Gießener Verein Gefangenes Wort berichtet über den tibetischer Schriftstellen und Blogger Shokjang, der wegen Eintrag in sozialen Medien in Haft saß
GIESSEN - Auf die Bedrohung und Verfolgung von Schriftstellern und Journalisten wollen Studierende der Justus-Liebig-Universität (JLU) aufmerksam machen. Deshalb haben die jungen Leute im Jahr 2008 die Initiative "Gefangenes Wort" gegründet, die sich zu einem Verein weiterentwickelt hat. Um noch intensiver auf Einzelschicksale hinzuweisen, kooperiert der Anzeiger seit Langem mit dem Verein und stellt jeweils zu Beginn des Monats einen Fall auf der Hochschulseite vor. Dieses Mal berichtet Lena Frewer über den Autoren Shokjang aus Tibet.
Es war ein kurzer Eintrag im sozialen Netzwerk "WeChat", der den tibetischen Schriftsteller und Blogger Shokjang drei Jahre hinter Gitter brachte. Seinen Bericht über die auffällige Präsenz chinesischer Sicherheitskräfte im autonomen tibetischen Bezirk Amdo sah die chinesische Regierung als Gefahr an, der Schriftsteller verschwand wenige Tage später. Erst zwölf Monate später erfuhr die Öffentlichkeit, dass Shokjang festgenommen wurde - als man ihn zu drei Jahren Haft wegen "Anstiftung zum Separatismus" verurteilte.
Am 19. März wurde Shokjang nun aus der Haft entlassen. Die Freude und Erleichterung in der medialen Berichterstattung währte jedoch nur kurz, denn bis heute wurde noch kein aktuelles Foto des Schriftstellers veröffentlicht. Den Grund dafür sieht die Sprecherin der "Tibet Initiative Deutschland", Alicia Barreda Pérez, in der strengen Beobachtung, der sich Shokjang und sein Umfeld ausgesetzt sehen. Die strikter werdenden Kontrollen der Behörden begründet Pérez vordergründig mit dem zehnten Jahrestag der tibetischen Unruhen.
Gewaltfreie Demonstration
Am 10. März 2008 kam es in Lhasa zunächst zu gewaltfreien Demonstrationen buddhistischer Mönche zum Anlass des Tibetaufstandes von 1959, der die Flucht des Dalai Lama nach Indien zur Folge hatte. Man forderte die Rückkehr des Dalai Lama aus dem Exil und die Unabhängigkeit Tibets von China. Die Demonstrationen breiteten sich innerhalb weniger Tage auf weite Teile der tibetischen Zivilbevölkerung aus, vor allem junge Menschen beteiligten sich an den Protesten. Vier Tage nach den ersten Demonstrationen wurden die Proteste zunehmend gewalttätiger: Es kam zu Plünderungen und tätlichen Angriffen, denen vor allem die in Lhasa lebenden Han-Chinesen sowie Angehörige der muslimischen Minderheit zum Opfer fielen. Ab dem 16. März erreichten die Proteste das Umland Lhasas, und verschärften sich vor allem in den autonomen Bezirken Ngawa, Karchu und Sangchu. Der Aufstand wurde schließlich von der chinesischen Regierung brutal niedergeschlagen, nach Angaben der tibetischen Exilregierung fielen den Interventionen bis zu 200 Menschen zum Opfer. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" aus dem Jahr 2010 unterdrückte die chinesische Regierung nach Ende der Ausschreitungen mit zunehmender Härte die Veröffentlichung jeglicher Berichte über Menschenrechtsverstöße und Gewalt von chinesischer Seite. Es wurden Maßnahmen der Zensur und Überwachung gegen die tibetische Bevölkerung eingeleitet, ausländische Reporter durften nur unter starken Auflagen einreisen.
In einem Umfeld stark beschnittener Meinungs- und Pressefreiheit ist es für tibetische Schriftsteller auch zehn Jahre nach den letzten großen Unruhen schwierig, mit einer kritischen Meinung in der Öffentlichkeit zu stehen. Vor allem Shokjang, der 2008 als Student Proteste auf dem Campus der Universität Lanzhou organisierte und seine kritische Haltung gegenüber China zunächst im Literaturmagazin "Östlicher Schneeberg" verbreitete, stand bis zu seinen Verhaftungen 2010 und 2015 unter massiver staatlicher Beobachtung. So wurden beispielsweise seine Profilseiten in den sozialen Netzwerken "WeChat" und "Weibo" regelmäßig von chinesischen Behörden blockiert.
Von den vielen Repressalien, denen sich Shokjang über die Jahre immer wieder ausgesetzt sah, lässt er sich jedoch nicht entmutigen: Seit 2010 veröffentlichte er vier Bücher, die sich vor allem mit seinen Erfahrungen als kritischer Schriftsteller beschäftigen. Eine Woche vor seiner Entlassung aus der Haft erschien sein politischer Essayband "Für Freiheit bereue ich nichts", der auf der Leipziger Buchmesse von der deutschen PEN-Präsidentin Regula Venske vorgestellt wurde.
Da es in Tibet bis heute keine unabhängigen Verlage gibt, müssen viele Schriftsteller für die Druck- und Verbreitungskosten ihrer Werke selbst aufkommen. Autoren wie Shokjang wird es auch in Zukunft schwer gemacht werden, eine kritische Haltung gegenüber China zu verbreiten.