Ein mehrmonatiges Projekt des Stadttheaters Gießen wurde vom Coronavirus ausgebremst - und zeigt dennoch erstaunliche Ergebnisse.
Von Björn Gauges
Jugendliche, Coaches und die beiden Projektkoordinatoren (von rechts) Behzad Borhani und Patrick Schimanski in der Werkstattkirche. Foto: Rolf K. Wegst
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giessenWas hätte das für ein einzigartiges Erlebnis werden können! Seit Januar widmeten sich rund 80 Jugendliche in einem Projekt des Gießener Stadttheaters dem Thema Klimawandel. Gemeinsam mit professionellen Coaches aus allen Sparten des Hauses bereiteten sie ein vielfältiges Programm vor, das, eingebettet in ein mehrtägiges Theaterfestival, in den Osterferien auf der taT-Studiobühne präsentiert werden sollte. Dann kam das Corona-Virus - und nichts war es mit einem öffentlichen Auftritt im Scheinwerferlicht.
Welch kreative Arbeiten dem Publikum dadurch entgangen sind, war nun bei einer Pressepräsentation in der Werkstattkirche zu erkennen. Denn einige der Beiträge wurden nach dem Lockdown im März per Online-Videokonferenz im kleineren Kreis weitergeführt, ließen sich damit zumindest in einer digitalen Version sichern - und nun auch präsentieren. Die beiden Projektkoordinatoren des Stadttheaters, Patrick Schimanski und Behzad Borhani, stellten das Programm mit dem Titel "Die Dinosaurier dachten auch, sie hätten noch Zeit" zusammen mit den Coaches und einigen der beteiligten Jugendlichen in der Werkstattkirche vor. Wie Borhani berichtete, wurde es Anfang Januar in mehreren Klassen der Brüder-Grimm-Schule und der Alexander-von-Humboldt-Schule beworben, ebenso wie bei verschiedenen Jugendtreffs in den Gießener Stadtteilen, um vor allem eine Zielgruppe für sich zu gewinnen, die sonst kaum in Kontakt mit der Kultur-Institution Theater kommt.
Und das Angebot kam an. Die rund 80 Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren entwickelten unter Anleitung der Profis vielfältige Zugänge zum Menschheitsthema Klimawandel. In vier wöchentlich angebotenen Workshops ließen sich zusammen mit den Schauspielern Maximilian Schmidt und Sebastian Songin, den Choreographen Inga Schneidt und Abtin Afshar Ghotlie, Tanzdramaturg Johannes Bergmann, der Musikpädagogin Masae Nomura sowie Tyjana Krumke vom Jugendclub des Stadttheaters die unterschiedlichsten Talente entwickeln. Vorgestellt wurden in der Werkstattkirche selbst komponierte Musikstücke, originelle Zeichnungen, komplex geschnittene Videos und eigene literarische Auseinandersetzungen von erstaunlichem Niveau. Musikpädagogin Nomura präsentierte etwa zwei Schaufensterpuppen, für die von den Jugendlichen mit zuhause gesammeltem Müll Kleider entworfen wurden. Geplant war auch eine Modenschau, deren Festival-Präsentation der Virus verhinderte. Ebenso wie die Improvisationen, die für die Theaterbühne entwickelt und einstudiert wurden.
Darüber hinaus, berichtete Stadttheater-Intendantin Cathérine Miville, war ursprünglich geplant, die Jugendlichen in einer zusätzlichen Probenwoche während der Osterferien intensiv auf ihre Auftritte vorzubereiten. Dabei hätten sich auch die Akteure und die Möglichkeiten des Stadttheaters näher kennenlernen können. Aus all dem ist nun nichts geworden.
Koordinator Patrick Schimanski, ein freischaffender Regisseur und Musiker, zeigt sich trotzdem sichtlich stolz, wie engagiert sich die Schüler an ihr Werk gemacht haben. "Der Hunger, sich selbst mitzuteilen, war erstaunlich groß." Das Thema löste dabei die unterschiedlichsten Tonlagen aus: "Optimismus, Humor, Kritik, aber auch Angst, vor dem, was der Klimawandel für uns bedeutet", zählt er auf. Und manch einer hat dabei gleichzeitig entdeckt, wie viel Spaß es machen kann, seine Anliegen öffentlich zu formulieren. Der Jugendliche Nils etwa, der ein Händchen für die Technik hat und zunächst nur hinter den Kulissen bleiben wollte. So schuf er etwa eine Fotocollage mit zwei fröhlichen Zeichentrick-Dinos vor dem Stadttheater. Doch irgendwann hat er festgestellt: "Es kann auch Spaß machen, wenn man selbst auf der Bühne steht." Und vielleicht kommt das Publikum ja doch noch in den Genuss der ein oder anderen Arbeit. "Wir denken darüber nach, das ein oder andere doch noch im Paket zu veröffentlichen", sagt Schimanski.