Neu in Gießen: Bei "Lesen einmal anders" tauschen sich Menschen mit und ohne Behinderung über Bücher aus
Christian Balog, Moritz Hachemeister, Arno Klotz und Olaf Müller-Erichsen lesen gemeinsam ein Buch und tauschen sich darüber aus. Das Besondere daran: der Pilotprojekt-Charakter des Leseclubs "Lesen einmal anders". Dahinter steckt die Idee, dass sich Menschen mit und ohne Behinderung einmal pro Woche an öffentlichen Plätzen zusammenfinden können.
Von snw
Einmal wöchentlich trifft sich der erste LEA-Leseklub in Gießen im "Coffee One". Aktueller Schmökertitel ist "In 80 Tagen um die Welt" von Jules Verne. Foto: Weiß
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GIESSEN - Es ist Dienstag, kurz vor 18 Uhr: Zusammen mit ihrem Betreuer-Duo Julia Krämer und Tobias Loth treffen sich die vier Bewohner der Rosenhofstiftung im "Coffee One". Christian Balog, Moritz Hachemeister, Arno Klotz und Olaf Müller-Erichsen lesen gemeinsam ein Buch, tauschen sich darüber im Gespräch miteinander aus und genießen zugleich eine Stunde lang aktiven Freizeitspaß. Das Besondere daran: der Pilotprojekt-Charakter des Leseclubs LEA (Lesen einmal anders). Dahinter steckt die Idee, dass sich Menschen mit und ohne Behinderung einmal pro Woche an öffentlichen Plätzen wie beispielsweise in einem Café zusammenfinden können.
Das passt gut zum Konzept des betreuten Wohnens der Stiftung, das auf "Begegnung auf Augenhöhe" setzt. Jura-Student Tobias Loth, der seit etwa zwei Jahren bei der Stiftung als angestellter Betreuer mitarbeitet, erklärt dazu: "Am wichtigsten ist, dass die Teilnehmer Spaß miteinander haben, sich untereinander gut verstehen und hier in einer ganz lockeren Umgebung ihre Lesebegeisterung zeigen. Es fördert auch die Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein - jeder in der Gruppe bestellt zum Beispiel selbstständig sein Getränk und bezahlt es später alleine." Und so stehen wenige Minuten später diverse Kaffee-Leckereien auf dem Tisch, neben den mitgebrachten Exemplaren von "In 80 Tagen um die Welt" von Jules Verne, auf das sich die Gruppe als erstes Buch geeinigt hat.
"Wir treffen uns seit August hier im Café", erzählt Betreuerin Julia Krämer. Anfängliche Berührungsängste sind inzwischen längst verflogen und jeder im Lesezirkel fühlt sich inzwischen pudelwohl. Als besonders wertvoll beschreiben Krämer und Loth, dass alle beim Lesen verschiedenste Themen und Situationen aufgreifen, um sie vom Buch ins eigene Leben zu transportieren und darüber zu diskutieren. So sind sich die vier Leseratten des LEA-Clubs an diesem Abend einig: "20 000 Pfund! Soviel Geld hätte ich nicht für eine Wette ausgegeben." Die Rede ist natürlich vom Wetteinsatz der Romanfigur Phileas Fogg im Jules-Verne-Klassiker. Und schon plaudert man in munterer Runde, was man mit so viel Geld alles machen könnte.
Übrigens gilt die ungeschriebene Regel im Zirkel, dass man zu Hause im stillen Kämmerlein nicht etwa alleine das aktuelle Gruppenbuch heimlich weiterliest. Christian Balog, der Fantasy-Wälzer wie "Eragon" oder "Game of Thrones - Das Lied von Eis und Feuer" durchgeschmökert hat, meint schelmisch: "Naja, bei spannenden Stellen fällt mir das manchmal schwer, nicht weiterzulesen - aber ich hab' ja noch genug andere Bücher." Angeregt wurde die Idee für einen solchen ersten Leseklub in Gießen von Prof. Susanne Wachsmuth, Mitarbeiterin am Institut für Förderpädagogik und Inklusive Bildung an der Justus-Liebig-Universität (JLU). Ein großer Wunsch der Betreuer ist es, weiter zu wachsen und so zusätzliche Gruppen bilden zu können. Was dafür nötig ist, sind ehrenamtliche Helfer. "Mitmachen kann jeder Erwachsene, das Wichtigste dabei sind Toleranz sowie der Spaß an Büchern, Lesen und an der Gemeinsamkeit", meint Tobias Loth.
Zur Vorbereitung auf das Ehrenamt gibt es auch eine circa einstündige Schulung. Interessierte können direkt mit der Rosenhofstiftung Kontakt aufnehmen, entweder per E-Mail an buero@Rosenhofstiftung-Linden.de oder telefonisch unter 0176/31132432.