Emotionalen Abgang beim Johanna-Prozess in Gießen hingelegt
Beim Prozess im Fall der ermordeten Johanna Bohnacker schildert am Landgericht Gießen ein ehemaliger Rauschgiftkonsument seine Erlebnisse mit dem Angeklagten.
Von mig
Symbolfoto: Sebra/Fotolia
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GIESSEN - Der Mordfall Johanna zieht während der zahlreichen Verhandlungstage unterschiedlich viele Besucher in den Saal 207 des Landgerichts Gießen. Gestern herrschte dort ein Riesen-Andrang, da allein über 30 Jura-Studenten die Beweisaufnahme verfolgten. Dabei konnten sie erleben, auf welch differenzierter Grundlage Zeugenaussagen erfolgen können. Denn zwei Kripo-Beamte beschrieben zunächst sehr sachlich ihre Arbeit, die zur Überführung des mutmaßlichen Täters führte, während ein ehemaliger Rauschgiftkonsument, gegenüber dem der Angeklagte als Dealer fungierte, seine ganze Abscheu, Verachtung und Wut über den 42-jährigen Friedrichsdorfer, der für den Tod von Johanna Bohnacker verantwortlich sein soll, zum Ausdruck brachte.
Dieser Mann, heute als Fliesenleger tätig und offenbar ganz aus der Szene ausgestiegen, war damals zwischen 17 und 18 Jahre alt, als er mit anderen Kumpels die Dienste des Dealers, der jetzt des Mordes angeklagt ist, in Anspruch nahm. Diese Zeit liegt lange zurück und erstreckt sich auf die Jahre 1987 und `88, hat aber erhebliche Relevanz in Bezug auf den 22. September 1999, als die achtjährige Johanna aus Ranstadt-Bobenhausen dem schrecklichen Verbrechen zum Opfer fiel. Der heute 38-jährige Zeuge konnte sich trotz einiger Erinnerungslücken noch gut daran erinnern, mit wem er es zu jener Zeit zu tun hatte und stellte gleich eingangs klar, was er im Rückblick von dieser Person hält. Auf die Standardfrage von Richterin Regine Enders-Kunze, ober er mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert sein, antwortete der Mann: "Gott sei Dank nein." Ob er ihn denn kenne? "Leider Gottes ja." Daraufhin wurde er ermahnt, bewertende Äußerungen zu unterlassen, doch das gelang ihm bei der Befragung nicht immer.
Keine Regung gezeigt
In krasser Form beschrieb er die Aufenthalte in der Friedrichsdorfer Wohnung des Beschuldigten, der ihm bei der Verabreichung einer Überdosis von LSD-Trips psychisch arg geschädigt habe. Vier rauschgiftsüchtige junge Frauen habe er während der gemeinsamen Zeitspanne auf der Wohnungstoilette schwer missbraucht.
Mitentscheidender Grund, mit "dem Kerl nie wieder Kontakt aufzunehmen", sei für ihn zudem gewesen, dass er in dessen Wohnung Hefte mit nackten kleinen Kindern gefunden habe. Beim Verlassen des Gerichtssaals konnte es der Zeuge sich nicht verkneifen, dem Angeklagten zuzurufen: "Ich wünsche dir, dass du in der Hölle schmorst, du Bastard." Emotionsloser fielen die Schilderungen aus, die zwei Kripo-Beamte vor der 5. Großen Strafkammer vornahmen. Ihre Arbeitsergebnisse resultieren aus der Zeit, als der Angeklagte bereits ins Visier der neuen Sonderkommission geraten war. Einer von ihnen befand sich bei der ständigen Observation des Friedrichsdorfers im Einsatz, schilderte, wie er dem Beschuldigten ins Eschersheimer Freibad folgte, wo der Angeklagte sich ausschließlich dem Planschbecken mit Kindern widmete und mit "suchendem Blick" die Szenerie beobachtet habe.
Ein anderer Beamter der Kriminalpolizei hatte den Auftrag, nach der Hausdurchsuchung beim Angeklagten unter dem sichergestellten Material ein elfstündiges Video auszuwerten, was der Beschuldigte selbst aufgenommen hatte, als er mit einer alkohol- und rauschgiftsüchtigen Frau im Bett seiner Wohnung seinen perversen Neigungen nachging. Die Beschreibung des dabei Gefilmten hätte widerwärtiger kaum sein können. Die Frau schrie vor Schmerz, bat, er möge mit seinen Handlungen aufhören, doch in völliger Ekstase ließ der Täter nicht von dem Opfer ab.
Alles in allem war dieser Verhandlungstag eine Bestätigung dessen, was der bisherige Prozessverlauf ans Tageslicht gebracht hat: Der Angeklagte lief als tickende Zeitbombe herum. Er zeigte auch diesmal bei härtesten Schilderungen kaum Regung.