Gottesdienst in Gießener Johanneskirche für Pfarrer Michael Paul
Vom Buchhändler zum Theologen: Vielfältige Würdigung für Pfarrer Michael Paul zum 25-jährigen Ordinariat. Der Gottesdienst wurde in der Johanneskirche aufgezeichnet.
Von Barbara Czernek
"Glaube ist immer auch politisch", sagt Pfarrer Michael Paul. Foto: Czernek
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GIESSEN - Gießen. "Wenn man das Wirken von Ihnen mit einem Wort umschreiben sollte, so lautet es für mich Liebe." Mit diesen Worten würdigte Klaus Busch, Vorsitzender des Kirchenvorstands der Johannesgemeinde, das 25-jährige Ordinariat von Pfarrer Michael Paul. Den Rahmen dazu bot der Gemeindegottesdienst in der Johanneskirche.
Paul wurde am 14. Januar 1996 von Propst Klaus Eibach in der Albacher Kirche ordiniert. Von dort führte ihn sein Werdegang über mehrere Stationen in die Johannesgemeinde in Gießen. Hier ist er seit 2001 tätig. Der Weg war für Michael Paul nicht unbedingt so vorgezeichnet. Er wuchs in Grünberg auf, besuchte dort die Theo-Koch-Schule, die er mit dem Abitur beendete. Seine Familie war nicht übermäßig christlich geprägt, wie er im Gespräch einräumt. Doch habe ihn die Theologie schon immer sehr angezogen, jedoch traute er sich selbst diesen Weg im Anschluss an die Schule nicht zu.
Er absolvierte eine Ausbildung zum Buchhändler und war in diesem Beruf auch mehrere Jahre tätig. "Doch irgendwie ließ mich der Gedanke des Theologiestudiums nicht los", sagte er. Er ließ sich auf diese Herausforderung ein und begann 1986 mit dem Studium der Theologie in Marburg. "Dies musste sorgsam bedacht werden, denn zu diesem Zeitpunkt war ich bereits verheiratet", sagt er. Seine Frau erkannte die Bedeutung dieses Schrittes für ihren Mann und unterstütze ihn dabei - und das bis heute. So war sie es, die in den kommenden Jahren die Familie finanzierte. Ein solcher Entschluss hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Familie: Ein Pfarrer hat wenig Rückzugsmöglichkeiten, darauf wies auch Busch in seinem Grußwort hin.
Als Paul von 1993 bis 1995 sein Vikariat im Pfarramt Winnerod absolvierte, waren die Aussichten auf eine eigene, ganze Pfarrstelle nicht sonderlich gut. Jedoch bestärkte ihn gerade die seelsorgerische Tätigkeit in dem gefassten Entschluss, dass er beruflich auf dem richtigen Wege sei. Mit diesem Gottvertrauen bewarb er sich um die erste Pfarrstelle, diese war - wie damals üblich - nur eine halbe Stelle, und zwar in Fernwald Albach, wo er am 14. Januar 1996 von Propst Eibach ordiniert wurde. Sein Ordinationsspruch war das Gleichnis vom wahren Weinstock: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt gute Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun" (Johannes 15, 9 -12). Dieses Bibelzitat leitet ihn bis heute und war auch Thema seiner Predigt, in der er auch auf Zweifel und Verzweiflung in Zeiten von Corona einging. Klare, ehrliche Worte: Das ist seine Sprache. Dafür wird er von der Gemeinde geschätzt.
Für ihn war es ein glücklicher Zufall, dass er nach einem Jahr einen weiteren halben Dienstauftrag erhielt: Er kümmerte sich in Gießen und im Landkreis um verwaiste Pfarrstellen, bis er sich 2001 auf die freigewordenen Stelle in der Johannesgemeinde bewarb. "Als mir mitgeteilt wurde, dass ich mich jetzt auf eine ganze Pfarrstelle bewerben könne und durchaus auch auf die vakante Stelle in der Johannesgemeinde, da hatte ich ein wenig Herzklopfen. Ich als einfacher Dorfpfarrer in eine Stadtgemeinde,", erinnert er sich. Er sollte der Nachfolger von Pfarrer Fritz Uhl werden, der die Gemeinde 24 Jahre lang geleitet hatte. Die Bedenken von Paul waren unbegründet. Er wurde mit offenen Herzen in die Gemeinde aufgenommen. "Die Gemeinde hat sich sehr schnell auf mich eingelassen", freut er sich.
Das Zusammenspiel mit der Lukasgemeinde hat sich in der jüngsten Vergangenheit gut entwickelt. So wurde unter der Leitung der beiden Pfarrer die Renovierung der Johanneskirche angestoßen und gemeinschaftlich zum Abschluss gebracht. Für Paul ist die Liebe Gottes der zentrale Punkt, aus dem er seine Kraft schöpft. "Der Glaube an Christus ist einer, der in der Liebe zum Nächsten tätig wird. Der offene Blick und das offene Herz für die Ärmsten und Bedrängten seien die Auswirkungen des Evangeliums. Insofern ist Glaube auch immer politisch", erläuterte er. Aus dieser tiefen Erkenntnis heraus setzt er sich für alle Menschen ein, die seiner Hilfe bedürfen. Daher sieht er auch mit großer Besorgnis die Entwicklungen der beiden großen Kirchen an. "Wir als Kirche erreichen die Jugend kaum mehr." So rechnete er in seiner Predigt vor, dass man 2060 nur noch die Hälfte der jetzigen Mitglieder haben werde, wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt. Dennoch glaubt er an die Zukunft der Kirche. Für ihn besteht die Chance der Kirche in einer konsequenten Nachfolge ihres Herrn in Werken der tätigen Nächstenliebe und im Gebet. Im Namen der Evangelischen Landeskirche Hessen-Nassau sowie dem Dekanat überreichte der stellvertretende Dekan Pfarrer Andreas Specht dem Jubilar eine Urkunde und wünschte, dass Gott ihm seine Kraft erhalte. Für die Lukasgemeinde zollte Pfarrer Matthias Weidenhagen Dankbarkeit und Anerkennung und bat um Gottes Segen für Pfarrer Paul und seine Familie.:"Bleib behütete und gesegnet". Diesen Wünschen schloss sich Pfarrvikarin Dr. Miriam Sauer sowie die Vertreter der beiden Kirchengemeinden an. Zum Abschluss des Gottesdienstes dankte Pfarrer Paul seiner Gemeinde: "Vieles hätte so nicht stattfinden können, wenn ihr nicht so eine tolle Gemeinde wärt."
Musikalisch wurde den Gottesdienst von den beiden Künstlern Dago Schelin und Peter Herrmann ausgestaltet.
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Der Gottesdienst in der Johanneskirche wurde aufgezeichnet und von Jörn Schulz und Dr. Jüren Ellmar zusammengeschnitten. Er ist auf www.johannesgemeinde-giessen.de abrufbar.