In der »Gluthölle«
Landrätin Anita Schneider zündet den Dolomit-Ofen in Mainzlar an. Die RHI-Zukunft ist gesichert, denn auch der Bahnzugang kommt zurück.
Staufenberg. Landrätin Anita Schneider ist wahrhaftig kein Neuling im Geschäft, hat aber erst jetzt im wahrsten Sinne des Wortes ihre Feuertaufe bestanden. Welche ihrer Kolleginnen und Kollegen hätte je die Chance gehabt, den neu aufgebauten Tunnelofen eines Betriebs der weltweit führenden Feuerfestindustrie wieder in Gang zu setzen.
Allerdings brauchte es dazu einige Überredungskunst. So ganz geheuer schien der Kreisverwaltungschefin die Sache nicht zu sein. »Ich soll da hinein«, fragte sie leicht irritiert. Produktionsleiter Michael Schneider meinte beruhigend, »es ist noch nie etwas passiert«. Am 16. März 2023 um 16.52 Uhr startete das Mainzlarer Didier-Werk nach seiner Gründung im Jahr 1907 noch einmal neu durch.
Mit der Lanze entfacht
Zwei bis drei Wochen dauert es, bis im 150 Meter langen Ofen mit der Nummer eins die angestrebten 1600 Grad Celsius gleichmäßig erreicht werden. Etliche Eintrittsöffnungen für den Brennstoff müssen dafür nach und nach entzündet werden.
Die Landrätin und Staatssekretär Jens Deutschendorf aus dem hessischen Wirtschaftsministerium haben mit der überdimensionalen Lanze jeweils eine Öffnung entzündet und damit den Probebetrieb des neuen Ofens in Gang gesetzt. Michael Schneider meinte gegenüber der Presse: »Ich gratuliere Frau Schneider und Herrn Deutschendorf für das Anzünden. Wenn alles andere so gut läuft, sind wir alle mit brennendem Herzen dabei«.
Die feierliche Zeremonie in der Werkshalle neben dem noch kalten Tunnelofen geriet auch für die gestandenen Männer zum emotionalen Ereignis. Tim Steenvoorden, Vorstand RHI-Magnesita Deutschland, nannte das Anzünden eines neuen Ofens ein seltenes Ereignis für den Konzern und für den Standort Mainzlar das Schlüsselereignis.
Schneider gab einen Kurzabriss der Firmengeschichte von 1907 bis 2018. Seitdem ist das frühere Didier-Werk ein Bestandteil von RHI-Magnesita. Der Tunnelofen eins, Baujahr 1958, wurde in den zurückliegenden Monaten innen neu ausgemauert, die Hülle ist aus Stahl, und zeitgleich modernisiert.
»Große Flexibilität«, auch der Politik, ist nach den Worten des Werksleiters Garant, um die Feuerfestindustrie in Deutschland zu sichern und wie jetzt in Mainzlar deren Produktion weiter auszubauen.
Der neue Tunnelofen hat 300 000 Euro gekostet. Insgesamt will RHI 7,2 Millionen Euro am Standort investieren. Auf der bisherigen Dolomit-Schiene können künftig ebenso die Produkte aus dem Magnesit-Rohmaterial gebrannt werden. Außerdem ist nun über der Brennzone eine Isolierschicht eingebaut worden, damit so wenig wie möglich Abluft entweichen kann. Schneider betonte: »Wir messen den Volumenstrom«. Die Umwelt werde nicht mit Abgasen belastet, und der Betrieb spare Energiekosten. »Das Geld nutzen wir lieber für die Fortbildung. Meine Mitarbeiter sind alle mündig.« Gesucht würden aktuell noch Fachkräfte in den Bereichen Elektro und Mechanik. Interessierte sollten sich bitte melden.
Das Werk läuft laut Werksleiter mit Grünstrom. Die zwei Öfen werden mit Gas betrieben und künftig auch mit LNG, verflüssigtem Erdgas. Auf dem Gelände werde dafür ein 48 Tonnen fassender Tank installiert.
Der Einstieg in die Wasserstoff-Gewinnung als Energiequelle, herzustellen über die Stromspeicher der hiesigen Windparks, sei geplant.
»Kleiner Beitrag des Landes«
Staatssekretär Deutschendorf fand es eine »spannende Geschichte«, dass ein Werk dessen Ende schon beschlossen war, nun erhalten und erweitert wird. Den »kleinen Beitrag des Landes Hessen« erwähnte er auch. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir habe mit Bahnchef Berthold Huber direkt darüber verhandelt, dass die Bahn die Strecke an die Hessische Landesbahn (HLB) übergibt und der Güterverkehr für RHI wieder rollen kann. Mitte Juni würden die Gleisbauarbeiten beginnen. Für das zweite oder dritte Jahresquartal plane die HLB die Planungsleistungen für den Personenverkehr auf der gesamten Lumdatalbahn auszuschreiben.
Tim Steenvoorden dankte der Belegschaft, dem Betriebsrat und der Politik für die Zusammenarbeit.
Nächstes Jahr steht die große Herausforderung an, die Schneider genauer beschrieb. 50 Tonnen Jahrestonnage wie zu den besten Zeiten der »Schamott« seien angestrebt. Man wolle der drittgrößte Produktionsstandort von RHI werden.