Gießen: Ode an die Orgel der Kirche St. Thomas Morus
Ein Gotteswerk in Menschenhand: Die "Königin der Instrumente" in der Gießener Kirche St. Thomas Morus wurde vor 50 Jahren geweiht. Seitdem erfreut sie die Gottesdienstbesucher.
Von Matthias Schmid
Vor 50 Jahren geweiht: Die Orgel in der Kirche St. Thomas Morus, gebaut von der Firma Kreienbrink. Foto: Handrack
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GIESSEN - Die Orgel in der Katholischen Kirche St. Thomas Morus im Osten Gießens wurde vor 50 Jahren ihrer Aufgabe zugeführt: als mit Gottes Segen geweihtes Instrument die Gottesdienstbesucher bei Gesang und Gebet zu unterstützen und zu inspirieren. Die Firma Kreienbrink Orgelbau GmbH, Georgsmarienhütte, hat sie gebaut. Sie ist im nördlichen Seitenschiff in einer, fast schwalbennestartigen Weise bodenbündig an die Ostwand erstellt, übrigens gut sichtbar für die Gläubigen vom Kirchenschiff. Pfarrer Matthias Schmid hat ihre Geschichte, Bau- und Eigenart schwärmend, fast schwelgend zusammengefasst.
"Der Prospekt gibt den Blick frei auf die Zinnpfeifen, gerahmt von einem Eichenholzkorpus und dem Spieltisch am Boden. Zu ihrer Zeit und auch heute noch ein beeindruckendes Instrument, das dem von Ziegelstein umbauten großen Raum der Kirche angemessen ist. Rechts und links des Spieltisches sind Türen zum Begehen des Inneren der Orgel in den Korpus eingelassen. Wer die Erlaubnis hat, darf in die Eingeweide der "Königin" blicken und staunen, wie aus Draht, Holz, Zinn und ein wenig Schafsbalg, die so aus Luft gemachten vielen Töne kommen, die einem die Schauer über den Rücken laufen lassen bei Widors Toccata.
Aber auch wer einfach im Gottesdienst in seiner Bank verweilt, kann den Blick immer wieder auf die Orgel schweifen und sich ablenken lassen. Wie eine Thronende zur linken der heiligen Prinzipalarena, besingt sie das Geschehen an Altar und Ambo. Kreiert vielmehr den mystischen Rahmen, je nach Gefühlslage des Organisten eher so oder anders, dort, wo das Mysterium der Anwesenheit Gottes in Brot und Wein und sein heiliges Gotteswort dazu gefeiert wird.
Die Musikalität einer Orgel, so heißt es, bildet, wenn auch nur annähernd, die menschliche Stimme nach. Daher auch die Chiffre: die Orgel, Königin der Instrumente. Eine Königin und ein König leiten das Volk, schützen es, fördern es und lassen es gedeihen in Erhabenheit und Wohlstand. Und das Volk huldigt dafür den Majestäten und bringt Gutes und Gerechtigkeit und Frieden hervor und folgt so der Wahrheit. Die Orgel macht es genauso. Sie ruft das Gottesvolk zusammen, wie es im Lied heißt vom ganzen Erdenrund, und vereint es in Christi Namen. Des Heiligen Geistes Lichtes Strahl wird dann herabgesendet sein und die Gottheit, tief verborgen, taucht auf und erfreut des Menschen Herz. Diese blumig Rede ist alles andere als das, denn Blumen kann man zwar sehen, aber ganz wenig nur hören. Es ist, wie bei unseren menschlichen Auslegungen der Charaktere und Aufnahmefähigkeiten der Seele: Die eine kann eher über Worte und gewandte Rede Sinnhaftigkeiten erfassen. Der andere sieht und erlangt über das bildhaft mit Farbe oder gestalthaftem Schnitt in Holz und Stein Gefertigte seinen Zugang. Wiederum vielen ist das Tasten und Schmecken der durch Feuer und Kälte zubereiteten Gewächse von Feld und Flur ein Leib- und Seelengericht. Und dann, ja dann gibt es das Hören.
Preis und Ehre
Der Zweck der Musikinstrumente, aller Musik ist es, um es so prosaisch wie irgend möglich zu sagen, schwingende Luft, Töne, in unser Ohr zu befördern. Dazu kann gehört werden. Manche können aber hören und auch dazu singen. Es ist sogar der Tanz in diesem Zusammenhang möglich. Alle Musik soll ergreifen und befreien, soll uns Menschen aus- und abbilden, soll erzählen, was kein Wort sagen kann, kein Bild zeigt, keine Labsal, kein Trank und Speis macht. Die Orgel legt noch eins drauf: Anbetung, Preis und Ehre dem unsichtbaren und segnendem Gott soll wesenhaft heiliges Erschauern dargebracht werden - dazu noch Ehrerbietung vor seiner unverständlichen, auch uneindeutigen, wenngleich unfassbaren Liebe zu uns Menschen - nichts anderes ist der Orgel Geschäft.
Die Weisen, die durch sie erklingen, erheben nicht nur unser Herz, sie geben auch den Blick frei auf die Last, die uns aufgebürdet ist als Wesen zwischen Himmel und Erde. Ob die orgeltönenden Lieder und polyphonen Tongebinde uns menschlicher und herzlicher werden lassen können? Uns lehren, den göttlichen Sinn von gegenseitig angenommenen Respekt und Anerkennung feiern zu lassen? Dann hat die Orgel einen erzieherischen und geistlichen Auftrag. Da müssen viele musikalisch tönende Experimente und noch mehr Lieder und Tänze beikommen, dass das gut wird. Dann ist die Orgel ein Gotteswerk in Menschenhand, leidlich ein Menschenwerk in Gotteshand.
Segen auf alle, die sie spielen wollen und können. Legt ihnen Lorbeerkränze aufs Haupt! Die Königin ist 50, bereit noch lange bespielt und aufgefordert zu werden, uns bei der Menschwerdung zu helfen. Alles Gute zum Geburtstag und Gottes Segen!"