Junge Leute in Gießen fordern, Wahlalter auf 16 zu senken
Der Stadtschülerrat und die Jusos in Gießen fordern bei einer Kundgebung vor dem Konrad-Adenauer-Haus, dass Jugendliche schon mit 16 Jahren wählen dürfen. Alles andere sei "nicht demokratisch und nicht fair".
Von Felix Leyendecker
Handlungsbedarf: Nicht nur der Stadtschülerrat plädiert dafür, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Foto: Leyendecker
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GIESSEN - Elf Bundesländer machen es bereits in Deutschland vor, aber Hessen zögert weiterhin. Das Wahlrecht ab 16 Jahren spaltet nicht nur die einzelnen Parteien, sondern sorgt auch für Unmut bei den Betroffenen. "Mit dem Führerschein anfangen, eine Lehre beginnen, sogar heiraten - all das darf man bereits mit 16", verdeutlicht Stefanie Kraft, Sprecherin der Jusos Gießen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, versammelten sich hessenweit vor den lokalen Parteibüros von CDU und Grünen, den Koalitionspartnern im Bundesland, Demonstranten. Neben den Jusos und den "Omas gegen Rechts" war in Gießen auch der Stadtschülerrat gekommen.
Die Teilnehmerzahl vor dem Konrad-Adenauer-Haus war zwar überschaubar, trotzdem galt es, mit der symbolischen Kundgebung ein Zeichen zu setzen. Das Anliegen stellt dabei keineswegs ein Novum dar. Ein Blick in die Geschichtsbücher verrät, dass das Wahlalter 1972 auf Initiative der sozialliberalen Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt schon einmal gesenkt wurde: damals von 21 auf 18 Jahre. "Demokratie lebt von Beteiligung, und junge Menschen wollen sich beteiligen", betont Stefanie Kraft. Man müsse der Landesregierung bei diesem Thema die "rote Karte" zeigen und sich mehr dafür engagieren, zu vollziehen, was in anderen Bundesländern bereits möglich ist. Dass darüber in der Gesellschaft zuweilen kontrovers diskutiert wird, machte Dr. Dorothea von Ritter-Röhr von den "Omas gegen Rechts" deutlich: "Ich persönlich finde die Aktion fantastisch. Aber wir als Gruppe stehen nicht geschlossen dahinter - leider." Ihre Generation solle sich damit auseinandersetzen, was sie damals selbst mit 16 getan hat und sich die Frage stellen, ob man sich in die heutige Jugend hineinversetzen könne.
Vorwurf der Intoleranz
Die Schülervertreter forderten wiederum von der Politik mehr Chancen zur Mitgestaltung. Ansonsten werde den jungen Leuten die Mündigkeit abgesprochen und deren demokratische Mitbestimmung blockiert. Der Leitspruch Willy Brandts - "Mehr Demokratie wagen" - treffe in besonderem Maße auf die momentanen Zeiten zu.
Gerade der CDU werfe man in dieser Hinsicht Intoleranz und Verschlossenheit vor. "Wir Jugendlichen werden nun mal von der Politik nicht beachtet und das hat einen Grund. Wir haben kein Stimmrecht und sind nicht relevant für die Wahl", beklagt Stadtschulsprecher Stergios Svolos. Ein Parlament müsse eine Gesellschaft in ihrer großen Vielfalt abbilden können und dazu gehörten eben auch die Schülerinnen und Schüler. Die Ungerechtigkeit werde vor allem dadurch offensichtlich, dass die Praxis in einigen Bundesländern anders sei. "Warum hat ein 16-Jähriger in Brandenburg mehr Rederecht als ein 16-jähriger Gießener. Das ist doch alles andere als demokratisch und fair", meint Svolos
Hinzu kämen noch pauschalisierende Aussagen, mit denen Kritiker Jugendlichen ihr Grundrecht absprechen wollen. "Oft heißt es, Jugendliche seien leicht manipulierbar, interessierten sich nicht für Politik und hätten kaum Lebenserfahrung, um zu wissen, was richtig oder falsch ist. Solche Unterstellungen machen mich nicht wütend, nein, sie enttäuschen mich", resümiert der Stadtschulsprecher. Dass die CDU das Wahlrecht ab 16 nicht gutheiße, liegt nach Überzeugung des Stadtschülerrates daran, dass sich die meisten jungen Menschen von dieser Partei abgewandt hätten, weil sie sich nicht von ihr vertreten fühlen.
"Bildung ist die beste Lösung"
Der beste Weg gegen eine vermeintliche Manipulation sei ohnehin eine Förderung der politischen Bildung im Schulsystem. "Bildung ist die beste Lösung, um sich vor Populisten oder radikalen Gruppen zu schützen", so Stergios Svolos. Man entwickele sich täglich weiter und sammele gerade in der Jugend Erfahrungen, die die eigene Meinung und das politische Denken prägen. "Das bedeutet aber doch nicht, dass wir inkompetent sind, eine Partei zu wählen, die unsere Interessen vertritt. Das ist doch Altersdiskriminierung."