Lebensraum Waschsalon: Das "Waschcenter Gattinger" in Gießen ist auch Treffpunkt
Lebensraum Waschsalon: Seit über 20 Jahren betreibt Familie Gattinger das Waschcenter in der Frankfurter Straße 15 in Gießen. Menschen aller Schichten und Generationen waschen hier.
Von Stephan Scholz
Im Waschsalon wird nicht nur gewaschen. Er ist auch ein Treffpunkt für Jung und Alt. Symbolfoto: Marco2811-stock.adobe.com
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GIESSEN - Ein leises Surren wabert durch den Raum, durchsetzt von einem sachten Rumpeln. Die Luft ist warm, schwer und angereichert mit einer zarten Waschmittelnote. Mitten im "Waschcenter Gattinger" in der Frankfurter Straße 15 steht Arnold König, reichlich beladen mit einigen Teppichen, die der Gießener in eine der großen Trommeln stopft. Regelmäßig kommt König in den Waschsalon, auch um Arbeitskleidung zu reinigen. "Ich vergesse immer die Einstellung der Maschinen, aber es sind immer nette Leute da, die mir helfen", erzählt der Mittelhesse, der nur einer von zahlreichen Stammkunden ist. Lebensraum Waschsalon: Vom Obdachlosen bis zum Arzt, vom Studenten bis zum Rentner und ganz egal, ob arm oder reich - im Waschsalon in der Frankfurter Straße waschen Menschen aus allen sozialen Schichten und Generationen ihre Wäsche. "Man lernt total viele nette Menschen kennen", sagt Regina Gattinger. Seit über 20 Jahren betreibt ihre Familie das Waschcenter, das ursprünglich in der Marburger Straße beheimatet war. Mit Ausnahme weniger Feiertage ist täglich zwischen 7 und 23 Uhr geöffnet. Nur um das Waschen geht es in der Frankfurter Straße 15 aber nicht: "Es kommen ganz viele Leute, die alleinstehend sind und einfach mal ihr Herz ausschütten wollen. Für sie nehme ich mir dann auch Zeit", berichtet Gattinger. Täglich schaut sie in dem Waschcenter nach dem Rechten und steht Kunden mit Rat und Tat zur Seite. Und auch, wenn mal kein Mitarbeiter vor Ort ist, ist telefonisch immer jemand verfügbar für Kunden in dem Salon, der mit Kameras überwacht wird.
Befragt nach Anekdoten fällt Gattinger eine Geschichte ein, die sich erst vor Kurzem zugetragen hat. "Es war neulich ein Mann hier, den ich zunächst für einen Kinderanimateur gehalten habe, weil er ein blau-weißes Kuhkostüm an hatte. Gewaschen hat er ein Tiger- und ein Giraffenkostüm." Angesprochen auf die Kleidungsstücke habe er erzählt, dass es sich bei den Kostümen um seine normale Alltagsbekleidung handle, erinnert sich Gattinger, in deren Waschsalon neben großen Trocknern Waschmaschinen mit Fassungsvermögen von sieben, zehn, elf, fünfzehn und siebzehn Kilogramm zur Verfügung stehen. Eine andere Geschichte: Es habe mal ein Kunde angerufen, der sich das billigste der angebotenen Programme ausgesucht hatte. Der Grund des Anrufs: Nach dem Einschalten lief kein Wasser in die Maschine. "Ich habe dann gefragt, welche Nummer die gewählte Maschine hat. Als ich hörte, dass es die Nummer 25 war, war klar, wo das Problem liegt: Der Kunde hatte einen Trockner ausgewählt", schmunzelt die Betreiberin.
Obwohl er das erste Mal im Waschcenter ist, weiß Andreas Wichert, wie man es richtig macht. Warum Wichert zum Waschen in den Salon gekommen ist? "Ich bin ganz frisch umgezogen und habe noch keine Geräte in meiner neuen Wohnung", so der Neukunde. Anders als andere Kunden, die während der Waschzeit zu einem kleinen Bummel in Richtung Seltersweg aufbrechen oder Besorgungen machen, hat es sich Wichert im Center bequem gemacht. Auch das geht, nicht zuletzt dank eines Kaffeeautomaten, Zeitschriftenangebot und Bücherecke. Kundin der ersten Stunde ist Brigitte Regele, die einen der Trockner im Auge behält. "Ich bin einmal pro Woche hier", erklärt die Gießenerin, die Waschmaschine und Wäschetrockner zuhause hat. Aber das Gerät im Center sei viel schneller, weiß Regele, die in der Altenpflege arbeitet. Für ihre Patienten wasche sie alles in dem Laden in der Frankfurter Straße, in dem mancher auch auf wirklich merkwürdige Ideen kommt. Eine davon berichtet Gattinger: Einmal sei sie dazu gekommen, als ein junger Mann dabei war, eine Batterie Pumps aus einer der Waschmaschinen zu räumen. Sie habe ihn darauf gefragt, ob er das Stöckelschuhwerk seiner Freundin tatsächlich in der Maschine durchgewaschen habe. Der Mann bejahte - der Waschmaschine sei bei der Aktion nichts passiert, lächelt Gattinger. Mancher Krawatte bei der 90-Grad-Wäsche aber schon. Foto: Scholz