Als erst dritte Stadt Deutschlands: Gießens Busflotte fährt komplett mit Bio-Erdgas
Die Mit.Bus GmbH hat mit nun zehn in Betrieb genommenen neuen Fahrzeugen ihre ganze Gießener Stadtbus-Flotte von 54 Wagen auf umweltschonendes Bio-Erdgas umgestellt. Schon 2006 hatte man damit begonnen.
Von Frank-O. Docter
Die schon 2006 gestartete Umstellung der Stadtbusse auf Erdgas findet nun ihren vorläufigen Schlusspunkt. Foto: Docter
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GIESSEN - Den Fahrgästen der Gießener Stadtbuslinien war der Unterschied bisher vor allem dann aufgefallen, wenn einer der modernen Erdgasbusse neben einem der älteren Dieselfahrzeuge stand. Denn Erstere sind aufgrund ihrer Antriebsart deutlich leiser. Doch diese akustische Unterscheidungsmöglichkeit gibt es nun nicht mehr. Die Mit.Bus GmbH, das Tochterunternehmen der Stadtwerke Gießen (SWG), hat mit der Anschaffung von drei neuen Gelenk- und sieben Solowagen jetzt ihre komplette, 54 Fahrzeuge umfassende Busflotte auf Erdgas umgestellt. Genauer gesagt, auf noch umweltschonenderes Bio-Erdgas. "Wir sind erst die dritte Stadt in Deutschland, die alle ihre Busse mit Erdgas betreibt. Gießen ist damit bundesweit spitze", betonte Astrid Eibelshäuser, Vorsitzende des SWG-Aufsichtsrates, am Freitagnachmittag mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme. Um diesen Erfolg entsprechend zu würdigen, nahmen neben Stadträtin Eibelshäuser mit Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz und Bürgermeister Peter Neidel gleich drei der vier hauptamtlichen Magistratsmitglieder an der Präsentation in der SWG-Zentrale in der Lahnstraße teil.
Für die zehn Busse des Herstellers MAN hat man insgesamt "3,4 Millionen Euro brutto" investiert, berichtete Mit.Bus-Geschäftsführer Mathias Carl. Von der Anzahl der Sitz- und Stehplätze her seien sie identisch mit den bereits durch Gießen fahrenden Gelenk- und Solowagen. Sie verfügen jedoch über mehr Aufstellfläche als die meisten Vorgängermodelle, etwa für Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstühle, und zusätzliche Halteschlaufen im Stehbereich der zweiten Tür - eine Anregung aus dem Fahrgastbeirat.
Die Neuanschaffungen setzen den vorläufigen Schlusspunkt für die bereits 2006 von den Stadtwerken gestartete Modernisierung auf Erdgasbusse. In den vergangenen 13 Jahren wurde die Flotte nach und nach auf diese Motorentechnik umgestellt. "Jetzt fahren wir fast CO2-neutral", freute sich Mathias Carl. Außer bei Kohlendioxid (CO2) biete Erdgas auch beim Stickoxid-Ausstoß deutliche Vorteile gegenüber Dieselfahrzeugen, sei dieser doch um rund 30 Prozent geringer. Noch dazu würden alle Stadtbusse "ausschließlich mit Bio-Erdgas" betankt, das per Leitungsnetz in Gießen ankommt, erklärte Carl auf Nachfrage des Anzeigers. Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, machte darauf aufmerksam, dass es zwischenzeitlich einen Engpass bei der Verfügbarkeit von Erdgasbussen gegeben habe, für diese Technik also eine große Nachfrage besteht. Vor allem aber dankte er seinem Vorgänger Reinhard Paul für dessen "Sturheit" bei der Initiierung des Projekts.
Astrid Eibelshäuser dankte alle Beteiligten, einen solch "langen Atem" bei der Umsetzung dieses ökologisch und ökonomisch so wichtigen Vorhabens bewiesen zu haben. Denn laut Dr. Timm Kehler, Geschäftsführer der Brancheninitiative "Zukunft Erdgas", würde dessen Preis "nur die Hälfte der Dieselkosten" betragen. Im Übrigen erfülle Gießen hinsichtlich seiner Stadtbusse schon jetzt die CO2-Ziele, die das Pariser Klima-Schutzabkommen für 2050 vorgegeben habe, machte er deutlich. Auch Prof. Ralph Pütz von der Hochschule Landshut, ein bundesweit gefragter Experte, fand überaus lobende Worte. "Ich kann Sie zu dieser Entscheidung nur beglückwünschen. Mit Bio-Erdgas liegen Sie ökologisch unschlagbar vorne", sagte der Geschäftsführer des Instituts für angewandte Nutzfahrzeugforschung und Abgasanalytik.
Selbst in zehn Jahren würde das noch der Fall sein, prognostizierte Pütz. Zumal Bio-Erdgas in der Umweltbilanz sogar besser als mit Elektromotoren angetriebene Busse (E-Busse) abschneide. Bio-Erdgas, das wissenschaftlich als Biomethan bezeichnet wird, ist im Gegensatz zum normalen Erdgas nicht fossilen Ursprungs - also durch Jahrtausende währende geologische Prozesse im Erdboden entstanden -, sondern wird durch die Verbrennung nachwachsender Rohstoffe hergestellt.
Auch bei den Stadtwerken ist man seit einiger Zeit dabei, die Fahrzeugflotte peu à peu auf Erdgasantrieb umzustellen. Wie Klaus Etzelmüller auf Nachfrage berichtete, sei das bei den Pkw bereits zu 95 Prozent geschehen. Und im Falle der Nutzfahrzeuge bis jetzt zu zehn Prozent, wobei letztere Quote künftig weiter ausgebaut werden soll. Die Erdgas-Tankstelle auf dem Gelände in der Lahnstraße wird im Übrigen nicht nur von Mit.Bus- und Stadtwerke-Fahrzeugen frequentiert. Während der Pressekonferenz fand auch ein Erdgas-Lkw einer bekannten Supermarktkette den Weg auf das Gelände. Und diese ist offenbar nur einer von zahlreichen externen Nutzern. Aktuell gebe es bundesweit 850 solcher Tankstellen, war von Kehler zu erfahren. Laut Andreas Witzel, Direktor der MAN-Vertriebsregion Mitte, soll das Netz auf etwa 2000 Tankstellen ausgeweitet werden.