"...schon ist man der Buhmann": Gießener Kriminologe Arthur Kreuzer erhält Festschrift
Zu seinem 80. Geburtstag erzählte Prof. Arthur Kreuzer an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) von seinen "Einmischungen" in Justizverfahren - und erhielt eine Festschrift.
Von Jasmin Mosel
Geburtstagskind Arthur Kreuzer (links) bedankt sich bei den Herausgebern der Festschrift, Stefanie Kemme, Tillmann Bartsch, Thomas Görgen und Klaus Hoffmann-Holland (ab 2.v.l.), mit selbstgemachten Marmeladen. Der fünfte im Bunde, Jürgen Stock, konnte nicht an dem Termin teilnehmen. Foto: Mosel
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GIESSEN - Es war die Gattin des Geehrten, die im Alexander von Humboldt-Haus der Justus-Liebig-Universität (JLU) zuerst das Wort ergriff. An "ein großes Klassentreffen" erinnere sie die vertraute Stimmung im Saal, sagte Gisela Kreuzer gerührt. Neben Familie und Freunden waren zahlreiche Wegbegleiter und frühere akademische Schüler gekommen, um dem emeritierten Jura-Professor und Kriminalisten Arthur Kreuzer zum 80. Geburtstag zu gratulieren. Besonders gewürdigt wurde in der Feierstunde das Engagement des Rechtswissenschaftlers, seine Forschung auch in der Praxis einzusetzen. Nicht verwunderlich also, dass die an ihn überreichte Festschrift den Titel "Mittler zwischen Recht und Wirklichkeit" trägt. Doch diese Rolle sei nicht frei von Konflikten, wie das Geburtstagskind in seiner Dankesrede deutlich machte.
Hunderte Publikationen
Dass sich Arthur Kreuzer, der an der JLU von 1976 bis 2006 die Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug innehatte, auch nach seiner Emeritierung keinesfalls zur Ruhe gesetzt hat, betonte Prof. Marietta Auer, Dekanin des Fachbereichs Rechtswissenschaft. "Herr Kreuzer schreibt schneller, als ich lesen kann", folgerte sie in Bezug auf die mehr als 200 veröffentlichen Buch- und Aufsatztitel, rund 100 Kurzpublikationen sowie weitere 160 journalistische Beiträge, die in der letzten Dekade eher zu- statt abgenommen hätten. "Ohne ihn wären Dinge in der Kriminalprävention nicht so, wie sie heute sind", lobte Generalstaatsanwalt Prof. Helmut Fünfsinn, der auch der Vorsitzende des Hessischen Landespräventionsrates ist. Nie sei Kreuzer "in einem Elfenbeinturm" geblieben, sondern habe seine Forschung in die Praxis hineingetragen, etwa in seiner Rolle als Leiter der Arbeitsgruppe "Suchtprävention" im Landespräventionsrat. "Die Kriminalprävention in Hessen ist ohne Arthur Kreuzer nicht denkbar", folgerte Fünfsinn.
Für die Herausgeber der Festschrift, die 25 Beiträge von 31 Autoren enthält, sprachen die Kriminologie-Professoren Klaus Hoffmann-Holland und Thomas Görgen. Letzterer lenkte den Blick "auf die Vielzahl von Forschungsfeldern", die Kreuzer über Jahrzehnte betrieben habe, etwa über den gesellschaftlichen Umgang mit Drogenkonsumenten oder die Jugendkriminologie. Der Terminus "Mittler", wie Kreuzer im Titel der Festschrift genannt wird, sei kennzeichnend für sein Schaffen. Stets sei der Jubilar um argumentativen Ausgleich bemüht, "Extrempositionen wird man in seinem Werk nicht finden." Auf Kreuzers Charakter als Privatperson spielte indes Mitherausgeber Hoffmann-Holland an. So sei der Rechtswissenschaftler für die ihm Anvertrauten "immer ein Wegweiser am Scheideweg des Lebens" gewesen. Neben seinem "starken Sinn für Humor" seien auch Kreuzers kulinarischen Künste unvergessen. Und so konnte der Geehrte dann auch seinen akademischen Schülern eine Freude machen: Für die Herausgeber der Festschrift hatte der emeritierte Professor Marmelade im Gepäck - "natürlich selbstgekocht".
In seiner Dankesrede zeigte sich Kreuzer "verlegen und überwältigt von Eindrücken und Gefühlen". Sein "selbstverständliches Wirken" als Mittler und Einmischer in rechtspolitische Gestaltungsprozesse sei nicht nur anstrengend, "es kann nicht selten zu Konflikten führen und sogar als störend empfunden werden".
Medien zugänglich machen
Um den "abgeschotteten Wissenschaftsbetrieb in die öffentliche Arena" zu bringen, also auch den Medien zugänglich zu machen, seien Überschreitungen nötig. Dabei müssten Wissenschaftler - besonders auch in Bezug auf "Fake News und Verschwörungstheorien" - zur Rationalität beitragen, "auch wenn das einer Sisyphusarbeit gleicht". Als "besonders konfliktträchtig" sieht der Kriminologe "kritische Einmischungen" in laufende Justizverfahren, wie er es selbst etwa zum Fall des Kindermörders und Erpressers Magnus Gäfgen, zum Ermittlungsverfahren Johanna Bohnacker oder zuletzt zum Verfahren gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel tat. Aufgezeichnete TV-Interviews würden häufig aus dem Kontext gerissen - "und schon ist man der Buhmann".
Und dann gibt es noch "besonders kuriose Einmischungen": Als der Kriminologe zu dem als "Kannibale von Rotenburg" bekannt gewordenen Mörder Armin Meiwes eine Expertise abgab, wurde sein Konterfei in den CNN-Nachrichten mit "Experte für Kannibalismus" untertitelt. Ein Umstand, den man am Fachbereich Rechtswissenschaft dann zum Anlass nahm, Kreuzer zur Emeritierung eine fleischfressende Pflanze zu schenken.