Gerade bei schweren und lebenslimitierenden Erkrankungen sind Betroffene und Angehörige mit solchen Fragen nicht selten hoch belastet und überfordert. Genau hier setzt seit einem Jahr die professionelle Unterstützung der Mitarbeiter des Palliativdienstes am Gießener Uniklinikum ein.
Von red
Für Betroffene und Angehörige ist es oft schwer, risikobehaftete medizinische Entscheidungen zu treffen. Symbolfoto: dpa
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GIESSEN - Die Patientin ist 90 Jahre alt und schwer herzkrank. Aus medizinischer Sicht wäre eine Herzklappen-Operation eine letzte Möglichkeit, ihr Leben zu verlängern. Doch das Risiko, bei diesem Eingriff zu versterben ist hoch. Was tun? Gerade bei schweren und lebenslimitierenden Erkrankungen sind Betroffene und Angehörige mit solchen Fragen nicht selten hoch belastet und überfordert. Genau hier setzt die professionelle Unterstützung der Mitarbeiter des Palliativdienstes am Gießener Universitätsklinikum ein. Das sechsköpfige Team aus einer Ärztin, zwei speziell geschulten Pflegekräften und drei Psychologen gehört zum Schwerpunktbereich Internistische Onkologie und Palliativmedizin an der Medizinischen Klinik IV/V. Damit stellt das Uniklinikum Gießen nun neben der Palliativstation, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und dem Palliative Care Team für Kinder und Jugendliche ein weiteres Angebot für schwerstkranke und sterbende Patienten bereit, heißt es in einer Pressemitteilung.
"Je schwerwiegender eine Erkrankung ist, umso wichtiger ist es, Patientinnen und Patienten ins Zentrum zu holen, ihr oder ihm Möglichkeiten aufzuzeigen, zuzuhören und den Raum für eine Entscheidung zu geben, die den eigenen Bedürfnissen und Wünschen in dieser Situation entspricht. Wir wollen schwerstkranken Menschen eine Stimme geben", sagt der Palliativpsychologe Dr. Daniel Berthold. Soll man alle medizinischen Möglichkeiten ausreizen, um Leben zu verlängern oder die Zeit, die noch bleibt, mithilfe der palliativen Medizin in bestmöglicher Lebensqualität verbringen? "Entscheidend bei der Beantwortung dieser Frage, ist der Wunsch der Patientinnen und Patienten. Da gibt es die Kämpfer, die noch alles probieren wollen, aber auch diejenigen, denen eine gute Lebensqualität am Ende wichtiger ist", sagt Julia Albus, Fachärztin für Palliativmedizin.
"Wir kommen zu den Patientinnen und Patienten auf die Station, klären über alle Möglichkeiten auf und bieten unsere Unterstützung an, damit die Betroffenen mit diesem Wissen eine für sie gute Entscheidung treffen können. Dabei holen wir sowohl die behandelnden Ärztinnen und Ärzte als auch die Angehörigen mit ins Boot."
Für Betroffene und Angehörige ist es oft schwer, risikobehaftete medizinische Entscheidungen zu treffen. Symbolfoto: dpa
Das Team mit Ärztin Julia Albus, Krankenpflegerin Julia Ruhe, Psychologin Svenja Brosch, Psychologe Dr. Daniel Berthold, Krankenpfleger David Hollfoth und Psychologin Mirela Sebesta (unten links nach unten rechts). Foto: Uniklinikum
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Vor gut einem Jahr ist der hausinterne Palliativdienst an den Start gegangen und die positive Resonanz aus den verschiedenen internistischen und chirurgischen Abteilungen im Uniklinikum ist groß. Bis zu zehn Mal und mehr werden die Kollegen pro Tag von behandelnden Ärzten angefragt, wenn es für Patienten aus medizinischer Sicht keine Heilung mehr gibt und nun die Frage nach dem "Wie kann es weitergehen?" im Raum steht. Das Team des Palliativdienstes steht dann nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat zur Seite, sagt David Hollfoth, Fachpfleger für Palliativmedizin.
Angehörige anhören
"Wir schauen uns mit Patientinnen und Patienten genau an, wie ist ihr oder sein Umfeld zuhause, wie ist die Versorgungstruktur? Welche Unterstützung und welche Maßnahmen braucht sie oder er? Daraus erstellen wir einen Versorgungsplan. Bei Bedarf vermitteln wir aber auch einen Platz im Hospiz, eine ambulante Palliativversorgung für zuhause und kümmern uns um die Pflegeüberleitung."
Bei all diesen Maßnahmen ist es wichtig, auch die Angehörigen anzuhören und zu beteiligen, die emotional oft mit widersprüchlichen Gefühlen zu kämpfen haben. Psychologin Mirela Sebesta: "Für Angehörige hat die schwere Erkrankung eines nahen Menschen oftmals zwei Seiten: Einerseits will man denjenigen nicht verlieren, andererseits möchte man auch, dass sie oder er von den Qualen erlöst wird. Deshalb ist es für uns auch eine wichtige Frage, wie wir durch einen Versorgungsplan Angehörige soweit entlasten können, damit sie Angehörige bleiben und nicht auch noch Pflegende sein müssen."
Finanziert wird der hausinterne Palliativdienst in der Anfangsphase über das Forschungsprojekt "Avenue-Pal", das sich der Analyse und Verbesserung des Verlegungsmanagements Sterbender widmet. "Wir sind sehr froh, dass wir diesen Palliativdienst in unserem Haus anbieten können und damit gleichsam Teil eines wichtigen Forschungsprojektes sind, das helfen soll, den Umgang mit der letzten Lebensphase vor allem in Bezug auf die Wünsche der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Umso mehr freuen wir uns, dass das Angebot in unserem Haus auf eine so positive Resonanz stößt", betont Prof. Ulf Sibelius, Leiter des Schwerpunktbereichs Internistische Onkologie und Palliativmedizin.