SPD Gießen will Blick stärker auf Kinder und Jugendliche richten
SPD Gießen diskutiert im Online-Format über bildungs- und sozialpolitische Themen und sucht Ideen, wie verlorene Bildungszeit zurückgegeben werden kann.
Von David Hopper
Stefanie Paul, Astrid Eibelshäuser, Frank-Tilo Becher und Gerhard Merz (v.l.) diskutieren Ideen und Entwicklungsmöglichkeiten einer "Politik für Kinder". Screenshot: Hopper
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GIESSEN - "Politik für Kinder" - so lautete der Titel des Online-Fachgesprächs, zu dem die Gießener SPD im Kontext der anstehenden Kommunalwahlen eingeladen hatte. Unter der Moderation des designierten Oberbürgermeisterkandidaten Frank-Tilo Becher diskutierten der langjährige hessische Landtagsabgeordnete Gerhard Merz, Stadträtin und Spitzenkandidatin Astrid Eibelshäuser sowie Stefanie Paul von der "Projektgruppe Margaretenhütte" über unterschiedlichste bildungs- und sozialpolitische Themen. Trotz anfänglicher Zurückhaltung entstand dabei ein reger Austausch mit den zugeschalteten Gießenern Bürgern, die sich mit ihren Fragen direkt an die Politiker wenden konnten.
"Die letzten Monate haben nochmal sehr deutlich werden lassen, dass es den Blick für Kinder und Jugendliche dringend braucht", erklärte Becher zu Beginn. Obwohl im Kontext der Pandemie-Maßnahmen momentan viel über Kitas oder Schulen gesprochen werde, spiele die Perspektive der Betroffenen in der Debatte nur eine untergeordnete Rolle. "Die Frage, wie Kinder und Jugendliche durch diese Zeit gehen, ist lange nicht gestellt worden", fügte er wenig später an.
Thematisch drehte sich das Gespräch zu Beginn um frühkindliche Bildung, bei der Gerhard Merz vor allem auf den wachsenden Bedarf an Kita-Plätzen und die zunehmende Wichtigkeit ganztägiger Betreuungsformate verwies. Als ehemaliger stellvertretender bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion mit entsprechendem Fachwissen, forderte Merz die Entscheidungsträger auf, die frühkindliche Betreuung stärker aus der Perspektive der Kinder zu betrachten. Neben der immer wichtiger werdenden Ernährungsfrage müsse der Fokus dabei verstärkt auf frühkindliche Sprachförderung gesetzt werden. Um die Bedingungen in den Kitas zu verbessern, warb er unter anderem dafür, die Einkommenssituation der Mitarbeiter zu verbessern und die Gruppengröße bei Bedarf zu verringern.
Mit Blick auf die aktuelle Schulbildung verwiesen die Gesprächsteilnehmer einstimmig auf die stark unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, mit der Schüler und Schülerinnen noch immer zu kämpfen hätten. "Völlig unstrittig ist, dass Bildungserfolg in diesem Land nach wie vor in hohem Maße von der Herkunft und dem familiären Umfeld abhängt und wir gerade jetzt in diesem Jahr der Pandemie sehen, wie ausgeprägt das ist", bemerkte etwa Astrid Eibelshäuser.
Eine Angleichung der Erfolgschancen verspreche sich die amtierende Bildungsdezernentin dabei vor allem von einem weiteren Ausbau der bestehenden Ganztagsangebote und einer stärkeren Zusammenarbeit mit den betroffenen Eltern. Von großer Wichtigkeit sei darüber hinaus auch die kulturelle Bildung.
Stärkere Teilhabe
Die aktuelle Situation betrachtete die ausgebildete Pädagogin mit Sorge: "Grundsätzlich gilt, dass wir diskutieren müssen, wie die Bildungszeit, die im letzten Jahr verloren gegangen ist und nicht einfach durch digitale Angebote kompensiert werden konnte, dieser Generation zurückgegeben werden kann." Mit dem politischen Einfluss von Kindern beschäftigten sich die Debattierenden im letzten Block mit der Frage, wie man Kindern und Jugendlichen eine stärkere Teilhabe an der Stadtpolitik ermöglichen könne. Die Idee eines Jugendparlaments beurteilte Moderator Becher in seiner Rolle als jugendpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion kritisch.
"Das Jugendparlament ist eine Form, die an manchen Stellen funktioniert, sie hat aber auch ihre Grenzen. Sie funktioniert für bestimmte Jugendliche besser als für andere, in bestimmten Sozialräumen besser als in anderen." Das Problem liege weniger darin, neue Jugendvertretungen zu schaffen, sondern viel eher darin, den bestehenden Jugendvertretungen größere Entscheidungskompetenzen zu verschaffen.
Stefanie Paul verpackte die einstimmig befürwortete, stärkere politische Beteiligung schließlich in eine konkreten Forderung. So müssten Kinder und Jugendliche in Zukunft in die Planung ihres eigenen Sozial-, Wohn- und Verkehrsraums eingebunden werden. Man bräuchte eine Struktur, die "diese Perspektive immer berücksichtigt." Mit Hinweis auf den Wahlspruch "giessengerecht. Eine Stadt für alle" fügte Paul an: "Das Stichwort muss dann eben auch ernst genommen werden."