Gießen: Senioren helfen Schülern bei Lösung von Konflikten und privaten Problemen
Der Verein "Seniorpartner in School" (SiS), der seit zehn Jahren auch in Gießen niedergelassen ist, hilft Schülern bei der Lösung von Konflikten und privaten Problemen.
Von Christian Nemeth
Konfliktlösung: Schüler und Mediatoren von "Seniorpartner in School" im angeregten Gespräch. Symbolfoto: Traulich
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GIESSEN - Überall, wo Menschen miteinander zu tun haben, kann es bekanntlich zu Problemen oder Konflikten kommen. Zwischenmenschliche Auseinandersetzungen gehören eben zum Leben dazu; sie zu lösen, ist jedoch nicht immer ganz einfach. Das trifft auf die Welt der Erwachsenen ebenso zu wie auf beispielsweise den Schulkosmos. Vor allem den Problemen von Schülern verschrieben hat sich der Verein "Seniorpartner in School" (SiS), der seit zehn Jahren auch in Gießen niedergelassen ist. Der Verein setzt sich für gewaltfreie Konfliktlösungen, insbesondere durch Mediation, ein, bietet Schülern bei Bedarf aber auch Einzelgespräche an. An insgesamt sechs Schulen in Gießen und Umgebung sind die "Seniorpartner" aktiv. Das bedeutet: Der Verein, der stets zweiköpfige Teams entsendet, hält an einem bestimmten Wochentag für einen gewissen Zeitraum ein Gesprächs- oder Mediationsangebot an einer jeweiligen Schule bereit. Schüler, die daran teilnehmen, werden für diese Dauer vom Unterricht befreit.
"Kontakt auf Augenhöhe"
"Was uns mit den Kindern eint, das ist die Liebe und der Respekt und der Kontakt auf Augenhöhe", betont SiS-Regionalsprecherin Ursula Benoit. Die Rentnerin, die einst beruflich im Verwaltungsbereich tätig war, gehört dem Verein bereits seit zwei Jahren an und ist selbst jeden Donnerstagvormittag in der Biebertaler Grundschule tätig. Schon seit zehn Jahren für die SiS engagiert sich Dr. Anne Traulich, die aktuell als Landesvorsitzende des Vereins fungiert. Die Marburgerin war vor ihrem Ruhestand selbstständig sowie als Managerin aktiv. Die Idee, sich ehrenamtlich bei dem auf Vermittlung und Konfliktlösungen in Schulen spezialisierten Verein einzubringen, sagte ihr rasch zu. "Was mir besonders gefallen hat, das war, dass man für dieses Ehrenamt besonders gut qualifiziert wird."
Mittlerweile zählen die "Seniorpartner in School" für die Region Gießen knapp 20 Mitglieder. Vor Kurzem erst feierte der lokale Ableger sein zehnjähriges Bestehen und ehrte vier verdiente Vereinsmitglieder, die sich seit 2008 an den Gießener Schulen engagieren. Im Stadtgebiet decken die SiS derzeit Georg-Büchner-Schule, Pestalozzischule, Gesamtschule-Ost, Sandfeldschule, Albert-Schweitzer-Schule sowie die Rödgener Hedwig-Burgheim-Schule ab. Hinzu kommen die Grundschulen in Biebertal und Waldgirmes.
Ursula Benoit berichtet, dass sich ein Großteil der mit den Kindern besprochenen Themen um Beziehungsprobleme dreht: "Der spielt nicht mit mir, die will nicht mehr mit mir befreundet sein, darum geht es oftmals. Bei den Jungs geht es mehr so ums Kräftemessen." Sowohl Benoit als auch Traulich haben ferner beobachtet, dass die Anzahl der Kinder, die im Privaten mit der Trennung der Eltern zu kämpfen haben, zunimmt.
"Die können oftmals nicht damit umgehen und benötigen einfach jemanden Neutrales, der ihnen zuhört. Auch wenn es da keine direkten Lösungen gibt", sagt Anne Traulich. Für solche Schüler, allerdings auch für alle anderen, die ein bestimmtes Problem mit sich herumtragen, eignet sich mitunter das empathische Einzelgespräch, das die SiS neben der Mediation anbieten. Traulich betont jedoch: "Wir werden auf keinen Fall an irgendeiner Stelle therapeutisch tätig. Es könnte ja auch Kinder geben, die zum Beispiel missbraucht wurden. Dann geben wir das weiter an den Kinderschutz oder die Schulleitung. Denn wir sind keine Hobby-Therapeuten, sondern konzentrieren uns auf Konfliktlösungen."
Was Benoit und Traulich immer wieder feststellen: Die Kinder, die meist einem Jahrgang aus der zweiten bis siebten Klasse entstammen, wissen es zu schätzen, dass sie im Rahmen einer SiS-Sitzung ernst genommen werden. Allerdings bezeichnet Ursula Benoit die Gespräche auch als "echte Arbeit" für die Kinder, zumal keine Lösungen auf dem Silbertablett serviert werden. Die Kids, die ausschließlich freiwillig erscheinen, müssen sich die Antworten auf ihre Probleme selbst erarbeiten. Freilich bei steter professioneller Anleitung ihrer Seniorpartner. "Unser Anliegen ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben", sagt Traulich. Benoit ergänzt: "Was man wissen sollte: Wir bieten keine Kuschelstunde an."
Um ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit angemessen nachgehen zu können, werden die SiS-Mitarbeiter in einem 80-stündigen Kurs profund zu Schulmediatoren ausgebildet. Das 2001 entwickelte Konzept des Vereins ist bundesweit anerkannt und wird in Hessen etwa vom Sozialministerium gefördert. Wer sich entscheidet, dem Verein "Seniorpartner in School" beizutreten, verpflichtet sich, nach der kostenfreien Ausbildung mindestens 18 Monate wöchentlich für zwei bis sechs Stunden an einer Schule ehrenamtlich tätig zu sein. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft bei den "Seniorpartnern" ist, dass man sein Berufsleben bereits hinter sich gelassen hat und bestenfalls mindestens 55 Jahre alt ist. Im vierten Quartal dieses Jahres wird der Verein aufgrund der Nachfrage von weiteren Gießener Schulen neue Qualifikationskurse anbieten. Interessenten können sich schon jetzt an Ursula Benoit (E-Mail: ubenoit@hotmail.com) wenden.