Gießen: Kristina Hänel wehrt sich mit Unterlassungsklage gegen "babycaust.de"
Die Gießener Ärztin Kristina Hänel geht juristisch gegen den Betreiber der Internetplattform "babycaust.de" vor und wehrt sich mit einer Unterlassungsklage.
Von Stephan Scholz
Kristina Hänel (rechts) hat Klage gegen den Betreiber von "babycaust.de" eingereicht. Archivfoto: Mosel
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GIESSEN. Eigentlich sollte Mitte April am Hamburger Landgericht eine Unterlassungsklage gegen den Betreiber der Internetseite "babycaust.de" verhandelt werden. Eingereicht haben sie die Anwälte von Kristina Hänel. Mit ihrer Klage wehrt sich die heimische Allgemeinmedizinerin gegen die Aufmachung der Internetseite, die Besucher durch Bilder und Statements mit der Unterstellung konfrontiere, dass Abtreibung schlimmer als der Holocaust sei.
"Seit Jahren benutzen viele Abtreibungsgegner diesen unsäglichen Holocaustvergleich ohne Gegenwehr, weil der Schwangerschaftsabbruch ein Tabu ist, verschärft durch seine Existenz im Strafgesetzbuch", erklärt Hänel. Sie sieht sich und Kollegen durch die Website mit Nationalsozialisten auf eine Stufe gestellt. Deshalb hat sie die Klage gegen den Betreiber eingereicht. Neben der Aufmachung der Seite verweist Hänel in einer Mitteilung auch darauf, dass alle Ärzte, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche anbieten, auf der Seite gelistet werden. "Ausgerechnet diese Website wird daher - aufgrund des Informationsverbots nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch - von vielen Frauen benutzt, um an Adressen für einen Abbruch heranzukommen. Gleichzeitig werden sie aufgrund der Aufmachung der Website mittels Bildern und Statements mit der Unterstellung konfrontiert, dass Abtreibung schlimmer als der Holocaust sei: Gleich auf der Startseite findet sich das Tor von Auschwitz mit der Aufschrift 'Arbeit macht frei'", kritisiert die Gießener Ärztin.
Für sie sei letztes Jahr der Punkt erreicht gewesen, an dem es ihr gereicht habe, teilt Hänel mit. Es könne nicht angehen, dass ausgerechnet in Deutschland Menschen es wagten, den Holocaust zu relativieren und ihn damit zu verharmlosen. "Wir befinden uns dieses Jahr 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, 75 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus. Wir haben immer noch die gesellschaftliche Aufgabe, uns in Würde und Anstand unserer Vergangenheit zu stellen, um Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen", führt die Gießenerin aus. Deshalb habe sie sich für die Unterlassungsklage entschieden, deren Verhandlung in Hamburg wegen der Corona-Krise nun für den 21. August um 10.30 Uhr terminiert ist, wie das Landgericht der Hansestadt bestätigt. Gerhard Merz, Vorsitzender der "Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer", übt ebenfalls deutliche Kritik an der Internetseite "babycaust.de". Ihr Betreiber setze auf der Seite unter Benutzung eines Fotos des Eingangstores von Auschwitz Abtreibungen mit dem Holocaust gleich und stelle darüber hinaus Hänel und alle anderen Ärzte, die Abtreibungen durchführen, mit den SS- Mördern und den von ihnen in den Gaskammern von Auschwitz verübten Menschheitsverbrechen auf eine Stufe. Merz schließt sich in diesem Zusammenhang einer Erklärung von Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des "Internationalen Auschwitz Komitees", an: Falsche und inakzeptable Vergleiche mit den Geschehnissen und den Mördern von Auschwitz seien für Auschwitz-Überlebende eine Beleidigung. Sie ließen die Überlebenden in der Erinnerung an ihre in den Gaskammern ermordeten Angehörigen fassungslos zurück. Auf die schriftliche Anfrage dieser Zeitung nach einer Stellungnahme hat der Betreiber von "babycaust.de" nicht reagiert.