Fachtagung an JLU Gießen zu "pflegen, kochen, putzen"
Pflegen, kochen, putzen: Haushaltsnahe Dienstleistungen sind begehrt. Gerade in einer alternden Gesellschaft und bei berufstätigen Eltern müsse von einer stetig steigenden Nachfrage ausgegangen werden. Und dennoch: Die Bezahlung, das Ansehen und die Arbeitsbedingungen sind in dieser Branche weiterhin schlecht, ist das Ergebnis einer Fachtagung an der JLU.
Von jem
Experten (von links): Dorothea Simpfendörfer (Präsidentin des Deutschen Hauswirtschaftsrates), Mareike Bröcheler, Prof. Uta Meier-Gräwe (beide Kompetenzzentrum PQHD), Dr. Christine Bergmann und Thomas Fischer (beide BMFSFJ). Foto: Meina
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GIESSEN - Pflegen, kochen, putzen: Haushaltsnahe Dienstleistungen sind begehrt. Gerade in einer alternden Gesellschaft und bei berufstätigen Eltern müsse von einer stetig steigenden Nachfrage ausgegangen werden. Und dennoch: Die Bezahlung, das Ansehen und die Arbeitsbedingungen sind in dieser Branche weiterhin schlecht. Wie sich das ändern soll, darüber hat das Kompetenzzentrum "Professionalisierung und Qualitätssicherung haushaltsnaher Dienstleistungen" (PQHD) der Justus-Liebig-Universität (JLU) informiert. Die Fachtagung "Caring, Cooking, Cleaning" in der Aula war gleichzeitig die Abschlussveranstaltung der Arbeit des PQHD, das sich seit Mai 2013 mit den wissenschaftlichen Analysen des Problems auseinandersetzt.
Für künftige Generationen
"Die Soziale Arbeit, Haushaltshilfe, Pflege und Erziehung müssen aufgewertet werden für die zukünftigen Generationen", erklärte Prof. Uta Meier-Gräwe, Leiterin des Kompetenzzentrums und Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der JLU, die mit der Fachtagung auch gleichzeitig in den bevorstehenden Ruhestand verabschiedet wurde.
Während sie bei der Kinderbetreuung mittlerweile einen positiven Trend ausmache, seien alltagsunterstützende Dienstleistungen, wie die Putz- oder Kochhilfe, bei Familien mit Kindern eher weniger anzutreffen. Obwohl der Bedarf durchaus vorhanden sei. "Wir können nicht mehr sagen, dass sich die Frau schon darum kümmern wird. Vor allem nicht, wenn sie auf Vollzeit arbeitet", so Meier-Gräwe weiter. Tatsächlich zeigt der letzte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, dass der "Gender Care Gap" gewaltig ist. Frauen leisten demnach täglich 52 Prozent mehr unbezahlte Tätigkeit für andere als Männer: Mit der Erziehung von Kindern, mit der Pflege von Angehörigen, mit Ehrenämtern und der Hausarbeit. Man brauche Modelle, die diese Entlastungsmöglichkeiten bezahlbar machen, ist sich die Expertin sicher. Gleichzeitig muss aber auch der Lohn in dem Bereich steigen. "In der IT-Branche verdient man durchschnittlich 17 Euro mehr die Stunde als in der Gesundheitsbranche. Das ist unglaublich", urteilte Meier-Gräwe. Man müsse wegkommen von dem überholten Gedanken, dass nur die Industrie wirtschaftlich wichtig sei.
Ein Umdenken, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft müsse endlich stattfinden, äußerte auch Dr. Christine Bergmann vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Ein wichtiger Schritt sei bereits mit der finanziellen Förderung in Höhe von 420 000 Euro des Kompetenzzentrums durch ihr Ministerium geleistet worden. Ob die Arbeit weiter geht, wisse man noch nicht.
"Wir müssen sehen, ob die neue Regierung offen dafür ist", so Dorothea Simpfendörfer, Präsidentin des Deutschen Hauswirtschaftsrates. "Diese Grundlagenforschung ist wichtig um das Problem in die Politik zu tragen", versicherte sie. Ein Grund, warum sich nur langsam etwas tut: Es sind typische Frauenarbeitsplätze - "das macht es so schwer", äußerte Bergmann enttäuscht. Dies könnte sich jedoch bald ändern. "Durch die zunehmende Technisierung entfallen immer mehr typische Männerberufe - Haushaltsnahe Dienstleistungen werden zukünftig also auch für Männer interessante Arbeitsplätze", erklärte Meier-Gräwe.
Bereits jetzt gibt es verschiedene Programme, die etwa junge Flüchtlinge für den Sektor qualifizieren und zudem eine gezielte Sprachförderung anstreben. Zudem seien die Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der hohen Nachfrage sehr gut. Ein weiteres Modell wird zurzeit an zwei Standorten in Baden-Württemberg getestet und stammt aus Belgien.
Schecks in Belgien
Belgiens Arbeitsministerium wollte die Schwarzarbeit bei Haushaltshilfen und Pflegediensten eindämmen. Für neun Euro bekommt man staatlich subventionierte Schecks, die eigentlich gut 22 Euro wert sind. Pro Arbeitsstunde überreicht man dann der Hilfe einen Scheck. Die Vorteile: Haushaltshilfen, die sonst schwarzarbeiten würden, erhalten einen garantierten Stundenlohn und sind sozial-, kranken-, und unfallversichert. "Sie vermeiden Ärger, sollte Ihre Haushaltshilfe in Ihrem Haus oder Ihrer Wohnung verunglücken, und außerdem kann man die Schecks steuermindernd absetzen."
"Solche Konzepte", fasst Meier-Gräwe es zusammen, "sind der Schlüssel für eine sozialgerechtere Gesellschaft."