Verena Krakau und Christian Hartmann wollen mit ihrem Sporttechnologie-Unternehmen "Cognilize" die Trainingsmethoden im Profisport verbessern. Damit sind die JLU-Absolventen Halbfinalisten für den Hessischen Gründerpreis.
Von Diana Moor
Ein Spieler des FC Gießen testet die Trainingssimulation von "Cognilize" - auf der Leinwand ist zu erkennen, wie in etwa das virtuelle Szenario aussieht. Foto: Moor
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GIESSEN. Profisportler haben ein hartes Trainingspensum zu absolvieren. Dieses zielt jedoch meistens auf die Steigerung des körperlichen Potenzials ab, während kognitive Fähigkeiten wie etwa das Reaktionsvermögen häufig außer Acht gelassen werden. Hier setzt die Arbeit von Verena Krakau und Christian Hartmann an. Die beiden Absolventen der Justus-Liebig-Universität (JLU) wollen mit ihrem Sporttechnologie-Unternehmen "Cognilize" die Trainingsmethoden im Profisport verbessern und erweitern - und sind damit in diesem Jahr Halbfinalisten für den Hessischen Gründerpreis.
"Alles, was Ihr auf dem Platz macht, hat mit dem Kopf zu tun", erklärt Christian Hartmann den Spielern der Regionalligamannschaft des FC Gießen bei einer Demonstration ihres Trainingsgerätes. Dieses kommt ganz schlicht im Rahmen einer VR(virtual reality)-Brille daher, hat es jedoch in sich. Das zeigt sich auch in der Reaktion der Spieler, die nach einem kurzen Testlauf durch die Bank begeistert sind. Mit dem Aufsetzen der Brille betritt man eine virtuelle Spielsituation und kann, je nach gewähltem Programm, unterschiedliche Fertigkeiten analysieren und trainieren: Ob nun als Torwart, der abschätzen möchte, wohin der Spieler schießt, oder als Feldspieler, der die Bewegungen seines Gegners vorausahnen muss, um ihm den Ball abnehmen zu können.
Kognitive Fähigkeiten
Antizipation ist nämlich eine wichtige Fertigkeit in Sportarten wie Fußball, die, wie andere kognitive Fähigkeiten, bei vielen Trainingsmethoden jedoch ausgelassen wird. Viele Spieler seien physisch irgendwann auf einem hohen Level, kämen aber dennoch nicht weiter, weil ihre Kognition nicht entsprechend weiterentwickelt werden konnte. Das ist ein Problem, das Christian Hartmann, der unter anderem eine UEFA-A-Trainingslizenz hat, schon lange beobachten kann: "Die Spieler bleiben irgendwann in ihrer Entwicklung stehen." Kognitive Fertigkeiten seien allerdings nur mit sehr vielen Wiederholungen und beispielsweise vielen 1:1-Situationen trainierbar - im Mannschaftstraining oft nicht machbar, zumal dann nicht über das Level der Mitspieler hinaus trainiert werden kann. Dieses ermöglicht "Cognilize", zumal die eingesetzte VR-Brille leicht und mobil sei. So könnten die Spieler jederzeit und eigentlich überall damit trainieren. Dies sei auch ein Vorteil gegenüber anderen neuen Trainingstechnologien, die oftmals viel Platz und Personal beanspruchten. Sie hätten selbst zunächst eine stationäre Variante geplant, der Bedarf an flexiblen Optionen sei jedoch viel größer. Das System sowie die Umsetzung von "Cognilize" - der Firmenname ist eine Mischung aus "cognition" und "analyze" - sind in dieser Form einzigartig.
Etwa fünf Jahre haben die beiden JLU-Absolventen an ihrer Technologie gearbeitet - Christian Hartmann hat das in dieser Zeit erworbene Wissen dann in seiner Master-Thesis angewendet. Diese behandelt unter anderem Erfassung von Bewegungen - ein wichtiger Grundstein für die Programmierung der Simulationen von "Cognilize", die mit realen Spielern aufgenommen werden. 2018 haben Hartmann und Co-Founderin Verena Krakau dann den 1. Platz beim "Hessen Ideen"-Wettbewerb belegt, der Unternehmensgründungen aus Hochschulen heraus fördert. Im September 2019 gründeten sie schließlich die Cognilize GmbH.
Obwohl der Fokus von Hartmann als Technischer Direktor (CTO) vor allem auf der Technik liegt (die Programmierung der Trainingsprogramme hat er nach Selbststudium der dafür notwendigen Kenntnisse selbst vorgenommen) und sich die Wirtschaftswissenschaftlerin Krakau als Geschäftsführerin (CEO) vor allem um Dinge wie Businessplan und Marketing kümmert, ist es ihnen wichtig, dass beide über Kompetenzen in allen Bereichen des Unternehmens verfügen. So arbeiten sie auch bei der Produktpräsentation Hand in Hand. Unterstützung erhielten und erhalten sie zudem von Mitarbeitern der Sportwissenschaft und der Wirtschaftswissenschaft an der JLU angesiedelten "Entrepreneurship Cluster Mittelhessen", das Gründerförderung und Gründerberatung anbietet, und bei dem Verena Krakau inzwischen auch als Mentorin tätig ist.
"Stetig weiterentwickelt"
Seit einem Prototyp 2018 wird die Trainingstechnologie von "Cognilize" stetig weiterentwickelt, die Künstliche Intelligenz des Programmes verbessert sich durch dessen Nutzung ohnehin weiter, und "wir haben für die nächsten drei Jahre Produktentwicklungen in der Pipeline", so Krakau. Dazu kommen Rückmeldungen von Kunden - darunter verschiedene Fußballvereine, auch Bundesligisten, und Einzelsportler zusammen. Der Fokus soll jedoch nicht auf dem Fußball bleiben - längst hat "Cognilize" Kontakte zu Basketball- und Football-Teams in den USA geknüpft, nur habe Corona bisher verhindert, dass Krakau und Hartmann dorthin reisen konnten, um ihr Produkt persönlich zu präsentieren.
Bei der Vorstellung der Trainingstechnologie von "Cognilize" seien Spieler wie Trainer zumeist erst einmal skeptisch - würden dann jedoch schnell erkennen, dass dies ein Problem treffe, das man kenne. Dazu komme, dass die Trainingsprogramme so gestaltet seien, dass die Spieler Spaß daran hätten, daher sei das bisherige Feedback der Kunden durchweg positiv.
Beim Halbfinale des Hessischen Gründerpreises am 21. Oktober in Kassel wird die "Cognilize" GmbH gegen elf weitere Mitbewerber in der Kategorie "Gründung aus der Hochschule" antreten - von einer Jury werden aus den unterschiedlichen Kategorien je drei Finalisten herausgesucht, die in die Endrunde Ende November kommen.