Diskussion zu "Gießen sportgerecht - Corona und danach?"
"Gießen sportgerecht. Corona und danach?" Zu einem digitalen Austausch unter diesem Motto hatte der SPD-Stadtverband Vertreter der Sportvereine eingeladen.
Von Rüdiger Schäfer
Auf dem Bildschirm in der Diskussion vereint: 86 Teilnehmer loggten sich zur SPD-Veranstaltung ein. Screenshot: Schäfer:
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GIESSEN - Die Hallen und Vereinsheime geschlossen. Sport nur zu zweit und unter Beachtung von strengen Hygieneregeln möglich. Die Wettkampfsaison für die meisten Sportarten abgebrochen. Vorstandsarbeit nur noch online. Die dringend nötige Jugendarbeit unmöglich. Auch der heimische Sport leidet unter der Corona-Pandemie. Der SPD-Stadtverband hatte Repräsentanten heimischer Sportvereine zu einer digitalen Runde eingeladen, um sich ein vertieftes Bild von der aktuellen Situation der sporttreibenden Vereine in Gießen zu machen.
Die beiden Spitzenkandidaten der Partei, Astrid Eibelshäuser (Stadträtin) und Christopher Nübel (Fraktionsvorsitzender und Co-Vorsitzender des Stadtverbandes) sowie Frank-Tilo Becher (Landtagsabgeordneter, Unterbezirksvorsitzender als auch Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl) wollten sich deren Sorgen anhören. Danach sollten gemeinsam Konzepte entwickelt werden, die dem Sport in der Krise und möglichst auch aus dieser heraushelfen. Auch war beabsichtigt, Ideen aus dem SPD-Kommunalwahlprogramm für die Stadt Gießen zu präsentieren. Stadtverordnetenvorsteher Frank Walter Schmidt, in seinem Element als sportpolitischer Sprecher der Stadtverordnetenfraktion, war in seinem Element und moderierte gekonnt die Veranstaltung.
Viel zum derzeitigen Krisenstatus ihrer Sportvereine zu erzählen hatten vom TSV Kleinlinden Gerhard Kerzmann (Vorsitzender) und Alexander Lubbadeh (Finanzvorstand), von der TSG Blau-Gold Bernhard Zirkler (Vorsitzender), von der Spvgg. Blau-Weiß Alexander Jendorff, vom Rot-Weiß-Club Dieter Baums (stellvertretender Vorsitzender), vom 1. SC Sachsenhausen Claus Opfermann, vom ASV Gießen Björn Watzke (Jugendleiter), von der TSG Wieseck Rainer Jöckel (Tischtennis), vom MTV 1846 Marco Bröder (Geschäftsführer), vom THM Hochschulsport Dagmar Hofmann und vom TSV Allendorf Kerstin Lefevre (Vorsitzende).
Fazit: Je kleiner der Verein, desto weniger Fluktuation der Mitglieder. Ein existenzieller Kahlschlag auch bei den größeren - wie TSG Blau-Gold und MTV 1846 - ist nicht zu verzeichnen. Online-Angebote sind nicht bei allen Sportangeboten möglich, vorhandene nutzen sich mit der Zeit jedoch ab. Eine Besonderheit zu verzeichnen gibt es bei Blau-Weiß und dem ASV. Problem ist der fehlende Rückgriff auf digitale Formate. Viele der Sportler hätten dafür keine adäquaten Geräte zuhause. "Das ist gerade bei uns im sozialen Brennpunkt mit hohem ausländischen Anteil der Fall", so Watzke vom ASV in der Weststadt. Jendorff von Blau-Weiß in der Nordstadt ergänzt, der Anspruch in stark prekär geprägten Quartieren sei, die Jugendlichen zusammenzubringen. Dies funktioniere online nicht, gehe nur in Präsenz.
Was wünschen sich die Vereinsvertreter von der Politik? Dazu wurde einiges an konstruktiven Vorschlägen eingebracht: Sich häufiger zusammensetzen und miteinander austauschen. Dabei auch die Hochschulen einbinden. Kooperationen bilden, um die Kapazitäten der Stadt besser zu nutzen. So stünden Plätze der Schulen oft nachmittags und in den Ferien leer, dürften jedoch von Vereinen in diesen Zeiten nicht genutzt werden. Statt ein großspuriges sportpolitisches Konzept - "Gießen Sportstadt" - für die Stadt in ihrer Gesamtheit sei ein quartiersbezogener Sportstättenbau geeigneter. Das müsse kleinteiliger gesehen werden. Dabei sei zu eruieren: Wie sind die Sozialräume ausgestattet? Welche Zielgruppen werden mit diesen Angeboten erreicht? Frustriert wurde in den Raum gestellt, dass die Geldfrage in der Vergangenheit immer ein Totschlaginstrument gewesen sei.
Den bemängelten Investitionsstau stritt Eibelshäuser nicht ab. "Die Schere geht immer weiter auseinander. Wir kommen da nicht nach." Man sei sehr stark auf die "immer ganz speziellen Fördermittel" angewiesen, die eine Gesamtplanung nach Prioritäten schwierig, oft gar unmöglich mache. Ihr bereite großen Kummer, wie man den Jugendlichen nach der Pandemie das zurückgeben könne, was derzeit nicht möglich sei. "Ein ganzer Jahrgang hat nicht schwimmen gelernt. Das gilt auch für das Fahrradfahren." Nübels Blick richtete sich auf eine Verstetigung bei Kindern und Jugendlichen. "Wie bekommen wir die an die Vereine ran?" Das sei die Kardinalsfrage. Den Vereinen finanziell stärker unter die Arme greifen möchte seine Partei, indem sie beantragt habe, den jährlichen städtischen Zuschuss pro jugendlichem Mitglied von 7,50 auf zehn Euro anzuheben.