Mehr als 5000 Unterschriften gegen Tierversuche an JLU
Die Tierrechtsgruppe Gießen übergibt Vizepräsident Peter Winker bei einem offiziellen Treffen mehr als 5000 Unterschriften gegen Tierversuche an der JLU. Dabei wird schnell deutlich, dass beide Seiten ganz eigene Vorstellungen vom Ablauf des Treffens haben.
Von hh
Gegen Tiere als Versuchsobjekte: Die Aktivisten der Tierrechtsgruppe Gießen machen auf ihr Anliegen aufmerksam. Fotos: Friese
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GIESSEN - Die Höflichkeitsadressen sind schnell ausgetauscht. Schließlich gibt es für die Justus-Liebig-Universität (JLU) "keinen Grund, uns nicht anzuhören, was Sie zu sagen haben". Und die Tierrechtsgruppe Gießen findet es gar "großartig", dass Vizepräsident Peter Winker bei einem offiziellen Termin mehr als 5000 Unterschriften gegen Tierversuche an der JLU entgegennimmt. Doch schnell wird in dem schmucklosen Konferenzraum im Erwin-Stein-Gebäude nur zu deutlich, dass beide Seiten ganz eigene Vorstellungen vom Ablauf des Treffens haben: Die jungen Tierschützer möchten diskutieren, der Vizepräsident nicht. Die Aktivisten können zumindest ihre Argumente vorbringen, Winker möchte danach die Position der Universität erläutern. Fertig. Die 83 Meter lange Rolle mit Unterschriften hat Sascha Sirges nämlich schon gleich zu Beginn überreicht. Die Formulierungen werden dann doch zunehmend schärfer, die "ungleiche Verteilung der Redeanteile" kritisiert und Peter Winker ein ums andere Mal unterbrochen.
"Tierversuche einstellen"
Zur lebhaften Diskussion kommt es nach Ende des offiziellen Teils auf dem Flur. Und dort macht Claus Kronaus, Geschäftsführer des Vereins "Ärzte gegen Tierversuche", seinem Unmut gegen die "PR pro Tierversuche" des JLU-Vizepräsidenten für wissenschaftliche Infrastruktur Luft. Eine Annäherung also hat es nicht gegeben, wenngleich Winker überzeugt ist, "dass eigentlich kein großer Widerspruch" zwischen Universität und Tierrechtsgruppe bestehe. Die vielen Unterschriften haben die Aktivisten in den vergangenen Monaten in Gießen und Umgebung gesammelt. Auch bei einer Demonstration am Ostersamstag in der Innenstadt. "Die Unterzeichner fordern die Einstellung der Tierversuche an der Universität Gießen", betont Cora Bädke. Vor allem sei aufgefallen, dass etlichen Unterzeichnern bislang gar nicht bewusst gewesen sei, dass es "in ihrer Stadt" Experimente an Mäusen, Ratten und anderen Vierbeinern gebe. "Tierversuche sind nicht nur aus ethischen, sondern auch aus medizinischen und methodenkritischen Gründen abzulehnen", sagt Maria Klein. Rund 95 Prozent der Medikamente, die an Tieren entwickelt worden seien, scheitern demnach in der klinischen Erprobung beim Menschen. "Das ist eine beschämende Erfolgsquote." Diese sehen die Tierschützer auch darin begründet, dass Ergebnisse eben nicht übertragbar seien. Deshalb seien die Tierversuche letztendlich sogar gefährlich für den Menschen. "In Deutschland sterben jährlich 58 000 Menschen an den starken Nebenwirkungen solcher Medikamente." Dabei existierten zahlreiche Alternativmethoden, deren weitere Erforschung aber nur mit einem Bruchteil der Gelder gefördert werde, die nach wie vor in Tierversuche fließen.
"Tierversuche vermeiden"
Winker stellt sogleich klar, dass die JLU durchaus bestrebt sei, Tierversuche zu vermeiden. "Es werden nur die durchgeführt, die derzeit nicht ersetzbar sind." Mit Unterstützung des Landes werde ein "Zentrum für 3R-Verfahren" aufgebaut, dessen Ziel in "Replacement (Vermeiden), Reduction (Verringern), Refinement (Verfeinern)" von Tierversuchen bestehe. An diesem Zentrum werde mittelfristig auch der wissenschaftliche Nachwuchs ausgebildet, der dann weitere Forschungsmethoden ohne Tierversuche entwickeln kann. Zudem erläutert er das "aufwändige Verfahren" bis zur Bewilligung solcher Experimente durch das Regierungspräsidium. Aufseiten der Universität seien dafür die beiden hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten zuständig, denen er als Dienstherr gegenüber nicht weisungsbefugt sei. "Jeder Tierversuch, für den es Alternativmethoden gibt, ist nicht erlaubt." Die genehmigten Forschungen wiederum stehen "unter enger Betreuung durch die Tierschutzbeauftragten". Dadurch werde gewährleistet, dass nur die Versuche gemacht werden, die beantragt und genehmigt worden seien. Ohnehin sei das Spektrum sehr breit, denn auch "Bestandserhebungen von Fledermäusen" oder der "Umgang mit Wildtieren" in der Lehre gelten als Tierversuche. Gerade in der tiermedizinischen Ausbildung "arbeiten wir heute mit realistischen Modellen." Für Injektionen und Blutentnahmen bestehe ein Tierersatz.
Das alles würden die Aktivisten gern öffentlich auf einer Podiumsdiskussion besprechen. Eine Einladung im vergangenen Jahr habe die Uni "mehr oder weniger" ignoriert, so Cora Bädke. Nun hoffe man alsbald auf eine Auseinandersetzung "auf Augenhöhe". Bis wann die JLU die Tierrechtsgruppe über die "interne Meinungsbildung" zu einer möglichen Teilnahme informieren könnte, vermochte der Vizepräsident aber nicht zu sagen.