Die Kniffe, die in einem Thriller funktionieren, versucht Veit Etzold auch Unternehmen nahezubringen. Foto: Lehnert
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GIESSEN - Die Aufmerksamkeitsspanne von Menschen hat laut wissenschaftlicher Studien im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stetig abgenommen: Waren es 1990 noch 15 Sekunden, wurden im Jahr 2000 nur zwölf Sekunden gemessen und 2015 gerade mal noch acht Sekunden. "Selbst bei einem Goldfisch sind es neun Sekunden", verdeutlichte Dr. Veit Etzold beim "Gießener Wissensforum" die erschreckende Entwicklung. Umso wichtiger sei es also, beim Überbringen von Nachrichten - egal ob nun im beruflichen Umfeld etwa in einem Verkaufsgespräch oder privat - schnell auf den Punkt zu kommen. Und eine Geschichte ("Story") oder Botschaft so zu erzählen, dass Neugier geweckt und eine gewisse Spannung erzeugt wird. Etzold erwies sich zu diesem Thema in der Vortragsreihe von Gießener Anzeiger, Volksbank Mittelhessen und Veranstaltungsagentur Sprecherhaus als ideale Besetzung. Hat der bekannte Thriller-Autor doch schon so manchen Bestseller gelandet und gilt als Experte für die Methode des "Storytelling".
Vor rund 170 Zuhörern im Volksbank-Forum warnte Etzold aber auch davor, sein Gegenüber mit Informationen zu überfrachten. "Laut Hirnforschern hat unser Gehirn bei der Aufnahme von Informationen eine Bandbreite von nur 40 Bit, es ist also eher ziemlich faul." Ohnehin habe gemäß der Forschung das "letzte Update" vor 70 000 Jahren stattgefunden, "wir haben also immer noch ein Steinzeit-Gehirn". Zudem sei das Denkorgan so geschaltet, dass mit Emotionen versehene Inhalte, "die unser Herz ansprechen", eine wesentlich größere Wirkung erzielen als zu sehr sach- und faktenbezogene Beschreibungen. Dies gelte es gerade bei den vor allem im Wirtschaftsleben so beliebten Power-Point-Präsentationen zu beachten. Ansonsten dürfe man sich nicht wundern, wenn so mancher während des Vortrags wegschlummert. Eine weitere Regel laute: Botschaften, zum Beispiel in der Werbung, immer simpel halten. "Fachidiot schlägt Kunden tot" heiße nicht ohne Grund eine uralte Weisheit im Verkaufsgeschäft, so Etzold.
Wie der Thriller-Spezialist, der auch als Unternehmensberater tätig ist, weiter ausführte, gibt es im Gehirn zwei Regionen, die für die erste Informationsverarbeitung zuständig sind: Die Amygdala, den "Türsteher", der Angst- oder Panikzustände auslösen kann; und den Hypothalamus, der die Informationen weiter filtert. Falls es also nicht gelinge, eine "starke Story" zu erzählen, kreiere das Gehirn des Gesprächspartners sogleich seine eigene Geschichte. Damit habe man dessen Aufmerksamkeit unwiederbringlich verloren. Deshalb brauche "jede gute Geschichte einen Helden, und jeder Held einen Schurken", so der Referent. Auf das Wirtschafts- und Geschäftsleben übertragen, müsse man also ein Problem und die Lösung dafür anbieten. Den Wert des "Storytelling" (die drei Grundregeln siehe Infokasten) machte Etzold daran deutlich, dass Menschen einen richtig spannenden Krimi auch schon mal bis frühmorgens lesen, da sie unbedingt wissen möchten, wie die Geschichte weiter geht. Auch beim Werben für ein Produkt müsse "die Realität ein klein wenig unerfreulich sein", um dies als Lösung für ein Problem überzeugend verkaufen zu können.
GRUNDREGELN DES "STORYTELLING"
Die drei Grundregeln des "Storytelling", um bei seinem Gegenüber Interesse zu wecken, sei es nun in beruflichem oder privatem Rahmen, sind folgende: 1. "You don't believe the message, if you don't believe the messenger", zu Deutsch: "Sie glauben nicht die Nachricht, wenn Sie dem Boten nicht glauben". Erzählt man die Geschichte ("Story") nicht selbst, tut es jemand anderes. 2. Wer zu Anfang beim Gegenüber keine Aufmerksamkeit erzeugt, hat diesen verloren. Eine "Story" darf nicht langweilig sein, aber keine rosarote Welt zeigen. 3. Jede Geschichte braucht ein Problem, einen Schurken, um dafür eine Lösung anbieten zu können. Es gibt also Held, Schurke, Wendepunkt(e) und Happy End. Man muss dabei deutlich machen, was passiert, wenn nichts getan wird. (fod)
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Als nächster Referent spricht am 12. September Chin Meyer, ebenfalls Autor und Deutschlands wohl bekanntester Finanzkabarettist, über "Reicher leben - Erfüllt ohne Jagd nach Rendite". Veranstaltungsort ab 19.30 Uhr ist wieder das Volksbank-Forum im Schiffenberger Weg 110. Karten sind schon jetzt auf der Sprecherhaus-Homepage erhältlich.