Hobbytüftler bringen in Gießen auf Wunsch defekte Geräte wieder zum Laufen
GIESSEN - Über 20 Jahre hat die Brotschneidemaschine bereits auf dem Buckel und funktionierte tadellos. Selbst Fleisch hat die Besitzerin damit gerne und oft geschnitten, "in ganz feinen Scheiben". Doch jetzt hat das Gerät plötzlich den Geist aufgegeben. Ein klarer Fall für den Wertstoffhof. Oder doch nicht? Im Reparaturtreff der Werkstattkirche gibt es eine zweite Chance für Elektrogeräte. Egal ob Föhn, Schreibtischleuchte oder Radio - in der Ederstraße bieten ehrenamtliche Tüftler ihre Hilfe bei der Reparatur an. Einer von ihnen ist Uwe Lindner, der sich gerade über die altersschwache Brotschneidemaschine beugt. "Das sind Sonderschrauben, sehen Sie?", fragt er die ältere Dame, die das Gerät bei ihm abgegeben hat. Aber kein Problem, denn der Reparaturtreff ist mit ausreichend Werkzeug ausgerüstet. Schnell hat der gelernte Schlosser den passenden Bit für den Schraubendreher gefunden und öffnet das Gerät.
Bereits seit 2014 gibt es den Reparaturtreff der Jugendwerkstatt; Uwe Lindner ist seit Anfang an dabei. Zweimal im Monat - immer am zweiten Sonntag von 16 bis 18 Uhr und am vierten Mittwoch von 18.30 bis 20.30 Uhr - gibt es hier kostenlose Hilfe zur Selbsthilfe. Sogar ein Trockner wurde bereits repariert. Alles geht, "so lange es in den Kofferraum passt", sagt Bärbel Weigand von der Jugendwerkstatt. In Ausnahmefällen gab es aber auch bereits Hausbesuche: "Bei einem älteren Ehepaar war der elektrische Fernsehsessel defekt: Kabelbruch", erinnert sich Weigand. Genug Zeit und Freiwillige waren da, also ab nach Hause zu dem Ehepaar. "Wir leisten hier ja Gemeinwesenarbeit, da passt ein Hausbesuch dazu", findet Weigand.
Doch beim Reparaturtreff geht es nicht nur um defekte Elektrogeräte. Das Drumherum ist genauso wichtig. Es wird sich ausgetauscht, gefachsimpelt, Kuchen steht bereit, dazu gibt es Tee und Kaffee. Der Treff ist auch eine Möglichkeit, um einfach etwas Zeit miteinander zu verbringen. "Die Einsamkeit ist teilweise stark ausgeprägt", weiß Weigand. Der Treff könne dabei helfen, Menschen, die sonst nur noch wenig Kontakt zu ihren Mitmenschen haben, wieder in die Gesellschaft mit einzubeziehen und ihnen Aufgaben zu geben. Deshalb ist auch jeder willkommen, egal ob er Hilfe bei einer Reparatur benötigt oder nicht. Auch sei es in der evangelischen Werkstattkirche nicht wichtig, ob man religiös ist. "Wir versuchen nicht, über einen defekten Staubsauger an neue Mitglieder zu kommen", versichert Weigand.
Uwe Lindner hat mittlerweile das Problem gefunden. Ein Metallteil im Inneren der Brotschneidemaschine ist abgebrochen. Das lässt sich leider nicht so einfach reparieren. "Das kann man nicht schweißen, das würde nicht halten", erklärt Tischnachbar Benno Herrlein, der gerade die Kopfhörer eines jungen Mannes wieder flottgemacht hat. Einen Tisch weiter begutachtet Tilemachos Mechanezidis eine Stereoanlage von innen, die plötzlich keinen Mucks mehr von sich gab. Aus dem Anzeiger hat ihr Besitzer Bernd Stein von dem Reparaturtreff erfahren: "Ich wollte das Gerät nicht wegwerfen. Es ist schade, dass so wenig repariert wird", findet er.
"Bei vielen Menschen ist der Wunsch da, Dinge nicht einfach wegzuschmeißen, sondern sie wieder heil zu machen - das ist toll", freut sich Weigand. Durchschnittlich sechs bis acht Reparateure sind pro Termin da. In etwa die doppelte Menge an Geräten werde von ihnen pro Termin repariert, erzählt Weigands Kollege Christoph Geist. "Die Reparateure versuchen, die Leute einzubinden. Beim Zuschauen können sie viel über das Gerät lernen oder je nach Sachverstand auch mitreparieren", so Geist. Doch eines ist der Treff nicht: ein professioneller Reparaturservice. Deshalb muss auch jeder Nutzer vor der Abgabe seines Elektrogerätes einen Haftungsausschluss unterschreiben und während der Reparatur anwesend sein.
Zurück bei Uwe Lindner und der defekten Brotschneidemaschine. "Wir können schauen, ob wir an ein Ersatzteil kommen. Das ist bei alten Geräten manchmal einfacher, als man denkt", schlägt er vor. "Ach, da bin ich Realist", sagt die Gießenerin, der das Gerät gehört: "Sie haben der Maschine ins Herz geschaut und ich weiß jetzt, dass sie an Altersschwäche gestorben ist."