Das Projekt "Quartierbezogenes Wohnen in Allendorf/Lahn ohne Barrieren" geht voran. Für 30 Wohnungen gibt es bereits über 100 Kaufinteressenten. Die Nachbar sind jedoch nicht alle begeistert.
Von Klaus-Dieter Jung
Vor Ort im Gespräch: Stadträtin Gerda Weigel-Greilich, Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, Projektentwickler Daniel Beitlich und Ortsvorsteher Thomas Euler (von links). Foto: Jung
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GIESSEN-ALLENDORF - Nasskalt und neblig ist es, Baumaschinen fahren hin und her und aus einem der neu gebauten vier Häuser im Kleefeld dringt lautes Bohren und Hämmern: Arbeiter befestigen unter anderem die Rohrleitungen für die späteren Fußbodenheizungen. Beim Rundgang nach dem Pressegespräch zum derzeit größten Bauvorhaben im Stadtteil Allendorf machen sich Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, Stadträtin Gerda Weigel-Greilich und Ortsvorsteher Thomas Euler bei der fachkundigen Führung durch Projektentwickler Daniel Beitlich ein Bild vom Baufortschritt.
Euler gab zunächst einen Überblick zum Bauvorhaben, das in der Vergangenheit einiges an Staub im Kleebachdorf aufgewirbelt hatte. Im Zusammenhang damit hieß es oft, Allendorf sei gespalten und auch der Projektentwickler zitierte den Ausdruck. Euler ließ zunächst das Vorhaben Revue passieren: 2016 hatte es mit "intensiver Bürgerbeteiligung und transparenter Darstellung" begonnen, erinnerte er. Eine Bürgerbefragung und eine öffentliche Debatte in mehreren Ortsbeiratssitzungen mit drei einstimmigen Beschlüssen folgten. "Es ist genau das, was wir erreichen wollten", sieht sich Euler zufrieden: Barrierearmes Wohnen für Seniorinnen und Senioren im Stadtteil. Vier Gebäude entstanden beim Projekt "Quartierbezogenes Wohnen in Allendorf/Lahn ohne Barrieren". Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz zeigte sich erfreut über die die zügige Umsetzung und lobte besonders Daniel Beitlich, der das Bauvorhaben "ohne Wenn und Aber" mit umgesetzt habe. Und das vor dem Hintergrund, dass manches, wie der soziale Wohnungsbau und der Gemeinschaftsraum, sich nicht rechnen würden.
Ortsvorsteher Euler und Stadträtin Gerda Weigel-Greilch als Bauordnungsdezernentin hätten zudem einiges an persönlichen Anfeindungen aushalten müssen. Doch Thomas Euler als "Ehrenamtlicher" bewies "Rückgrat" nach den Angriffen und - das sei besonders löblich - habe weiter gemacht. "Das Zauberwort heißt abwägen", machte Stadträtin Gerda Weigel-Greilich deutlich. Grün sollte erhalten bleiben, aber es werde auch Wohnraum gebraucht. Die Erschließung sei vorhanden im Innenbereich, auch die Infrastruktur in Allendorf passe und werde weiter ausgebaut, betonte die Grünen-Politikerin und verwies auf die Innenverdichtung, die hier im besten Sinne greife. Als "eine lautstarke Minderheit" bezeichnete die Stadträtin die Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative, die sich mit einigen Aktionen gegen das Projekt ausgesprochen haben. Sie verurteilte die Proteste derjenigen Anwohner, die die Auffassung vertreten würden "Ich wohne ja, wieso sollten die Anderen noch bauen".
"Ja, das ist der richtige Ort", könne sie im Nachgang zu den zahlreichen Diskussionen und Kritiken guten Gewissens zum Standort des Bauprojektes sagen, bekannte Weigel-Greilich. Ihr sei wichtig, dass das Projekt "ökologisch und ökonomisch sinnvoll im volkswirtschaftlichen Sinne" ist.
Förderung
Zwölf der 42 Wohnungen in den vier Gebäuden werden von der Stadt und dem Land gefördert und sind für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen, erläuterte Projektentwickler und Geschäftsführer der Firma Revikon, Daniel Beitlich. Es sei eines der wenigen Projekte, die private Investoren entwickeln, verdeutlichte der Bauherr. Das Projekt habe er immer im Zusammenhang gesehen, und das sei ihm wichtig. Die Anlage füge sich gut in das Ortserscheinungsbild ein. Die Höhe der Häuser entspricht der Umgebung und es sind keine Hochhäuser entstanden, wie in Allendorf gerüchteweise verbreitet wurde. Und von Anfang an bestand der Grundsatz "Innenverdichtung vor Außenverdichtung", dies sei hier ein Paradebeispiel dafür. Eine Verbesserung gab es beim Bolzplatz, zu dem es unsachliche Diskussionen im Vorfeld gab und kolportiert wurde, er werde "platt gemacht".
Als etwas Besonderes nannte Beitlich auch den Gemeinschaftsraum, der für alle Veranstaltungen im Wohnquartier genutzt werden kann und die Aufzugsanlagen. Ein "Wir-Gefühl" solle das Gemeinschaftliche in der Anlage widerspiegeln. Energetisch sind die Häuser auf dem allerneusten Stand, das Blockheizkraftwerk für die Wärmeversorgung über Fernwärme ist an die Häuser der Wohnbau Gießen gekoppelt. 36 Wohnungen werden als Eigentumswohnungen verkauft, eine ist für einen Allendorfer Interessenten vorgesehen. Beitlich sprach von einem "falsch verstandenen Prestigeobjekt" beim barrierefreien Wohnen in den vier Häusern im Kleefeld. Viel besser wie hier könne man ein solches Bauvorhaben gar nicht machen. Beitlich sagte, hier gebe es eine "maßlos erfüllte Sozialquote". Das sei von Anfang an festgelegt worden. Die Unsachlichkeit in der Diskussion störte Beitlich, der nach seinen Aussagen als Projektentwickler Kritik gewohnt ist. Bestandsveränderungen führten immer zu Kritik, weiß Daniel Beitlich. Die könne er aushalten, solange sie sachlich sei. Der Bauherr bedauerte, "dass mit Fake News Unterschriften gesammelt wurden, anstatt sich sachlich damit auseinanderzusetzen". Ihn habe die unsachliche Diskussion traurig gemacht. Letzten Endes habe das doch nicht zum Erfolg geführt.
"Faires Projekt"
Was Informationen und Transparenz anbelangt, sei es "ein ungewöhnlich faires Projekt", so Beitlich. Nicht beeinträchtigt von der Klage eines Nachbarn - der beim Verwaltungsgericht scheiterte, das Verfahren aber beim Verwaltungsgerichtshof gegen die Baugenehmigung weiter betreibt - seien die Bauarbeiten, erklärte Beitlich. Im Januar beginnt der Verkauf von 30 Wohnungen, die derzeitige Liste ist lang: Über 100 Menschen zeigen Interesse am künftigen Wohnen in Allendorf.