zukunftssicherung. Es wurde der Sonntags-Treff auf dem Vereinsgelände eingerichtet. Die gemeinsame Marschrichtung des Vorstandes war Auslöser für einen weiteren Mitgliederzuwachs. Dass alle an einem Strang ziehen, beweist der Kauf einer Brutmaschine und der Bau eines Kükenhauses gebaut. In der ersten Aufzucht in diesem Jahr wurden alsbald 200 und danach in der zweiten Aufzucht weitere 100 Zucht-Bruteier ausgebrütet. Dazu brüteten sieben Glucken die stattliche Anzahl von 42 Küken aus. Es werden 182 Küken verschiedener Rassen gezählt. Dazu zählen das Bielefelder Kennhuhn, Orpingtons, Amrocks, Sussex, Brahmas, Chabos und Chocins. Über 80 Küken sind im neuen Kükenhaus eingezogen und fühlen sich wohl. Die Glucke Hilde konnte mit ihren acht Küken in ein eigenes Kükenhäuschen einziehen. Die Enten warten noch auf mehr Nachwuchs.
Der Verein H 30 will sich nun räumlich erweitern. Die Züchter Simon Langbein und Erwin Keller haben bereits angefangen. Es werden zwei weitere Volieren mit je 50 Quadratmeter Freifläche und je einem Hühnerstall gebaut. Schließlich suchen über 100 Jungtiere ein Zuhause. Man sieht, der Verein lebt, trotz Corona. Es gibt keinen Mitgliederschwund, wie er anderswo zu verzeichnen ist.
Gesellschaftlicher Höhepunkt des Jahres soll am Samstag, 3. September, das Musik- und Lichterfest werden. Denn wer viel arbeitet, darf auch richtig gut feiern.
