Ausstellung im UKGM: Patienten dankten dem Infektiologen Thomas Discher mit kunstvollen Objekten.
Von Heiner Schultz
Ein Thron für den Arzt - eines der vielen kunstvollen Ausstellungsstücke.
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
GIESSEN - "Lebensfetzen'" heißt die neue Ausstellung im Kapellengang des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM). Gezeigt werden zahlreiche Geschenke, die der Infektiologe Dr. Thomas Discher, Jahrgang 1955, von dankbaren Patienten erhalten hat. Die Schau weckt Aufmerksamkeit für attraktive Kunstgegenstände ebenso wie für die ungewöhnliche Biografie dieses aus Baden stammenden Arztes.
Als Infektiologe des Gießener Uniklinikums hat Discher mehr als 20 Jahre lang Patienten auf ihren langen, oft schwierigen Wegen durch ihre Krankheiten und damit auch durch ihr Leben begleitet. Er war früh damit konfrontiert, dass seine Möglichkeiten, als Arzt zu helfen und zu heilen, grundlegend von der Kooperation der Patienten abhingen. Der soziale Aspekt stellte sich dabei als genauso bedeutend heraus, wie die Möglichkeiten, mit Medikamenten gegen die Krankheiten vorzugehen. Oft ergaben sich dabei im Laufe der Zeit persönliche Beziehungen. Die in der Sammlung gezeigten Objekte zeugen vom Dank der Patienten, die bisweilen langjährige Therapien zu bewältigen hatten. Diese Geschenke sind so vielgestaltig wie die Menschen, die ins Klinikum gekommen sind.
Zeichen des Glaubens
In der Ausstellung sind die Objekte in Gruppen zusammengestellt. Dabei zeigt sich, dass viele Patienten in der Notsituation auf ihren Glauben zurückgreifen, was in Ausstellungsstücken wie einem Kreuz, einem Buddha oder in Ikonen symbolisiert wird. Tatsächlich hat die Präsentation einen leicht völkerkundlichen Charakter, schließlich kamen Dischers Patienten aus aller Welt. Zu sehen sind kunstvoll gefertigte Gebrauchsobjekte wie ein bildschöner Bumerang oder ein Miniaturkanu. Von Wertschätzung für den Arzt zeugt auch eine Figur, die einen würdevollen afrikanischen Häuptling darstellt, zu dessen Füßen ein Schild mit dem Namenszug "Dr. Dicher" steht. Fast prosaisch wirkt dagegen die Modelllokomotive, ein industriell gefertigtes Objekt. Allerdings trägt sie auf der Seite ein handgeschriebenes Banner: "Ein großes Dankeschön an Sie, Dr. Discher für 10 Jahre beste Betreuung; Februar 1992 - Februar 2002".
Ein Thron für den Arzt - eines der vielen kunstvollen Ausstellungsstücke.
Einmal in Öl, einmal als Häuptling ohne "s": Geschenke von Patienten an Dr. Thomas Discher. Fotos: Schultz
3
Die Ausstellung trifft bei den Angestellten des Hauses auf reges Interesse. "Ich hab schon mehrfach Ärzte gesehen, die sich den durch Patientengeschichten ergänzten Lebenslauf an der Wand sorgfältig durchlasen," erzählte ein Mitarbeiter. Die Schau und der Lebenslauf bieten die Möglichkeit des Einblicks in Aspekte der medizinischen Arbeit, die gewöhnlich nicht vermittelt werden. Sie stellen eine wichtige Quelle der Motivation für Ärzte und Pfleger dar und machen die Dankbarkeit der behandelten Menschen konkret.
Dr. Thomas Discher stammt aus dem badischen Gengenbach. Da er Medizin studieren wollte, war "damals ein humanistisches Gymnasium Pflicht", erzählt er. Kein Problem für einen katholischen Ministranten, "wir beteten doch ohnehin schon auf Latein". Über die Welt der Götter und Mythen war später der Zugang zur antiken Philosophie und Medizin geebnet. "Logischerweise führten mich meine ersten selbstständigen Reisen nach dem Abitur auf den Olymp, zu Hippokrates auf Kos und nach Kleinasien."
Früh mit der Tuberkulose konfrontiert wurde der Arzt bei einer Auszeit im Jahr 1978, die ihn gemeinsam mit seiner späteren Frau nach Südamerika führte. Discher erinnert sich: "Tropenkrankheiten erwarteten uns bei der Durchquerung des Amazonas-Urwaldes. Geschützt durch Moskitonetze und Malariaprophylaxe verlief alles prima. Wir fühlten uns nie alleine, wurden nie beklaut, waren immer willkommen. Ich hatte hippokratische Empfehlungen umgesetzt, wie auf Wanderschaft Erfahrungen zu sammeln und die überragende Bedeutung von Anamnese und körperlicher Untersuchung erkannt."
Nach dem Medizinstudium in Freiburg begann er seine berufliche Laufbahn an der pneumologischen Klinik Waldhof Elgershausen bei Greifenstein, wo er sich unter anderem mit Tuberkulose befasste. Es folgte ein Ruf an die Medizinische Klinik III in Gießen. Dort beschäftigte er sich mit Rheuma, Zucker und Hormonen und arbeitete wissenschaftlich über Insulin und Folgen des erhöhten Zuckers für Abwehrsysteme und Lunge. "Auch spannend", bemerkt er in seiner Vita, die ebenfalls in der Schau zu sehen ist.
Aids behandelt
1984 kam der erste Fall von Aids ins UKGM, "isoliert im Einzelzimmer, wo er auch einsam starb", erinnert sich der Arzt. "Die Behandlung der Aids-Patienten durfte an unserem Klinikum anfänglich nur durch vier ausgewiesene Professoren mit Expertise erfolgen. Als klar war, dass mit der Aids-Behandlung kein Blumentopf zu gewinnen war, durften auch wir Assistenten ran, und 1989 hieß es dann: "Discherle, mach du mal!", erzählt er. "Rein medizinisch hatten wir wenig im Angebot. Es konnte nur funktionieren mit guter Vernetzung, Teamarbeit und hohem Engagement auch außerhalb der Klinik. Es war eine erfüllende Tätigkeit, und meine Familie zog mit."
1995 entstand dann die Infektionsstation auf dem Seltersberg, die erste Palliativstation in Mittelhessen. Jetzt musste er sich entscheiden: "Wissenschaftler oder Arzt, alles ging nicht."Ungewöhnlich: Discher nahm in all den Jahren nicht den ihm offen stehenden Weg in die Forschung, sondern blieb in der direkten Patientenversorgung und bei der Behandlung von Infektionskrankheiten. "Vieles hat sich geändert, die Patienten, die Herausforderungen und die Therapiemöglichkeiten. Wir Infektiologen sind wie Erreger, wir passen uns an", sagt er.
*
Die Ausstellung im Kapellengang des UKGM ist zwar bis auf Weiteres für Besucher geschlossen, Mitarbeiter und Patienten haben jedoch Zugang. Im Internet sind Exponate und Patientengeschichten von Dr. Thomas Discher im Detail zu sehen.