Ein Sprach-Optimist schätzt die Hessen über alle Maßen ...
Murtaza Akbar Foto: Murtaza Akbar
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GIESSEN/REGION - Ich muss Ihnen einfach ein Kompliment machen. Ein richtig dickes Lob zollen. Frei von der Leber weg, wie es so schön heißt. Normalerweise bin ich wahrlich kein Freund von Pauschalisierungen, im Gegenteil Reflektieren, Differenzieren sind ein Muss. Aber in diesem Fall geht es nicht anders, es kommt aus der Tiefe meines Herzens. Wenn Sie eine Hessin, ein Hesse sind, in Hessen wohnen oder mit Hessen sympathisieren, dann möchte ich Ihnen zurufen: Ich schätze Sie über alle Maßen. Nein, sagen Sie nicht, ich wäre parteiisch. Okay, ich bin gebürtiger Frankfurter, ein enorm überzeugter Hesse und seit kurzem sogar Pokalsieger. Gut, dann will ich es etwas neutraler formulieren: Hessen ist für mich das wunderbarste Bundesland der Welt.
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Letztens war ich nämlich wieder in der Republik unterwegs, dieses Mal im hohen Norden. Dort durfte ich einen leidenschaftlichen Vortrag über meine Herzensthemen halten, Sprache, Wortwahl und Kommunikation. Und das Wichtigste: Wie es wirklich am besten bei den Menschen ankommt. Und als ich davon sprach, wie herrlich und wichtig Hochdeutsch ist und dass ich doch selbst vornehmlich diese schöne hochdeutsche Version spreche, spürte ich abrupt ein merkliches Schmunzeln und Runzeln im Publikum. Also, praktisch einen Affront, will ich meinen. Denn wer mein hessisches Hochdeutsch nicht zu schätzen weiß, ja was soll ich mit denen anfangen? Ein Moment der Achtsamkeit, sehr empfehlenswert übrigens, führte mich dann wieder zu mir selbst. Da war ich wieder ganz bei mir, wie man sagt. Vielleicht war es auch der Gedanke, dass die vielen Menschen nur wegen mir, oder sagt man meinetwegen, zu dieser Veranstaltung gekommen sind. Und das durchaus ansprechende Honorar will ich ebenfalls nicht verschweigen, aber auf der Bühne spielt das keine Rolle. Da sind sie ganz allein. Sie können nur überzeugen, wenn sie ihre Sache mit wahrer Leidenschaft, heißem Herzen und großer Begeisterung machen. Ich gebe zu, das klingt ein wenig nach Superlativen, aber manchmal muss es sein.
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Die Norddeutschen haben einfach so geschmunzelt. Dabei war ich ganz weit weg vom Babbeln. Gude, Ei hosche mol, wie viel willschde petze? Das denke ich eigentlich nur, wenn ich im Gartenlokal einen Bembel im Blick habe. Nein, mal ehrlich, die anderen Bundesländer sind auch nicht zu verachten, sofern ich die Menschen dort verstehe. In Kiel habe ich direkt kapituliert. Ob ich de Panntjefisk mag? Reste von gekochtem Fisch, meinte der freundliche Fischverkäufer. Plattdeutsch. Oder in Dortmund. Da sagte ein sympathischer Abteilungsleiter zu mir, dass er gleich mit seiner Tochter unterwegs sei, um ihr einen Tornister zu kaufen. Einen was? Einen Kanister oder vielleicht einen Toaster? Beides würde bei meinen beiden Söhnen keine Jubelarien hervorrufen. Ich kam im Laufe des Gesprächs nicht auf die Lösung, sprich auf die Übersetzung. Keine Chance. Mein Intelligenzquotient scheint mit den Jahren anscheinend rapide der Erdanziehungskraft entgegenzugehen.
TRAINER, COACH UND REDNER
Murtaza Akbar ist Trainer, Coach und Redner zum Thema Sprache und Kommunikation. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Geschäftsführer der Agentur Wortwahl und Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation.
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Google hat mir dann geholfen. Wie kommt man eigentlich auf so einen Namen? "Googlegooglegoogle" hat mein Sohn früher immer geplappert, als er auf dem Wickeltisch lag. Das liegt wahrscheinlich an der Generation. Er ist halt ein Digital Native, aufgewachsen mit dem Internet, aufgesogen mit der Muttermilch. Bei der Eingabe von "Tornister" erscheint bei Google "ein Gepäckstück, das Soldaten auf dem Rücken tragen". Der Abteilungsleiter war mir auf einmal gar nicht mehr sympathisch, denn aus seiner eigenen Tochter eine Kindersoldatin zu machen, schien mir sehr abwegig. Unter Punkt zwei Stand dann zum Glück "Schulranzen" und daneben "veraltet". Äwwer mer Hesse soache doch ach (Schul)ranzen. Unn veraltet sinn mer jetz wärglisch nedd, sondern Einwohner des wunderbarsten Bundeslands der Welt! Deshalb mein Tipp: Wenn Ihnen wieder jemand mit fremdem Dialekt begegnet, also bayrisch, plattdeutsch-mäßig oder sonst was, fragen Sie ihn mit einem optimistischen Lächeln, ob es Äppler oder Ebbelwoi heißt?