Gießen: Raus aus der "Schamecke" mit dem "Bündnis gegen Depression"
Depression ist eine Volkskrankheit, wird aber nach wie vor unterschätzt und stigmatisiert. Oft dauert es zu lange, bis sich Betroffene medizinische Hilfe suchen. Das neu gegründete "Bündnis gegen Depression" in Gießen möchte das ändern.
Von dmo
Schirmherren und Vorstand des "Bündnisses gegen Depression Gießen" möchten für die geplante Arbeit in Stadt und Landkreis gerne weitere Unterstützer ins Boot holen (von links): Michael Franz, Alexandra Uhl (Vitos Klinik), Rudolf Stark, Dietlind Grabe-Bolz, Anita Schneider, Horst Mathiowetz, Martina Schmidt und Bernd Hanewald. Foto: Moor
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GIESSEN - Depression ist eine Volkskrankheit: In Deutschland ist immerhin jede vierte Frau sowie jeder achte Mann betroffen. Die Erkrankung wird trotzdem weiterhin unterschätzt und stigmatisiert, weshalb es häufig viel zu lange dauert, bis Betroffene sich medizinische Hilfe suchen. Um unter anderem die Aufklärung voranzutreiben, gründete sich Ende 2018 das "Bündnis gegen Depression" in Gießen unter Vorsitz von Prof. Michael Franz, Ärztlicher Direktor am Vitos-Klinikum Gießen-Marburg (der Anzeiger berichtete). Der Vorstand des Vereins sowie weitere Gründungsmitglieder informierten nun über ihre Intentionen und die bevorstehende Auftaktveranstaltung.
Innerhalb des Bündnisses vernetzen sich die Partner, um auf unterschiedlichen Ebenen tätig zu werden. Dazu gehören Versorgung, Aufklärung, Behandlung sowie die Unterstützung von Angehörigen. Horst Mathiowetz, Geschäftsführer des Fördervereins seelische Gesundheit, erklärt, dass es in Stadt und Landkreis schon viele Möglichkeiten und Angebote gebe. Allerdings wisse man noch zu wenig voneinander. Dieses Defizit solle nun durch das Bündnis behoben werden. Die Disziplinen Medizin und Psychologie kooperierten bereits gut miteinander, stellt Rudolf Stark, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Justus-Liebig-Universität (JLU) fest. Doch auch Multiplikatoren wie Pfarrer und Lehrer sollen geschult werden. Darüber freut sich Martina Schmidt, Leiterin der Telefonseelsorge Gießen-Wetzlar. Deren Ehrenamtler nehmen schon an Fortbildungen bei Michael Franz teil und könnten neben der freiwilligen Arbeit die Kenntnisse nutzen, um im Privaten Vorurteile abzubauen und Impulse zu setzen.
Dr. Bernd Hanewald beobachtet als stellvertretender Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM), dass viele Patienten nach lange aufgeschobener Behandlung zu dem Ergebnis gelangen, wie gut es ihnen gehe und dass sie "früher hätten kommen müssen". Dass mit der Arbeit des Bündnisses Tabus abgebaut werden sollen, "man wissen sollte, sich für Depressionen nicht schämen zu müssen", ist für Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz ein wichtiger Grund, warum sie neben Landrätin Anita Schneider die Schirmherrschaft übernommen hat. Beide erkennen die Notwendigkeit solcher Aufklärung nicht nur auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, sondern auch als Arbeitgeberinnen im öffentlichen Dienst, der freilich auch mit depressionsbedingtem Krankenstand konfrontiert ist. Schneider engagierte sich daher gerne für eine Anschubfinanzierung für den Verein. Denn solch eine Initiative "hat und braucht viele Schultern".
Ein prominenter Unterstützer ist Henni Nachtsheim ("Badesalz"), der auch als Schirmherr des Frankfurter "Bündnisses gegen Depression" fungiert und somit "nicht lange gefragt werden musste", ob er dies auch für Gießen tun würde. Als eine seiner besten Freundinnen vor Jahren an Depressionen erkrankte, sei er sich "dumm vorgekommen", weil er so gar keine Vorstellung vom Krankheitsbild hatte. Inzwischen habe er viel dazugelernt und möchte dazu beitragen, das Thema Depression aus der "Schamecke" zu holen. Obendrein habe er eine "innige Bindung" zu Gießen.
Henni Nachtsheim bestreitet auch einen Teil des Abendprogramms zum Auftakt am Mittwoch, 3. April, ab 18.30 Uhr in der Kongresshalle. Auftreten wird ferner der Kabarettist Manfred Lütz. Neben Informationen über Depressionen möchte sich der Verein dann auch der Öffentlichkeit vorstellen und weitere Mitglieder mit ins Boot holen. Ein Bündnis sei immerhin "umso stärker, je breiter es aufgestellt ist". Interessenten können sich per E-Mail melden: info@buendnis-depression-giessen.de.