FDP Gießen: Extremismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall über "Islamismus in Mittelhessen"
Bei einer Veranstaltung der Gießener FDP referieret Sigrid Herrmann-Marschall über "Islamismus in Mittelhessen". Anschließend kam es zu einer aufgewühlten Debatte mit dem Publikum.
Von Ingo Berghöfer
Was wird hinter den Mauern der Gießener Moscheen gelehrt? Nicht nur Erbauliches, meint Sigrid Herrmann-Marschall. Symbolfoto: RMB/Joachim Sobek
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Dass im Anschluss an einen Vortrag, zu dem die FDP in einen Nebenraum der Kongresshalle eingeladen hatte, mitunter heftig und hitzig diskutiert wurde, lag nicht nur an den tropischen Temperaturen, sondern auch am Thema und an der Referentin. Sigrid Herrmann-Marschall, die sich auf ihrer Webseite als "unabhängige Sekten- und Islamismus-Expertin" bezeichnet, berichtete über "Islamistischen Extremismus in Mittelhessen" und erhielt dafür aus dem Publikum viel Gegenwind, aber noch mehr Unterstützung.
Wolfgang Greilich verteidigte eingangs die Einladung Herrmann-Marschalls. Man müsse sich als liberale Partei mit diesem Thema offensiv auseinandersetzen, allein schon, um es nicht den Rechtspopulisten zu überlassen.
Nach einer kurzen Einführung in die Grundlagen des Islams und dessen Hauptströmungen stellte die Sozialdemokratin zunächst ihre Methode vor. Sie wertet akribisch öffentlich zugängliche Quellen wie Facebookprofile islamischer Verbände oder deren Homepages aus, sieht Verbindungen und zieht daraus Schlüsse. Im Zentrum ihres Vortrags in der Kongresshalle stand die Islamische Gemeinde Gießen (IGG), deren Dachverband, die Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD), sowie deren vielfältige Verbindungen zur Muslimbrüderschaft.
Die IGD sei eine der Gemeinschaften bei denen, so Herrmann-Marschall, eine auffällige Diskrepanz zwischen dem, was sie nach außen trage und dem, was sie nach innen lebe, existiere. Die IGD sei eine Organisation in der sich auch sehr viele Muslimbrüder organisierten. Die 1928 gegründete Muslimbrüderschaft sei eine weltweit aktive Gruppierung, die laut ihrer eigenen Strategiepapiere die weltweite Einführung eines Kalifats und der Scharia anstrebe, also eines islamischen Staats mit einer Rechtsprechung, die den Regeln des Korans folge. Dabei, so Herrmann-Marschall, verfolge die Muslimbrüderschaft weltweit und auch in Deutschland eine Doppelstrategie. Gegenüber der Mehrheitsgesellschaft zeige man ein tolerantes, weltoffenes Gesicht und suche den Dialog und das zumeist auf Deutsch, gegenüber der eigenen Community schlage man dagegen fundamentalistischere Töne an und die dann meist auf Arabisch.
Herrmann-Marschall sprach hier von einer "schlauen Strategie", etwa mit dem Versuch, mit Abdallah ibn Baiya einen der Vordenker der Muslimbrüder durch vor allem über das Internet verbreitete Kalendersprüche zu einer Art muslimischen Dalai Lama aufzubauen, denn "das kommt gut an bei Europäern".
Der immer noch amtierende oder vor zwei Wochen zurückgetretene Vorsitzende der IGG, Dr. Diaa Rashid, - darüber gab es an diesem Abend widersprüchliche Aussagen - rückte immer wieder in den Fokus der Referentin, die dessen zahlreichen Kontakte zu Verbänden und Gruppen, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen, mit Screenshots und Fotos von den Facebookauftritten und Webseiten dieser Gruppen belegte. So zeigte sie, dass die vom berüchtigten Salafisten-Prediger Pierre Vogel beworbene Islamische Online Universität die Islamische Gemeinde Gießen als eine der ganz wenigen in Deutschland zur Abnahme von Prüfungen zertifiziert hat.
Den schon während ihres Vortrags lautgewordenen Vorwurf aus dem Publikum, dass sie aus einem einzelnen Foto eine fragwürdige Gesinnung ableite, konterte die 54-jährige Biologin mit dem Hinweis: "Die Masse macht es. Wenn einer 50 Mal Bernd Höcke bei Facebook liked, dann ist er eben kein Linker mehr."
Fast so lang wie der Vortrag war die anschließende Diskussion, aber erheblich emotionaler, Sigrid Herrmann-Marschall wurde vor allem von zwei anwesenden evangelischen Pfarrern kritisiert. Helmut Schütz sagte, er habe in 17 Jahren interreligiösen Dialogs nicht den Hauch von Islamismus verspürt. Der Co-Vorsitzende der Christlich-Islamischen Gesellschaft, Pfarrer Bernd Apel, betonte die Notwendigkeit eines interreligiösen Dialogs, worauf Herrmann-Marschall konterte, warum die christlichen Kirchen so versessen darauf seien, einen Dialog mit den Muslimen zu führen. "Sie führen doch auch keine Dialoge mit Agnostikern oder Atheisten." Eine deutsche Zuschauerin, die angab seit 20 mit einem Mitglied der Islamischen Gemeinde Gießen verheiratet zu sein, rief in den Saal. "Ich bin froh, dass mein Vater, der FDP-Mitglied war, das nicht mehr erlebt hat. Wolfgang Greilich betonte dagegen: "Wir sind heute hier, weil wir für Integration sind, und daran müssen wir arbeiten." Die Gießener Politikwissenschaftlerin Dr. Alexandra Kurth sagte zur Referentin: "Ich bin froh, dass sie hier sind und wir diese Debatte endlich führen." Sigrid Herrmann-Marschall beendete die Veranstaltung mit einem Appell an die Wachsamkeit ihrer Zuhörer "Wenn Sie sich für nicht täuschbar halten, dann überschätzen Sie sich."