Zuflucht im Tierheim Gießen: Vierbeiner aus Elend befreit
Elf Hunde, vor allem Französische Bulldoggen und Australien Sheppards, aus einem Fall von "Animal Hoarding" im Wetteraukreis hat das Gießener Tierheim in der vergangenen Woche aufgenommen.
Von Astrid Hundertmark
Völlig verängstigt sind die Hunde im Gießener Tierheim angekommen. Fotos: Tierschutzverein Gießen
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GIESSEN - Elf Hunde, vor allem Französische Bulldoggen und Australian Shepherds, aus einem Fall von "Animal Hoarding" hat das Gießener Tierheim auf Bitte des Veterinäramtes Friedberg in der vergangenen Woche aufgenommen. Weitere Vierbeiner wurden in anderen Einrichtungen untergebracht. "Die Tiere waren in einem sehr schlechten Pflegezustand, hatten einen starken Parasitenbefall, teilweise Ohr- und Augenentzündungen", schildert Astrid Paparone, Vorsitzende des Tierschutzvereins Gießen und Umgebung, im Gespräch mit dem Anzeiger das Drama. "Zwei leiden an Dermatits, zwei Hunde sind sehr stark übergewichtig, einige sehr ängstlich in fremder Umgebung, weil sie nichts Anderes kennengelernt haben." Das bedeutet: nur dunkle Räume, in denen auch die Welpen der Rassehunde zur Welt kamen.
Eine Französische Bulldogge musste auf der Fahrt nach Gießen in kühle Tücher gepackt werden, weil sie sonst durch ihre erschwerte Atmung, Stress und Wärme zu kollabieren drohte. "Hier gilt es abzuklären, ob ihr durch eine OP eine verbesserte Atmung ermöglicht werden kann", so Paparone weiter. Zudem sind alle Tiere ungeimpft und nicht kastriert. Aus ihrem Elend befreit wurden die Tiere am 18. Juni, seitdem geht es ihnen in Gießen von Tag zu Tag besser, wie man auch auf der Facebook-Seite des TSV verfolgen kann: "Inzwischen liegt die (vielleicht erste?) Tierarztuntersuchung hinter den Hunden. Sie sind befreit von einigen krabbelnden Mitbewohnern. Auch die Tierpfleger haben den ein oder anderen Flohstich abbekommen, bevor das Mittel anschlug. Auch Entzündungen an Augen und Ohren werden nun behandelt. Die Hunde erdulden dies bisher sehr tapfer", heißt es am 20. Juni. Und vier Tage später: "Die Fröhlichen unter ihnen haben nun auch schon eine kleine Wellnessbehandlung hinter sich, um die hübschen Hunde herauszubürsten, welche sie eigentlich sind. Die Ängstlichen dürfen nun erst einmal ankommen und das ein oder andere Bestechungsleckerli genießen. Nach und nach befreien wir die Hunde aus ihrem alten Fell. Die meisten besitzen so viel alte Unterwollle, als würden sie mit einem Pelzmantel herumlaufen. Im Winter ist eine mitwachsende Winterkleidung wirklich praktisch - bei über 30 Grad aber eine wirkliche Belastung für die Tiere."
Die Tiere sind weiterhin in Quarantäne, können also noch nicht angeschaut werden. Doch hofft das Tierheim im Sinne der Vierbeiner, dass sich Interessenten und fürsorgende Hundefreunde für sie finden werden. Wann die Tiere vermittelt werden können, ist noch nicht absehbar. Interessenten würden die Tiere dann auf der Homepage finden, so Paparone. Auch hofft das Tierheim auf Spenden, da die Behandlungskosten, beispielsweise für Kastrationen, Impfungen und eventuelle Operationen noch nicht absehbar sind. "Geld ist uns in einer solchen Situation wichtiger als Futterspenden", betont die Vorsitzende des Tierschutzvereins.
Erst im März vergangenen Jahres sorgte ein Fall von "Animal Hoarding" landesweit für Aufsehen: 79 Kleinhunde, vorwiegend Chihuahuas und Mischlinge, wurden aus der 100 Quadratmeter großen Wohnung eines Marburger Ehepaares befreit. Über 50 von ihnen fanden Zuflucht im Tierheim an der Vixröder Straße. Und: Alle konnten vermittelt werden, der letzte fand vor zwei Monaten ein neues Zuhause. Wie in dem Marburger Fall musste nun auch das zuständige Veterinäramt einschreiten. "Der Fall bezüglich der Hundehalterin läuft bereits mehr als ein Jahr. Die Dame wurde wiederholt aufgefordert, den Zustand der Haltung im Sinne einer artgerechten und dem Tierwohl angemessenen Haltung zu ändern. Diesen Auflagen ist sie nicht nachgekommen, und so hat ihr unser Veterinäramt nach einer weiteren Frist, die die Halterin ungenutzt verstreichen ließ, die Hunde abgenommen", teilt die Pressestelle des Wetteraukreises auf Anfrage mit. Nähere Auskünfte konnten nicht gegeben werden, da es sich um ein laufendes Verwaltungsverfahren handelt.
Als "Animal Hoarding" bezeichnen Experten das "pathologische Horten von Tieren" - eine Tierhaltung, bei der die Vermehrung völlig außer Kontrolle geraten ist. Die Betroffenen lassen sich in drei "Typen" gliedern: den "Pfleger", den "Retter" und den "Züchter". Gemeinsam sei allen Betroffenen, dass sie ihre eigene Situation bagatellisieren und das Leid der Tiere nicht sehen. Insgesamt sei eine "hohe Komorbidität mit anderen psychischen Störungen anzunehmen", hatte Dr. Christine Koddebusch von der Abteilung für klinische Psychologie an der JLU im April 2018 gegenüber dem Anzeiger erklärt.