Neues Team in der Handchirurgie am Uniklinikum Gießen
"Aus Leidenschaft": Die beiden Oberärzte Dr. Christoph Schäfer und Dr. Kai Unzeitig sind das neue "Handteam" für die Handchirurgie am Uniklinikum in Gießen.
Von Felix Leyendecker
Das neue "Handteam" am UKGM: Dr. Kai Unzeitig (links) und Dr. Christoph Schäfer. Foto: Leyendecker
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GIESSEN - Schon bei der Vorstellung merkt man, dass Dr. Christoph Schäfer (45) und Dr. Kai Unzeitig (40) sich schon länger kennen. "Wir haben schon viele interessante Fälle zusammen erlebt. Momentan sehe ich ihn auch mehr als meine eigene Frau", erzählt Unzeitig lachend. Die beiden Oberärzte am Uniklinikum Gießen (UKGM) sind das neue "Handteam" für die Handchirurgie. Schäfer als Leiter der Sektion für Handchirurgie und Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Handchirurgie, und Unzeitig als Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Handchirurgie nutzten am Dienstag die Möglichkeit, um sich und ihre Abteilung persönlich vorzustellen.
Ihr Aufgabengebiet umfasst, wie man bereits erahnen kann, alles um den Bereich der Handchirurgie. "Die Hand ist sehr komplex aufgebaut. Das ist ein sehr interessantes, aber auch schwieriges Konstrukt", so Schäfer. "Wir erleben dort oft Anomalien und Deformierungen und können dadurch auch immer wieder etwas für unsere eigene Arbeit lernen", erzählt der 45-Jährige. Die beiden Oberärzte haben es sich zur Aufgabe gemacht, dass zumindest einer von ihnen täglich da ist, um eine Versorgung an allen Tagen zu ermöglichen. "Wir machen das aus Leidenschaft und es macht Spaß, wenn man in einem so starken Team arbeiten kann", so Unzeitig.
Den größten Anteil an ihrer täglichen Arbeit bilden Arbeits- oder Privatunfälle. "Dadurch, dass wir in die Uni eingegliedert sind, sind Vor- und Nachsorge sehr intensiv verzahnt. Aber natürlich arbeiten wir auch konservativ", berichtet Unzeitig über den Berufsalltag. Jeder der 27 Knochen ist aus Sicht der Oberärzte einzigartig und muss dementsprechend behandelt werden. "Hier würde uns auch Robotik nichts nützen. Jeder Fall ist so individuell, da bringt uns auch die modernste Technik nichts. Da ist der Mensch gefragt", resümiert Schäfer. Nach Beispielen im Arbeitsalltag gefragt, berichten die Oberärzte von ihren "Klassikern": "Die Karpaltunnelverengung kennen viele von uns. Da reicht meistens schon ein Schnitt und die Nervenbahnen werden entlastet. Dann hört auch das Kribbeln in den Fingern auf", berichten die Chirurgen. Manche Dinge sind komplexer, wie beispielsweise eine Daumensattelgelenksarthrose. Das tritt gerade bei älteren Leuten auf, wenn diese nichts mehr festhalten könnten. "Dann bleiben uns als Chirurgen mehrere Optionen. Konservativ mit Ergotherapie, eine Operation oder eine Prothese", so Schäfer. Prothesen der neuesten Generation werden erst seit rund zwei Jahren eingesetzt und sind ungefähr so groß wie der Fingernagel des Ringfingers. "Wir haben da gute Langzeitergebnisse erzielt. Die Prothese ist aber eher keine Option für jemanden, der täglich Tennis spielt oder massenhaft Holz hacken will. Dann nutzt sie sich zu schnell ab", meint Unzeitig schmunzelnd.
Zehn-Stunden-OPs
Beide erinnern sich aber auch an weniger erfreuliche Erlebnisse, wie eine Notfallamputation vor rund zwei Jahren. "Ein Mann kam mit seiner Hand beim Aufsetzen unter eine Baggerschaufel. Da mussten wir die Hand amputieren und uns während der Operation abwechseln. Die ging dann auch mehr als zehn Stunden, und das kurz vor Feierabend. Aber das ist eben der Beruf", resümieren die Oberärzte.
Eine Hand kann zwar nach einer Verletzung zwischen sechs bis acht Stunden ohne Blut durchhalten, dennoch ist Eile geboten. Inzwischen kann der Amputierte mithilfe einer Rekonstruktion wieder arbeiten gehen und die Hand hat ihre volle Funktion zurückerlangt. "Es ist anspruchsvoll, keine Frage. Die Mikrochirurgie wird von uns übernommen, das heißt, dass wir mit Lupenbrillen arbeiten müssen", erzählt Schäfer.
Das Team macht pro Jahr etwa 1500 Handoperationen, wovon rund 500 stationär erfolgen und 1000 ambulant. "Eine Operation am Karpaltunnel geht beispielsweise auch ambulant und mit örtlicher Betäubung. Das kann man zügig erledigen", so Unzeitig. Als Kindertraumatologe sieht sich Schäfer immer wieder mit Kinderhänden konfrontiert, welche deformiert sind, beispielsweise sechs Finger an der Hand oder verwachsene Finger. "Da gibt es teilweise sehr komplexe Fehlbildungen, um die wir uns kümmern müssen. Nicht alle sind Operationen, der konservative Teil überwiegt meist", erzählt der 45-Jährige.
Was die Nachwuchsgewinnung angeht, zeigen sich die beiden Oberärzte sehr zufrieden. "Wir haben ein eigenes Wahlfach Handchirurgie, für besonders Interessierte bieten wir es als Normalfach an", berichtet Unzeitig. Für die angehenden Ärzte bedeutet das: Fallanalyse, Sprechstundenvisitationen, Gipskurse. "Quasi das Intensivprogramm für die Interessierten", schmunzelt Schäfer. Das Interesse bei Studierenden und den Assistenzärzten sei groß, berichten beide. Man habe vier Assistenten zur Ausbildung im Team, und der Nachwuchs steht in den Startlöchern.
Auch überregional ist die Arbeit der Handchirurgie in Gießen geschätzt. "Es gibt den handchirurgischen Operationskurs hier am UKGM. Der ist zweimal im Jahr, geht über drei Tage und richtet sich vom Facharzt bis zum Chefarzt. Der ist immer sehr gefragt und auch renommiert", erläutert Schäfer. Das Angebot findet im Anatomischen Institut statt und Tutoren leiten dort Operationen an Leichenpräparaten. So kann jeder Chirurg nach seinen eigenen Ansprüchen lernen. Beide Oberärzte bieten ihren Patienten auch die Möglichkeit an, Zweitmeinungen einzuholen oder zu erteilen. "Wir beeinflussen die Leute nicht, sondern betrachten die Sache neutral. Wir zwingen niemanden", so Unzeitig.
Oftmals kommt es ihnen jedoch unter, dass sie vorherige Operationen von fremden Chirurgen "ausbessern" müssen, wenn Komplikationen auftreten. Das läge daran, dass es gar nicht so viele Handchirurgen gibt, wie man womöglich vermute, erläutern die Oberärzte. Ihre Expertise hilft ihnen dann, Herr über das Problem zu werden. Ein Problem des vergangenen Jahres konnten beide Ärzte nicht ohne Weiteres bewältigen. "Geplante Operationen werden teilweise abgesagt, die Patienten sagen kaum ab. Je nach Pandemielage mussten wir die Operationen verschieben und fahren nun wieder im Notfallprogramm", resümiert Schäfer über die letzten Monate.
In der ersten Welle habe der Stopp an Eingriffen sehr wehgetan, und die verschobenen Operationen stauen sich nun. "Mehr als die Hälfte der Eingriffe ist terminlich geplant, und nun war das über Nacht hinfällig", so die Oberärzte. Unzeitig erzählt abschließend noch von den Reaktionen der Patienten. "Da hatten wir wirklich alles dabei. Von absolutem Verständnis, vor allem jetzt in der zweiten Welle, bis zu Aussagen wie 'Sie verklage ich, das ist unterlassene Hilfeleistung'. Da haben wir die volle Bandbreite erlebt. Aber, wenn man in einem so soliden Team ist, wie wir zwei es sind, dann bewältigt man auch eine Pandemie gemeinsam."