"Bitte" und "Danke": Eine Kunstinstallation im Foyer des Gießener Universitätsklinikums widmet sich den Formen des Miteinanders.
Von Heiner Schultz
Das Prinzip des Miteinanders: Nikolaus Koliusis' Bildtafeln "Bitte Danke" im UKGM-Foyer. Foto: Schultz
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GIESSEN. Die Kunstaktivisten im Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) haben wieder einen Coup gelandet. Im Foyer der Klinik steht jetzt eine Installation, zwei große blaue Tafeln mit den aufgedruckten Worten "Bitte" und "Danke". Sie begrüßen Mitarbeiter und Besucher, sprechen jedoch auch ein besonderes Thema an. Man habe spontan eine Geste des Dankes in den öffentlichen Raum des Klinikums gestellt, sagte die Kunstbeauftragte im Universitätsklinikum Gießen Dr. Susanne Ließegang zu den neu platzierten Arbeiten.
Geschaffen hat sie der Stuttgarter Künstler Nikolaus Koliusis in Kooperation mit der Kunstbeauftragten und dem Freundeskreis der Kunst im Uniklinikum Gießen. Koliusis trat schon öfter mit prägnanten Arbeiten in der Klinik an die Öffentlichkeit, diesmal ist es aber doch etwas Besonderes. Es gehe darum, was unsere Kultur in Zeiten geschlossener Museen und Notfallpläne ausmacht, sagte Ließegang.
"Wir haben darauf geachtet, dass die Installation nicht als moralische Keule daherkommt," fügte sie hinzu. Das Blau sei nicht irgendeine Farbe. Bei Nikolaus Koliusis stehe es dafür, dass alle Menschen auf der Welt unter einem gemeinsamen blauen Himmel leben, es sei für ihn von zentraler Bedeutung.
Laut der Kunstbeauftragten sei es ein Grundsatzthema. "Wir haben eine Kultur des Umgangs, die gepflegt werden muss, besonders in schwierigen Situationen." Gelungen sei die schnelle Umsetzung des Projekts, weil sie mit Koliusis das Projekt "Forschung, Kunst und Krankenhaus" aufgelegt habe. Das Thema "Bitte und Danke" sei dabei schon angerissen worden, habe aber noch keine konkrete Form gehabt. Angesichts der hereingebrochenen Epidemie hätten nun sowohl Koliusis als auch Renate Seeger-Brinkschmidt vom Freundeskreis ihren Eindruck sofort geteilt, dass es jetzt Zeit für das Projekt ist.
"Wir müssen jetzt ,Danke' sagen zum Personal, zu all den Menschen, die dafür stehen, dass wir diese Krise bewältigen, eine Struktur finden und beleben, die es möglich macht, dass wir da durchkommen", stellt Ließegang fest. Das klinge fast banal, sei "ja auch das Normalste von der Welt". Aber es sei leider Usus geworden, in gewohnten Arbeitsabläufen das "Bitte - Danke" nicht zu praktizieren. Dabei sei es eine Grundsatzfrage: Welche Form des Miteinanders pflegen wir im Arbeitsalltag? Das "Bitte - Danke" heiße einfach "Ich sehe dich, ich habe gesehen, was du getan hast." Und Susanne Ließegang fügte hinzu: "Jede und jeder will und muss gesehen werden. Das ist eine ganz normale menschliche Regung. Wer sich nicht gesehen fühlt, fühlt sich schnell vollständig missachtet. Und kann jemand, der missachtet wird, noch gut arbeiten?"
Werde die in den vergangenen Tagen gewachsene Sensibilität angesichts der gemeinsam erlebten Coronakrise wieder schwinden? "Das wissen wir jetzt noch nicht. Es ist auch eine Chance, diese Umgangsformen neu zu entdecken", sagt Susanne Ließegang, "und dass es Menschen gibt, denen wir das sagen müssen. Diese Menschen haben einen kühlen Kopf, die machen ihren Job. Als am Morgen die ersten Mitarbeiter vorbeikamen und die Installation sahen, da kam wirklich ein Strahlen auf ihre Gesichter."
Es ist nicht besonders viel los an diesem Morgen im riesigen Foyer des Klinikums, die kleine Cafeteria ist geschlossen und auch im zentralen Bereich unten vor der Aufnahme sind fast alle Plätze frei. Allerdings sind zahlreiche Anmeldekabinen belegt, und natürlich strömen ständig Menschen ins Haus.
Noch während Ließegang eine Texttafel an der Seite der Installation befestigt - ganz pragmatisch sind es zwei gekoppelte Gitterwagen - schaut die kaufmännische Geschäftsführerin des UKGM vorbei, Dr. Christiane Hinck-Kneip. "Dank an die Mitarbeiter ist besonders wichtig," sagt sie spontan, bevor sie weiter zu einem Meeting eilt. Einem Mitarbeiter der Reinigungsabteilung gefällt diese Kunst auch sehr gut, versichert er im Gespräch.
Währenddessen sitzen im Windfang ganz vorne zwei gut gelaunte Mitarbeiterinnen mit Masken an einem Tisch. Sie beraten die Patienten, die mit Fragen wegen Corona ins Haus kommen. Vor der Tür stehen wie immer ein paar rauchende Patienten, zahlreiche Taxis parken vor dem Haus, innen am Eingang befragen zwei Securitymänner alle Eintretenden, was der Anlass ihres Besuchs ist. Es sieht eigentlich alles fast normal aus.