Gastbeitrag von Dirk Metz: Nebensächlichkeiten haben Konjunktur
Es ist ein Jahrzehnt, in dem für die Bedeutung Deutschlands und Europas in der Welt die entscheidenden Weichen gestellt werden können oder der Bedeutungsverlust zementiert wird - meint Gastautor Dirk Metz.
Von Dirk Metz
Dirk Metz
(Foto: Metz)
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Erst in dieser Woche verkündete der Automobilbauer Opel den Abbau weiterer 4100 Jobs in den kommenden Jahren. Opel reiht sich damit in die Riege der deutschen Automobilhersteller und -zulieferer ein, die ihren Personalbestand in sechsstelliger (!) Größenordnung reduzieren wollen. Allein Daimler hat angekündigt, 1,4 Milliarden Euro Personalkosten einzusparen. So sollen etwa im Verwaltungsbereich rund 10 000 Stellen wegfallen. Zugleich setzen auch weitere Deutsche DAX-Konzerne den Rotstift an, BASF und Bayer, die Deutsche Bank ohnehin. In diese Zeit fällt auch die angesichts sprudelnder Staatseinnahmen kaum beachtete Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit, dass die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit 2013 wieder steigt. Das mag kein Grund zur Panik sein – und doch ein erstes Warnsignal.
Denn auch global gesehen zeigt der rasante Aufstieg Chinas den Bedeutungsverlust der deutschen und europäischen Wirtschaft – sie kommt zwischen den USA und China zunehmend unter die Räder. Im jährlichen Ranking „Forbes Global 2000“ der größten Unternehmen der Welt – an Hand von Umsatz, Gewinn sowie der Vermögens- und Marktwerte – waren im vergangenen Jahr fünf chinesische und vier US-Konzerne in den Top 10 notiert – und mit der britisch-niederländischen Shell noch ein einziges aus Europa. 2010 war China nur mit der „Industrial und Commercial Bank of China“ vertreten, Europa aber noch mit fünf Unternehmen. Zeitgleich macht sich Deutschland zunehmend abhängig von China. Eine Analyse des Berliner „Tagesspiegel“ ergab, dass die großen DAX-30-Konzerne mit China immerhin 15 Prozent ihres Umsatzes verdienen.
Das alles führt dramatisch vor Augen, wie sehr wir uns in diesem neuen Jahrzehnt wappnen müssen. Es ist ein Jahrzehnt, in dem für die Bedeutung Deutschlands und Europas in der Welt die entscheidenden Weichen gestellt werden können – oder der Bedeutungsverlust zementiert wird. Statt sich aber auf zukunftsweisende Diskussionen zu konzentrieren, verzetteln Medien und Politik sich im Klein-Klein. Ob das Dschungelcamp angesichts der Buschbrände in Australien nicht hätte abgesagt werden müssen. Ob Online-Surfen ein Klimakiller ist und kurze E-Mails Umweltsünden? Ob Harry und Meghan fortan bei der Queen noch willkommen sind. Nicht zu vergessen das WDR-„Umweltsau“-Video, das tagelang hoch und runter diskutiert wurde. Mit solchen „Aufreger-Themen“ werden wir von morgens bis abends „bespaßt“ – und manches mag auch unterhaltsam sein. Mein Eindruck ist aber, dass wir in den letzten Jahren des wirtschaftlichen Wohlstands versäumt haben, die für die Zukunft Deutschlands wirklich richtungsweisenden Debatten zu führen.
UNSER GASTAUTOR
Unser Gastautor Dirk Metz ist Inhaber einer Agentur für Kommunikation und Krisenkommunikation. Zuvor war der gelernte Journalist elf Jahre Sprecher der hessischen Landesregierung.
Wir brauchen eine klare Strategie, wie unsere Wirtschaft mit den digitalen Playern aus USA und China umgeht, deren Geschäftsmodelle auf unseren Daten basieren. Wir sollten eine Idee entwickeln, wie jenseits von Verboten eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft aussehen kann, wie wir mit der Entwicklung modernster Technik Made in Germany etwas für das Klima tun und zugleich Geld verdienen können. Wir müssen den Ausbau der Digitalisierung so vorantreiben, dass der schnelle Zugang zum Internet als Prämisse gesetzt ist und nicht nur in Neujahrsreden zum hehren Ziel erkoren wird. Dafür brauchen wir verkürzte Planungsverfahren, um das schnelle Internet – aber auch Infrastrukturprojekte – überhaupt noch zeitnah durchsetzen zu können. Wie werben wir ausländische Fachkräfte an, um etwa die Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten – eine zentrale Frage.
Unser demokratischer Rechtsstaat muss ein Standortvorteil bleiben und darf nicht zum Nachteil gegenüber einem Land wie China werden, das wirtschaftliche und politische Ziele rücksichtslos verfolgt. Zumal auch Trumps USA nicht sehr zimperlich auftreten. Wir blicken wirtschaftlich schwierigeren Zeiten entgegen – umso wichtiger, gerade dann keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass auch demokratisch regierte Staaten im alten Europa langfristig in der Weltwirtschaft mithalten können.