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Biber leistet ganze Arbeit vor Hattenrod

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Von: Carolin Launspach

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Die Biber-Dämme verursachen Aufstauungen vor Hattenrod; Pflanzen und Getreide gedeihen nicht mehr. Foto: Launspach © Launspach

Das Tier, welches sich schon seit über einem Jahr in der Josoller aufgrund der Habitateigenschaften wohlzufühlen scheint, macht den Bauern schwer zu schaffen.

Reiskirchen (csl). In der vergangenen Ortsbeiratssitzung informierte Karl-Wilhelm Langsdorf (Jagdgenossenschaftsvorsteher und Mitglied der Gemeindevertretung) über die aktuelle Situation des Bibers in der Jossoller zwischen den Gemarkungsgrenzen Reiskirchen-Hattenrod und Grünberg-Harbach. Das Tier, welches sich schon seit über einem Jahr in diesem Gebiet aufgrund der Habitateigenschaften wohlzufühlen scheint, macht den Bauern schwer zu schaffen.

Mittlerweile können Pflanzen beziehungsweise Getreide, was bisher dort angebaut wurde, aufgrund der Nässe, die durch die Stauung der Jossoller verursacht wird, nicht mehr gedeihen. Ein Umdenken seitens der Landwirtschaft ist gefragt, denn der Biber (auch Castor fiber genannt) zählt nach EU- und Bundesrecht zu den streng geschützten Arten und darf nicht bejagt werden.

Es gibt das Naturschutzgebiet »An der Jossoller«, welches sich grob gesagt zwischen Hattenrod und Lindenstruth, genauer bei der sogenannten »Kohlgrube« befindet und aufgrund einer Verordnung von 1982 entsprechend ausgewiesen ist. Den Biber hat es in die entgegengesetzte Richtung zur Flugplatzsiedlung hin verschlagen.

Seine Dämme sind so zahlreich, dass Felder und Gräben mittlerweile unter Wasser stehen und eine Entwässerung nicht mehr möglich ist, so Langsdorf und weiter, dass Gespräche mit der Unteren Naturschutzbehörde (UNB), sowie dem Hessischen Forstamt schon stattfanden, ebenso auch Begehungen in dem betroffenen Gebiet, bisher jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse. Eines der vielen Probleme, die der Biber, genauer seine Dämme verursachen, ist der nicht mehr funktionierende Ablauf der Drainage an der Harbacher Brücke, da dieser aktuell 90 Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegt. Hauptsächlich betrifft das Problem den Ortsteil Hattenrod, daher bat Langsdorf auch den Ortsbeirat, sich der Sache anzunehmen. Weiter konnte er Auskunft erteilen über die verschiedenen Drainagen, die angelegt wurden, um die Wiesen und Felder trockengelegt zu bekommen. Die Hauptdrainage kann aufgrund der Biberburg nicht mehr ablaufen, umgekehrt darf des Bibers Wohnkomplex nicht trockengelegt werden, da dies das höchste Schutzgut des Bibers darstellt.

Entfernen der Dämme

Ergo müssten die Landwirte, deren Felder und Wiesen im sogenannten Bibergebiet liegen, sich neue Anbaumöglichkeiten überlegen. Langsdorfs frommer Wunsch wäre das Entfernen der Dämme zwischen der Harbacher Brücke und der Flugplatzsiedlung, so dass auch die Drainagen wieder ihrer eigentlichen Funktion nachgehen können und somit die Felder nicht mehr überwässert wären. »Mit einer Genehmigung der zuständigen Behörden zur Reinigung und Beseitigung der Hindernisse unterhalb des Hauptdamms, könnte dieses Problem gelöst werden«, so Langsdorf. Es gibt einen Hauptdamm gibt, der die Biberburg versorgt. Dieser darf nicht entfernt werden. Nebendämme, die in diesem Fall die Hauptursache der Schwierigkeiten ausmachen, dürfen nach Rücksprache und Genehmigung der UNB entfernt werden.

Die zuständigen Stellen der Gemeindeverwaltungen Reiskirchen und Grünberg, die im Rahmen der Gewässerunterhaltungspflicht involviert sind, sind ihrerseits bemüht, für Mensch und Tier das Beste zu erreichen. Auf Anfrage teilte die UNB schriftlich mit, dass man sich im Austausch zwischen den betroffenen Kommunen, der Oberen Naturschutzbehörde und dem Hessischen Bibermanagement (angesiedelt bei Hessenforst) befinde. Aufgrund eines »erheblichen Abstimmungsbedarfs« nach dem Ortstermin im vergangenen Mai konnte »aktuell noch keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden«. Weiter ist zu lesen, dass die UNB derzeit davon ausgehe, »dass ein noch einzureichender Antrag auf Entfernung der Nebendämme zeitnah gewährt werden kann.« Katharina Habenicht, Leiterin der UNB, zeigt sich optimistisch: »Endlich haben wir mündlich einen Weg gefunden, mit dem alle Seiten zufrieden sein dürften. Diesen jetzt auch formal abzuwickeln, sollte bald erledigt sein.«

Die Stellungnahme beinhaltete auch ein Statement des Kreis-Umwelt-Dezernenten Christian Zuckermann, welcher auf Beruhigung im Umgang mit dem Biber hofft. Er sagt: »Wir müssen damit leben, dass der Biber sich an der Jossoller wohlfühlt und sollten froh darüber sein. Auch in den nächsten Jahren wird uns das Tier vor Aufgaben stellen, die wir gemeinsam lösen müssen.« Zudem sieht Zuckermann ein langfristiges Ziel in der Renaturierung der Jossolleraue: »Ein natürlicher Verlauf des Flussbettes soll ermöglicht werden, wobei ein breiter Uferrandstreifen in der Aue naturnah gestaltet beziehungsweise eine natürliche Entwicklung zugelassen wird. Dazu wäre ein Ankauf oder Tausch landwirtschaftlicher Flächen nötig. Dies dient dem Klima- und Hochwasserschutz sowie der Biodiversität. Zudem entlastet es die Konflikte, die voraussichtlich auch in Zukunft durch den Biber entstehen werden.«

Auf telefonische Rückfrage bei Sebastian Weller vom Wildtiermanagement des Regierungspräsidiums Gießen war zu erfahren, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen gibt, um Landwirt und Tier gut nebeneinander leben zu lassen. »Eine Akzeptanz kann nur erreicht werden, wenn man Lösungen mit den Leuten vor Ort findet«, so Weller in Bezug auf den Biber.

Aktuell laufe wohl ein Antrag auf dauerhafte Genehmigung zur Entfernung von Dämmen, die das Hauptproblem im Hinblick auf die Überflutungen für die landwirtschaftlich genutzten Flächen darstellen. Die Dämme in Richtung Flugplatzsiedlung, unter den entsprechenden Gesichtspunkten der UNB, immer wieder zu entfernen, sei in diesem Fall durchaus zielführend. Weiter berichtete Weller, dass das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz derzeit an einer Förderrichtlinie bezüglich »Billigkeitsleistungen« arbeite, die sogenannten Ausgleichszahlungen, die für den Wolf vorhanden, jedoch auch freiwillige Zahlungen sind und je nach Haushaltslage entsprechend ausfallen würden.

Millionenprojekt in Baden-Württemberg

Ein Projekt in Baden-Württemberg, genauer im Landkreis Biberach, scheint aufgrund einer Flurneuordnung eine friedliche Co-Existenz zwischen Landwirtschaft und Biber möglich zu machen. In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Juli vergangenen Jahres wurde Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit den Worten zitiert: »Dieses Vorzeigeprojekt ist eine Win-Win-Situation für den Artenschutz, den Hochwasserschutz und die Landwirtschaft« und weiter: «(damit) kümmern wir uns um nachhaltige Lebensgrundlagen für Mensch und Tier«. Dieses Projekt würde sich mit dem langfristigen Ziel Zuckermanns decken. Inwiefern dieses Projekt für den Hattenröder Biber in Frage käme sei dahingestellt, denn es soll im Falle von Biberach voraussichtlich 1,2 Millionen Euro kosten.

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Der Biber zählt zu den streng geschützten Arten und darf nicht bejagt werden. Symbolfoto: dpa © Red

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