Gießener Spezialitäten hätten auch Tolkien geschmeckt
Bei seinem "Performance-Dinner", das unter dem Motto des berühmten Autors der "Herr der Ringe"-Bücher stand, kredenzte der Gießener Hobbykoch Rolf Baltromejus Nahrhaftes für Gaumen und Geist.
Von Petra Zielinski
Nicht nur in der Küche im Einsatz: Der begeisterte Hobbykoch Rolf Baltromejus bedient seine Gäste auch selbst. Foto: Zielinski
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GIESSEN - "Wir sind kein Restaurant, alles ist möglich", begrüßt Rolf Baltromejus am Samstagabend seine Gäste beim vorweihnachtlichen "Tolkien-Performance-Dinner" in der Steinstraße. Hierhin lädt der studierte Künstler seit März 2018 alle zwei Monate zu einem Essen der ganz besonderen Art ein. Dieses Mal heißt das Motto "J.R.R. Tolkien", vor allem bekannt als Autor der "Herr der Ringe"-Bücher. Eine Ausbildung zum Koch hat Baltromejus allerdings nie gemacht, sich aber bereits seit frühester Kindheit für das Kochen interessiert und die Grundbegriffe von seiner Großmutter aus dem Vogelsberg gelernt.
"Als Teenager habe ich schließlich begonnen, aufwendige Geburtstagstorten selbst zu kreieren", erzählt er im Gespräch mit dem Anzeiger. Richtig mit dem Kochen los ging es dann während seines Studiums am Londoner Central Saint Martins College und an der Berliner Universität der Künste. Bald sprach sich sein Talent herum, sodass er jeden Freitag für einen Kreis von Freunden kochen "musste".
Speisen als Kunstform
Passend dazu schrieb er seine Abschlussarbeit - inspiriert vom Schweizer "Eat Art"-Künstler Daniel Spoerri - über "die Modifikation von Nahrungsmitteln als künstlerische Erkenntnisform". Spoerri habe sich einen Raum gemietet, für seine Gäste gekocht, im Anschluss das benutzte Geschirr, Besteck und Servietten am Tisch festgeklebt und die Tischplatte schließlich als Collage an die Wand gehängt, berichtet Baltromejus.
Ein Lokal zu eröffnen und jeden Tag die Speisekarte rauf und runter zu kochen, kam für ihn aber nie infrage. Der Kreative setzt auf Abwechslung und das Besondere. Nach sieben Jahren Gastspiel in verschiedenen Galerien und Museen ist er in Gießen heimisch geworden und fühlt sich im etwa 40 Quadratmeter großen, gemütlichen Raum in der Steinstraße sehr wohl. Das tun auch seine rund 15 Gäste, die gespannt auf das mehrgängige englische Weihnachtsmenü warten. Einige von ihnen sind Freunde, andere Fremde, die hauptsächlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf den Ausnahmekoch aufmerksam geworden sind. Zwei Monate lang habe er sich im Vorfeld Gedanken über das Menü gemacht, verrät Baltromejus, zwei Tage habe ihn die Vorbereitung gekostet.
"Dem eigentlichen Essen ist eine Woche vorher ein Probeessen vorausgegangen", betont er. Danach habe er die Rezepte noch einmal überarbeitet. "Mein harschester Kritiker ist mein Bruder Stuart", erklärt er lachend. Auch dieser habe damals der Großmutter beim Kochen zugeschaut und kenne sich gut aus. Ein Rezept aus dem Kochbuch oder gar von einem YouTube-Video zu kopieren, kommt für ihn jedoch nicht infrage. "Kreativität heißt, nicht zu kopieren", zitiert er Jacques Maximin.
Nach einem Cocktail - bestehend aus Cognac, Rotwein, Zitrone, Orange und Muskat - wird ein Gruß aus der Küche serviert: Currycreme mit Wachtelei, darauf Zwiebelsaat. Während der einzelnen Gänge liest Kay Hörster (Vorstand der Museumsgesellschaft) aus eher unbekannten Werken von J.R.R. Tolkien vor. Wer bis dato nur dessen Welterfolg "Herr der Ringe" kennt, ist überrascht, wie heiter und gemütvoll der englische Autor zu schreiben verstand.
Neben "Mr. Bliss" bringt Hörster zwei von Tolkiens Weihnachtsbriefen zu Gehör, die der Autor zwischen 1920 und 1942 für seine Kinder geschrieben hat und die ursprünglich nicht zur Veröffentlichung gedacht waren. Als "Father Christmas" berichtet er humorvoll von seinen Erlebnissen am Nordpol, Polarbär inklusive. Auch die Illustrationen zu dem wunderschönen Buch stammen von Tolkien selbst.
Diskussion über "Hobbit"
Passend zu den Geschichten hat Baltromejus den ersten offiziellen Gang "Mr. Bliss: Gegrillter Spitzkohlsalat mit Banane und Cheddar" genannt. Denn diese Zutaten spielen im humorvollen Buch eine Rolle. Weiter geht es mit "Bombadil Goes Boating: Fish & Chips mit Sauce Tartare". Hierbei wird unter den anwesenden Tolkien-Fans heftig diskutiert, um wen es sich bei dem legendären Tom Bombadil, der in den Verfilmungen nicht auftaucht, wirklich handelt. Zwischendurch wird ein schmackhaftes Apfelsorbet gereicht. Weiter geht es mit köstlichem "Cabed-en-Aras": Hirschfilet in Lapsang Souchong und Orange mit Yorkshire Puddings, Pastinakenpüree & Perlzwiebeln. Das in Schwarztee geräucherte Filet zergeht auf der Zunge. Den Abschluss bildet "An Unexpected Party: Honig-Pie mit Kreuzkümmel und Persimone". Ein kleiner Gruß an den Hobbit, der zu einer unerwarteten Reise aufbricht. Zu jedem Gang werden passende Weine kredenzt.
"Mein Bruder und ich sind große Tolkien-Fans und haben seine Bücher in allen möglichen Sprachen gelesen", erklärt Rolf Baltromejus am Ende des Abends. Fest steht zu diesem Zeitpunkt, dass auch die Gäste nun alle Fans sind - Fans seiner Kochkünste. Schon mal vormerken: Am 2. und 3. April kommenden Jahres wird Baltromejus Gastkoch im "La Cantina" in der Frankfurter Straße sein.