Gießen: Videobrille "HappyMed" soll Patienten am "EV" Angst bei Operationen nehmen
Medizinische Eingriffe lösen häufig Angst und Stress aus: Am Evangelischen Krankenhaus in Gießen soll nun eine Videobrille vor, während und nach der OP für ein besseres Wohlbefinden sorgen. Angeschaut werden können Filme, Konzerte und Naturdokumentationen.
Von cg
Im Aufwachraum: Mit der Videobrille können Patienten vor, während und nach der OP Filme, Konzerte oder Naturdokumentationen anschauen (Situation nachgestellt). Foto: Christine Gerlach
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GIESSEN - Eine Videobrille soll eine entspannte, abgelenkte und schmerzfreie Atmosphäre für Patienten ermöglichen. "HappyMed" heißt dieses audiovisuelle System. Das Agaplesion Evangelische Krankenhaus Mittelhessen arbeitet als erstes Krankenhaus im Umkreis von 150 Kilometern damit.
"Achtung, jetzt wird es kurz piksen" - bei vielen Menschen stellt sich allein schon mit dieser Ankündigung ein verkrampftes Schmerzgefühl ein. Schuld daran sei nur das Gehirn, das die Botschaft vermittelt bekomme: "Mir wird jetzt Schmerz zugefügt", erläutert Privatdozent Dr. Jochen Sticher, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, laut einer Pressemitteilung des EV. Medizinische Eingriffe lösten häufig Angst und Stress aus. "Der Kontrollverlust führt dazu, dass noch stärker auf die Umgebung fokussiert und übersensibel auf unterschiedliche Sinneseindrücke reagiert wird. Der Blutdruck erhöht sich, Puls und Atmung beschleunigen, Schmerzen werden intensiver wahrgenommen - sogar die Zeit scheint langsamer zu vergehen."
Mit der "HappyMed"-Videobrille können Patienten nun seit diesem Monat vor, während und nach einem operativen Eingriff im Evangelischen Krankenhaus Filme, Konzerte oder Naturdokumentationen anschauen. Dadurch werden das Gehirn und die Sinne mit positiven Eindrücken beschäftigt, so Sticher. Das System besteht aus einer Videobrille mit integrierten Kopfhörern, die den Patienten vom eigentlichen Geschehen während der operativen Behandlung ablenken sollen. Per Knopfdruck könnten mit Bild und Ton die Gedanken des Patienten "weg von Angst und Anspannung hin zu Entspannung und Gelassenheit" gelenkt werden. Durch den veränderten Fokus lasse sich die Situation im Operationssaal besser handhaben. Belegt sei dieser Effekt durch zahlreiche Studien (Lee et al., 2012; Marechal et al., 2017; Mifflin, Hackmann, & Chorney, 2012), die zeigen, "dass Angst vor Operationen durch audiovisuelle Unterstützung reduziert werden kann".
Die Vorteile dieser neuen Technik seien vielfältig. Zum einen könne Patienten die Angst genommen werden, zum anderen werde die entsprechende Behandlung als angenehmer empfunden und die Zeit im Aufwachraum verkürze sich. Weiterhin konnte durch den Einsatz von "HappyMed" bei 33 Prozent der Teilnehmer einer Studie die Gabe von Beruhigungsmitteln komplett entfallen. Die Patienten der Studie berichten demnach zu 92 Prozent, dass sie das System erneut verwenden würden. Als weitere Vorteile wurden das gesteigerte Wohlbefinden während der Behandlung sowie geringere Nervosität und Unsicherheit genannt. Die Videobrille sei für alle Patienten geeignet und könne in einem breiten Spektrum von Maßnahmen in diversen Abteilungen eingesetzt werden.