VCD Gießen mahnt: Per Rad statt mit "Eltern-Taxi" in die Schule
Der VCD Gießen fordert ein umfassendes Konzept für sichere Schulwege in Corona-Zeiten. Dazu gehört auch, das Rad zu nutzen statt mit dem "Eltern-Taxi" zu kommen.
Von Benjamin Lemper
So könnte ein temporärer Radweg, eine sogenannte "Pop-Up-Bike-Lane", auch andernorts aussehen: Bei einer Verkehrswende-Aktion war im September mit Sprühkreide ein Radweg stadteinwärts auf der Frankfurter Straße aufgebracht worden. Symbolfoto: VCD Gießen
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GiessenNoch ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Gießens Schulen überschaubar. Das ändert sich in wenigen Tagen, wenn die nächste Stufe der schrittweisen Wiederöffnung erreicht wird und unter anderem die Viertklässler in den Unterricht zurückkehren. Da in Zeiten von Corona aber zu enge Kontakte und allzu dichtes Gedränge nach wie vor vermieden werden sollten, werden vermutlich auch die Busse - der Fahrplan soll laut den Stadtwerken Gießen dem "aktuellen Bedarf angepasst werden" - nicht unbedingt bevorzugt. So ist zu befürchten, dass vermehrt "Eltern-Taxis" zum Einsatz kommen. Der Kreisverband Gießen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) empfiehlt daher, "vor allem das Rad und die eigenen Füße zu nutzen". Dazu brauche es jedoch ein umfassendes Konzept der Stadt, "wie die Wege zu den städtischen Schulen sicher und bequem auch per Fahrrad zurückgelegt werden können". Obendrein seien die Schulwegpläne "endlich" im Internet zu veröffentlichen.
Damit geht der Vorwurf einher, im Rathaus werde nicht genug dafür getan - anders als der Landkreis, der schon eine eigene Initiative gestartet habe und aktiv mit den Schulen für eine umweltbewusste Mobilität werbe. Die Stadt will das so nicht stehen lassen. Beispielsweise habe Stadträtin Astrid Eibelshäuser bereits im April "im Interesse einer sicheren Verkehrssituation vor den Schulen" darauf hingewiesen, Hol- und Bringdienste zu vermeiden und stattdessen auf zwei Räder - gerne auch in Gruppen - umzusteigen. "Dabei tut man im doppelten Sinne etwas für die Gesundheit: die eigene und die der anderen", betont die zuständige Dezernentin. Im Übrigen sei allen Schulleitungen mitgeteilt worden, dass die Stadt für die Schüler auf Wunsch eine Sicherheitsberatung organisieren könne.
Appelle sind natürlich das eine, eine vernünftige Infrastruktur das andere. Hier sieht der VCD ebenfalls Defizite und rät, "fehlende Fahrradwege durch temporäre Sperrungen von Spuren oder Parkstreifen zu temporären Radwegen, sogenannten 'Pop-Up-Bike-Lanes'" umzuwandeln. Kreisvorstand Patrik Jacob nennt in diesem Kontext die Grünberger Straße zwischen Moltkestraße und Ludwigsplatz, den Wiesecker Weg zwischen Dürerstraße und Ludwig-Richter-Straße oder die Ludwigstraße bergauf zwischen Riegelpfad und Leihgesterner Weg. Die Stadt bereite derzeit einige neue Radverkehrsmarkierungen vor, entgegnet wiederum Bürgermeister Peter Neidel und erwähnt vorrangig den Streifen in der Frankfurter Straße zwischen Robert-Sommer-Straße und Schubertstraße. Dies müsse aber jeweils planerisch erarbeitet und markierungstechnisch umgesetzt werden.
Tempo 30
Ziel seien langfristig wirkungsvolle Verbesserungen. "Temporäre Maßnahmen ohne fachlich fundierte Planung und Prüfung sind nicht beabsichtigt", sagt der Verkehrsdezernent auf Anfrage des Anzeigers. Und fügt hinzu: "Soweit die seit Kurzem gültige Straßenverkehrsordnung hier erweiterte Handlungsmöglichkeiten eröffnet, werden diese selbstverständlich einbezogen."
Um die Akzeptanz des Fahrrades als Verkehrsmittel zu steigern, müsse zudem die Sicherheit im Schulumfeld erhöht werden. "Die längst angekündigten und seit anderthalb Jahren überfälligen Beschränkungen auf Tempo 30 vor allen Schulen" seien einzurichten; an neuralgischen Punkten - etwa im Wißmarer Weg in Höhe Rübsamen-Steg oder in der Bismarckstraße vor der Liebigschule - sollen nach Überzeugung des VCD Gießen Straßenquerungen gesichert werden. "Insbesondere im Schulumfeld sind die Gehwege von parkenden Autos freizuhalten. Aber auch Halte- und Parkverbote für 'Eltern-Taxis' oder Sperrungen von Straßenteilen sind in Betracht zu ziehen", mahnt Patrik Jacob, der zugleich verstärkte Kontrollen fordert, um Verkehrsverstöße zu ahnden. Vor allem Schulhöfe, auf denen es wichtig, aber schwierig sei, die notwendigen Abstandsregeln einzuhalten, dürften nicht als Parkplätze zweckentfremdet werden.
Was die Geschwindigkeitsbegrenzung betrifft, stellt Peter Neidel klar, dass Tempo 30 schon in fast allen infrage kommenden Bereichen vor Schulen gelte. Wenige Abschnitte würden noch geprüft, mit einer Anordnung sei eventuell kurzfristig zu rechnen. Auch Hol- und Bringplätze befänden sich in Vorbereitung. In Kürze werde der erste, extra ausgewiesene Platz bei der Brüder-Grimm-Schule in Kleinlinden freigegeben, so der Bürgermeister. "Sollte sich das Konzept aus ausgewiesenen Plätzen und intensiver Überwachung der nicht zum Holen/Bringen zugelassenen Bereiche durch die Ordnungspolizei bewähren", könnten in Abstimmung mit den Schulen zeitnah noch zusätzliche Plätze angelegt werden.