Schwangerschaftsabbruch mit tödlichen Folgen: "Abandoned" im Gießener Kinocenter
Weltweit gibt es immer noch zahlreiche Frauen, denen eine Abtreibung verweigert wird. Von Schicksalen solcher Frauen berichtet der Film der österreichischen Regisseurin Patricia Marchart.
Von Diana Moor
Von 56 Millionen Schwangerschaftsabbrüchen pro Jahr weltweit findet mehr als die Hälfte in unsichereren Verhältnissen statt. 50 000 Frauen sterben an den Folgen. Symbolfoto: Colourbox
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GIESSEN. Ein Kleiderbügel prangt auf dem Plakat des Dokumentarfilms "Abandoned" ("Im Stich gelassen"). Er steht als Symbol für die unterschiedlichen Gerätschaften, mit denen verzweifelte Frauen früher selbst Schwangerschaften beenden wollten - oft mit tödlichen Folgen. Seit den 1960er Jahren wurden in vielen Ländern Gesetzesänderungen durchgeführt, die Abtreibung ermöglichen - manchmal in Verbindung mit bestimmten Auflagen, wie medizinischer Notwendigkeit. Dennoch gibt es immer noch zahlreiche Frauen, denen trotzdem eine Abtreibung verweigert wird. Von Schicksalen solcher Frauen berichtet der Film der österreichischen Regisseurin Patricia Marchart.
Zu einem Screening von "Abandoned" mit anschließendem Gespräch mit Marchart hatte der Verein "mitmission" anlässlich des Weltfrauentages in Kooperation mit dem "International Graduate Centre for the Study of Culture" der Justus-Liebig-Universität, dem Frauenkulturzentrum sowie dem Bündnis "ProChoice Gießen" ins Kinocenter geladen - und der Einladung waren zahlreiche Besucherinnen gefolgt.
Ein Grußwort sprach die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die wegen ihrer Anklage und ihrem Kampf gegen den Paragrafen 219a international Aufmerksamkeit erregt hat. Sie habe auf der Lesereise zu ihrem Buch viele Geschichten anvertraut bekommen, was Frauen im Zuge eines Abbruchs widerfahren sei und was nicht, und kritisierte die Arroganz und Ignoranz, mit der (manche) ihrer Kollegen betroffenen Patientinnen begegneten.
Die in "Abandoned" vorgestellten Frauen kommen aus Spanien, Italien und Irland - Länder, in denen es Ärzten möglich ist, bestimmte Eingriffe zu verweigern, wenn diese "nicht mit ihren Gewissen vereinbar" seien. "Conscientious objection" lautet der Begriff, der ursprünglich aus dem Militärdienst kommt. 1967 wurde im Vereinigten Königreich eine entsprechende Klausel genutzt, um ein Gesetz zur Legalisierung von Abtreibungen durchzubringen, die Verweigerungsmöglichkeit war ein Zugeständnis an Gegner der Legalisierung. Seitdem wurde dieses Gesetz häufig kopiert.
Dies führt inzwischen, und vor allem in katholischen Ländern, dazu, dass Frauen durch Verweigerung medizinisch notwendiger Abtreibung gefährdet werden. Beispielsweise die Nordspanierin Paula, die lange Zeit von Ärzten nicht angemessen über die schwere Behinderung ihrer ungeborenen Tochter informiert wurde.
Der Abbruch wurde bis in die 31. Schwangerschaftswoche hinaus gezögert - in Folge des Eingriffs verlor Paula ihre Gebärmutter. Tödlich endeten die Schwangerschaften für die Italienerin Valentina und die Irin Savita - beide erlitten eine Sepsis, die Ärzte weigerten sich jedoch, den Abbruch vorzunehmen, solange die Föten noch lebten. Schlussendlich kam jede Hilfe für die Frauen zu spät. "Wenn die Mutter stirbt, stirbt doch auch das Kind" - Angehörige im Film zeigen sich fassungslos über die Verweigerung der Ärzte.
"Bin total fertig"
Von 56 Millionen Abbrüchen weltweit pro Jahr finden 26 Millionen in unsicheren Verhältnissen statt, 50 000 Frauen sterben an den Folgen. In Ländern mit guter Aufklärung und Zugang zu Verhütung sei die Abbruchquote gering. "Wenn man Abtreibungen nicht befürwortet, fördert man die illegale Durchführung", schlussfolgert ein Arzt. In Folge von Savitas Fall wurden Abbrüche in Irland 2018 legalisiert.
"Ich bin total fertig", gestand Regisseurin Patricia Marchart dem Publikum. Sie habe viel Zeit mit den Frauen verbracht und einen Raum eröffnet, in dem diese ihre Geschichten erzählen konnten. Der Film grabe sich "wie ein Maulwurf durch die Gegend", doch das Thema sei zu heikel, um "Abandoned" ins Fernsehen oder auf Festivals zu bringen. Das Tabu sei immer noch zu groß - von der 70 000 Personen großen Demo in Rom anlässlich des Falls von Valentina habe es keinerlei Berichterstattung gegeben.
Auf Nachfrage erklärte Marchart, dass Betroffene aus Deutschland aus Angst vor Stigmatisierung nicht vor die Kamera treten wollten. Von den gezeigten Frauen habe immerhin Paula ein Schmerzensgeld erhalten - ansonsten gebe es keine rechtlichen Konsequenzen für verweigernde Ärzte. Vor ihrem Film habe sie "keine Ahnung" gehabt, wie die Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen seien. Nun findet sie, dass das alles "raus in die Welt" gehöre: "Machen Sie sich nützlich", appellierte sie an das Publikum. Foto: Moor