Frankreich-Wahl 2022: Abstand zwischen Le Pen und Macron schrumpft - dem Präsidenten droht Zitterpartie
Kurz vor der Wahl in Frankreich schrumpft die Differenz zwischen Macron und Le Pen. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es einige Unterschiede beim Wahlverfahren.
München/Paris - Es ist so weit: Die Frankreich-Wahl* steht an. Das französische Volk wird bei der Wahl, die am 10. April beginnen und wahrscheinlich am 24. April enden wird, entscheiden, wer künftig im Élysée-Palast sitzen und die Geschicke des Landes maßgeblich lenken wird.
Aktuelle Umfragen zeigen: Die Schere zwischen dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron* und der am rechten Rand des politischen Spektrums angesiedelten Kandidatin Marine Le Pen* wird kleiner. Im Vergleich zu 2017 hat sie diesmal deutlich bessere Aussichten, Präsidentin zu werden und sich somit an das Steuer der französischen Politik zu setzen, denn in Frankreich gibt es Unterschiede bei der Wahl und beim System im Vergleich zu Deutschland. So ist der Präsident etwa viel mächtiger als der Premierminister - ganz anders als der Bundespräsident.
Frankreich-Wahl 2022: Abstand zwischen Macron und Le Pen schrumpft - Kandidatin mit fragwürdigen Aussagen
Eine aktuelle und umfassende Umfrage des Magazins Politico zeichnet kurz vor der Wahl ein besorgniserregendes Bild für den amtierenden Präsidenten Macron - besonders mit Blick auf die zweite Runde der Wahl. Demnach ist sein Vorsprung zu Marine Le Pen im Gegensatz zu 2017 erheblich kleiner geworden. Ein möglicher Wahlsieg von Le Pen würde sich auch sehr stark auf Europa auswirken und womöglich den westlichen Zusammenhalt angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine* bröckeln lassen.
Der russische Machthaber Wladimir Putin* dürfte sich im Falle eines möglichen Sieges von Le Pen freuen. Denn immerhin verteidigte Le Pen einst die Annexion der Krim durch russische Truppen und vertritt zudem eine weitgehend anti-europäische Haltung. Vor Kurzem bezeichnete sie die Nato als eine „bellizistische Organisation“ und beschrieb die Osterweiterung der Nato als eine „gefährliche Einkreisung von Russland*“.
In ihrem Wahlprogramm verweist sie auf ein Bündnis mit Moskau - auch nach der Invasion der Ukraine blieb dieser Programmpunkt erhalten. In Moskau blieben ihre Positionen schon bei der letzten Wahl nicht ohne Reaktion: Für die Finanzierung ihres Wahlkampfs bekam sie 2017 ein Kredit im Wert von 9,4 Millionen Euro von einer russischen Bank.
Frankreich-Wahl 2022: Macron könnte in zweiter Runde zittern - Vorsprung zu Le Pen wird kleiner
Laut der aktuellen Politico-Umfrage vom 8. April würde Macron in der ersten Runde der Wahl auf 26 Prozent kommen. Le Pen würde 23 Prozent der Stimmen erhalten. Vergleicht man dies mit den Ergebnissen von 2017, so sieht man, dass es an dieser Stelle keine großen Unterschiede gibt. 2017 fiel der Unterschied zwischen Macron (24 Prozent) und Le Pen (21,3 Prozent) ähnlich aus. Die Ähnlichkeit zu 2017 gilt allerdings nur für die erste Runde der Wahl.
Ein Blick auf die Umfrage-Ergebnisse für eine Stichwahl in der zweiten Runde zwischen den beiden Kandidaten zeigt: Le Pen hat aufgeholt, und zwar mächtig. Sollte es zu einer Stichwahl zwischen Macron und Le Pen kommen - was als höchstwahrscheinlich betrachtet wird -, so würde Macron 53 Prozent der Stimmen erhalten, während Le Pen 47 Prozent der Stimmen erhalten würde. Zwar ist dies immerhin ein Vorsprung von 6 Prozentpunkten für Macron, allerdings sieht es im Vergleich zu 2017 düster aus. Dort gewann Macron bei der Stichwahl mit 66,1 Prozent der Stimmen und einem Vorsprung von etwas mehr als 32 Prozentpunkten. Le Pen konnte nur 33,9 Prozent der Stimmen für sich beanspruchen.
Auch interessant: Laut der Politico-Umfrage sind die in den letzten Monaten relativ gleich gebliebenen Umfragewerte* von Le Pen mit dem Beginn der russischen Invasion der Ukraine plötzlich angestiegen. Auch Macron konnte sich im selben Zeitraum auf einen Anstieg seiner Umfragewerte freuen. Doch dieser Effekt hielt bei ihm im Gegensatz zu Le Pen nicht lange an und seine Werte kehrten langsam zum vorigen Niveau zurück.

Frankreich-Wahl 2022: Details zu der Präsidentschaftswahl - Präsident, Wähler und Parlament
Wenn die Französinnen und Franzosen am Sonntag wählen gehen, steht am Abend voraussichtlich noch kein neues Staatsoberhaupt fest. Denn die Präsidentschaftswahl im Nachbarland unterscheidet sich maßgeblich von der Wahl des Bundespräsidenten. Im Gegensatz zu Deutschland ist der französische Präsident nicht vorwiegend Repräsentant, sondern bestimmt maßgeblich die Politik des Landes. Die wichtigsten Eckpunkte kompakt erklärt:
- Was darf der Präsident? Der französische Präsident ist mit sehr viel Macht ausgestattet und deutlich einflussreicher als der Regierungschef. Er ist Armeechef, kann über Militäreinsätze und den Gebrauch von Atomwaffen entscheiden. Für längere Einsätze oder eine Kriegserklärung benötigt er das Okay des Parlaments. Er ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag hin die übrigen Minister der Regierung. Der Staatschef leitet die wöchentliche Kabinettssitzung, in der etwa über Gesetzesvorschläge beraten wird. Gesetze verabschiedet das Parlament. Der Präsident kann die Nationalversammlung auflösen und Referenden ansetzen. In Gefahrensituationen gewährt die Verfassung ihm nahezu volle Kontrolle über den Staat.
- Wer kann Präsident werden? Alle Erwachsenen mit französischer Staatsbürgerschaft können antreten, wenn sie ihren Pflichten zu zivilen oder militärischem Dienst nachgekommen sind und „moralisch würdig“ sind. Um am Ende auf dem Wahlzettel zu landen, sind dann noch 500 Unterschriften gewählter Vertreter sowie Vermögens- und Interessennachweise notwendig.
- Wie wird gewählt? Der französische Präsident wird direkt vom Volk gewählt und benötigt die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Da voraussichtlich keiner der zwölf Kandidatinnen und Kandidaten mehr als 50 Prozent bekommen wird, ist am 24. April eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen geplant. Rund 48,7 Millionen Wahlberechtigte können abstimmen. Es gibt keine Mindestwahlbeteiligung.
- Wann wird wo gewählt? Die Wahllokale sind am Sonntag von 8 bis 19 Uhr, in großen Städten bis 20 Uhr geöffnet. Aufgrund der Zeitverschiebung wird in den Überseegebieten und in einigen Auslandsvertretungen bereits am Samstag abgestimmt. Alle müssen dort ihre Stimme abgeben, wo sie auf der Wahlliste eingetragen sind.
- Gibt es eine Briefwahl? Nein, dafür ist die Wahl per Vollmacht möglich. Ist ein Wähler verhindert, kann er jemanden beauftragen, für ihn abzustimmen. Der Bevollmächtigte muss dies allerdings im örtlichen Wahllokal des Menschen tun, den er vertritt.
- Wer überwacht die Wahl? Der französische Verfassungsrat beaufsichtigt Abgabe und Auszählung der Stimmen und verkündet anschließend das Ergebnis. Er entscheidet auch im Fall von Beanstandungen und Unregelmäßigkeiten.
- Wie geht es nach der Wahl weiter? Frankreichs neues Staatsoberhaupt übernimmt in der Regel schon wenige Tage nach seiner Wahl die Macht im Élysée-Palast. Es ist in Frankreich üblich, dass der bisherige Premierminister noch vor der Amtsübergabe im Élysée den Rücktritt der Regierung anbietet. Damit kann der Staatschef gleich einen neuen Premierminister ernennen.
- Und was ist mit dem Parlament? Obwohl der französische Staatschef sehr viel Macht hat, schrumpft sein Einfluss ohne eine Parlamentsmehrheit zusammen. Daher kommt den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni eine große Bedeutung zu. Ohne Mehrheit in der Assemblée Nationale wäre der Präsident gezwungen, eine Regierung aus Politikern eines anderen politischen Lagers zu ernennen. Der Premierminister wird dann deutlich wichtiger. Es könnte sogar eine Blockade des Landes drohen.
(bb mit Material von dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA