"Das Bild des ,Falling Man´ vom 11. September 2001 ging um die Welt", eröffnet Prof. Charlotte Klonk von der Humboldt-Universität zu Berlin ihren Vortrag im Margarete-Bieber-Saal. Anlässlich des ZMI-Workshops "Darstellbarkeit" referierte die Kunsthistorikerin zum Thema: "Opfer- statt Täterbilder. Aber wie und welche?".
Von sza
Charlotte Klonk
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GIESSEN - Schwarzweiße Längsstreifen und vor ihnen eine Gestalt. Ein Bein angewinkelt, eines durchgestreckt, sieht sie seelenruhig aus, während sie mit dem Kopf voraus fällt. "Das Bild des ,Falling Man´ vom 11. September 2001 ging um die Welt", eröffnet Prof. Charlotte Klonk von der Humboldt-Universität zu Berlin ihren Vortrag im Margarete-Bieber-Saal. Anlässlich des ZMI-Workshops "Darstellbarkeit" referierte die Kunsthistorikerin zum Thema: "Opfer- statt Täterbilder. Aber wie und welche?". "Das Schicksal dieses Mannes hat den Terror sehr nahbar gemacht. Es hätte jedermann an seiner Stelle sein können", so die Expertin. Er habe das Leid der Opfer vergegenwärtigt, obwohl an diesem Tage hunderte andere ebenfalls in den Tod gesprungen seien. Zwar spricht Klonk über und von dem Bild, es während ihres Vortrages einblenden, möchte sie jedoch nicht. "In der Folgezeit wurde durch Recherchen der Mann identifiziert. Seine Symbolik als irgendein Opfer war scheinbar ein zu großer emotionaler Druck. Plötzlich waren andere Themen wie sein Selbstmord in den Medien", sagt Klonk. Aus Respekt dem Opfer gegenüber mochte sie das Bild deswegen nicht präsentieren. "Sie können es sich ohnehin vermutlich alle ins Gedächtnis rufen", ergänzte die Professorin.
Generell sei die Macht, die mit den Bildern solcher Taten einhergeht, ein Problem. "Es stecken viele Konflikte darin. Die Einen kritisieren, dass die Täter heroisiert, die Anderen wiederum, dass die Opfer instrumentalisiert werden", befindet die Referentin. Als Beispiel nennt sie die Berichterstattung der 70er Jahre über die Rote-Armee-Fraktion (RAF). "In der Nachbetrachtung gab es eine überproportionale Fokussierung auf die Täter", so Klonk. Im Fall von Holger Meins, der während seines Hungerstreiks verstarb, sorgte das den Medien zugespielte Bild sogar dafür, dass sich der spätere Mörder von Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Stefan Wisniewski, der RAF anschloss. "Es gibt kein Täterbild, das einfach nur einen Menschen zeigt, es wird ein emotionales Feuer geschürt", befindet sie. Die Bilder der RAF-Opfer dagegen seien entweder nicht existent, wie etwa jene der Fahrer von Buback oder, wie im Fall der prominenteren Ziele, privat.
"Man darf nicht vergessen, was für Emotionen Fotos auslösen und wie diese instrumentalisiert werden können", machte Klonk deutlich. Neben der Trauer können auch Wut und Misstrauen entstehen, die dann auch zu politischer Selbstbehauptung genutzt werden könnten. "In England wurden die Opfer der IRA monumentalisiert, was besonders bei den Friedensverhandlungen zu großen Schwierigkeiten führte", erklärte die Referentin. Im Fall des Terroranschlags auf das World Trade Center sei der Anschlag für Kriegsrhetorik verwendet worden.
Nicht instrumentalisieren
"Der patriotische Siegeswille der USA stand im Fokus und kulminierte sich in der "Krieg gegen den Terror"-Rede des damaligen Präsidenten Bush", führte die Expertin weiter aus. Während dies in den USA klappte, musste der französische Präsident Francois Hollande erleben, dass eine ähnliche Rhetorik in Frankreich nicht funktionierte. "Bis heute gibt es kein nationales Monument, um an die Opfer zu erinnern, anders als in New York", vergleicht die Kunsthistorikerin. Wie schwer der Umgang mit solchen Anschlägen sei, zeige auch der Terrorakt vom Breitscheidplatz. "Der Regierung wurde vorgeworfen, dass sie die Opfer in der Anonymität hätte verschwinden lassen. Besonders Rechtspopulisten beschwerten sich darüber", erklärt Klonk. Dadurch sei die Gefahr groß geworden, dass das individuelle Schicksal zum politischen Zweck missbraucht werde. "Kein Staat, kein Medienkonzern und auch sonst niemand hat das Recht, Bilder zu nehmen und zu instrumentalisieren. Es liegt an den Angehörigen, ob die Öffentlichkeit erfährt, wie die Opfer hießen", schloss sie ihren Vortrag mit einem Appell. Foto: Szabowski