Gastkommentar von Necla Kelek zur Migrationspolitik: Die Alternative zur Alternative
Der Kampf gegen Rassisten ersetzt keine Migrationspolitik, die sich den Problemen stellt. Ein Gastkommentar von Necla Kelek, Soziologin und Autorin.
Von Necla Kelek
Necla Kelek.
(Foto: Kelek)
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Die schrecklichen Taten und die folgenden Proteste in Chemnitz, Köthen und Kandel zeigen, dass die Regierenden die Folgen ihrer Migrationspolitik falsch eingeschätzt haben und viele Menschen sich von ihnen nicht vertreten fühlen. Die notwendigen Abgrenzungen zu den Ausschreitungen Rechtsradikaler darf aber nicht dazu führen, die Problemlage in Sachen Migration zu übergehen oder schönzureden. Sonst folgt auf falsche Einschätzungen, Schlampereien und Behördenwirrwarr Politikversagen.
Um was geht es wirklich: Es geht um die Folgen der Massenzuwanderung seit 2015 und eine Serie von „Einzelfällen“, bei denen junge Männer mit Messern eine Hauptrolle spielen. Wir haben eine Gruppe von Eingewanderten im Land, die vom deutschen Staat mehr und anderes als Unterkunft und Taschengeld erwarten und enttäuscht werden. Es gibt viele, die sehr wohl ihre Chance suchen, sich bemühen, lernen und sich integrieren wollen. Die überwiegende Zahl sind aber Mitglieder einer migrantischen Reservearmee, auf die niemand vorbereitet war und die in eine hochtechnisierte Leistungsgesellschaft nicht zu integrieren sind. Viele dieser jungen Männer befinden sich in einer Identitätskrise. Dies wollen weder Frau Merkel noch Frau Göring-Eckardt von den Grünen sehen. Ihr „Wir schaffen das“ und „Wir bekommen Menschen geschenkt“ stehen pragmatischen Lösungen im Weg.
Die überwiegend jungen Männer aus den Kriegs- und Krisengebieten des Nahen Ostens und Nordafrikas sind hier und niemand hat einen Plan, welcher Umgang mit ihnen das Beste ist. Die meisten von ihnen haben zudem keine schulische oder berufliche Qualifikation und hätten, auch wenn sie als Flüchtlinge anerkannt würden, kaum eine Chance auf eine dauerhafte auskömmliche Beschäftigung.
Der Umstand, dass es sich hier um einen multiplen Sozialfall handelt, ist den Helferinnen und Helfern in den Unterkünften, auf den Ämtern, in den Schulen seit langem bewusst. Die verantwortliche Politik allerdings verweigert sich mehrheitlich dieser Realität. Nicht nur, dass immer noch die entsprechenden Konzepte zur Prävention, Integration oder Schutz fehlen. Wer auf diese Probleme hinweist, wird auch noch als der eigentliche Unruhestifter hingestellt. Die unzweifelhafte Abgrenzung von Rassisten und Faschisten ist zwingend. Und doch besteht der Verdacht, dass hier jemand „Haltet den Dieb“ ruft, der von anderem ablenken will.
Die bewusste Leugnung der Probleme der Migration durch die bürgerlichen Parteien hat dazu geführt, dass sich eine Gruppierung wie die AfD – inzwischen die stärkste Oppositionspartei im Bundestag – als Verkünder von Wahrheiten und als Interessenvertreter einer schweigenden Mehrheit inszenieren kann. Dabei hat auch die AfD außer Protest, Anklage sowie kalkulierten Ausfällen und Tabubrüchen keine ernsthafte Alternative zu bieten. Lösungskonzepte? Auch hier Fehlanzeige. Wenn Regierung und der Teil der Opposition, die von der AfD als „Systemparteien“ diffamiert werden, sich nun damit zu retten glauben, den Kampf gegen die AfD als Lösung des Problems zu betrachten, ist das ein politischer Offenbarungseid, weil hier Ursache und Wirkung verwechselt werden.
Es gibt eine Alternative zur vermeintlichen Alternative und die heißt: Wahrheit und Klarheit in Sachen Migration und Integration. Wer in Deutschland leben will, muss und darf die Freiheiten dieses Landes nutzen, hat sich an die Regeln unseres Miteinanders zu halten und Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau ausdrücklich eingeschlossen. Wer sich daran nicht hält, und wer kein Bleiberecht bekommt, muss gehen.
Die Regierungen in Bund und Ländern müssen sich ehrlich machen, ihre eigenen Werte achten und konsequenter als bisher die Gesetze durchsetzen.