Wer in Hessen ein Windrad errichten will, muss nachweisen, dass der Betrieb der Anlage weder Fledermäuse noch Haselmäuse stört.
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Fledermäuse genießen in Hessen einen hohen Schutzstatus.
(Foto: dpa)
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WIESBADEN - Artenschutz, sagt Alexander Koffka vom Wiesbadener Windkraftprojektierer Abo-Wind, „ist für uns die größte Hürde“. Ein ganz entscheidendes Kriterium dafür, ob Windräder genehmigt werden. Oder nicht. Bekannt ist, dass Windräder an der Wochenstube von Mops- und Bartfledermaus genauso scheitern können wie am Nachweis von Rotmilan und Schwarzstorch. Weniger bekannt ist, dass auch andere Tiere eine unüberwindbare Hürde darstellen können, so der Luchs, die Wildkatze und die Haselmaus.
Ein Milan, der in 1 500 Metern Entfernung zu einem geplanten Standort seinen Horst hat, kann ein Windrad verhindern. Nicht, dass der Vogel auf der Liste der besonders gefährdeten Arten stünde. Der Bestand der Art sei „stabil“, sagt Maik Sommerhage, Referent für Vogelschutz beim Naturschutzbund in Hessen. Aber das Tier könnte mit Rotorblättern kollidieren. „Deutschlandweit sind seit Ende der 90er Jahren 450 Rotmilan durch Windräder gestorben“. Und Deutschland trägt für den Rotmilan mehr Verantwortung als für jede andere Vogelart. Hier leben mehr als 50 Prozent des Weltbestandes dieser Art.
Mehr Mopsfledermäuse als gedacht
Die Existenz der Mopsfledermaus war bis vor wenigen Jahren den Wenigsten bekannt. „Heute wissen wir, dass es mehr gibt als gedacht“, sagt Sommerhage. Und das liegt auch an den Windrädern. Denn überall dort, wo eine Mopsfledermaus nachgewiesen wird, müssen Tabu-Zonen eingerichtet werden. Deshalb wird dort, wo Räder geplant sind, intensiv nach den Tierchen gefahndet. Und wer sucht, der findet...
VERBOTE
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz gibt es ein Tötungsverbot: Es wird geprüft, ob Kollisionen von Vögeln mit den Rotoren von Windrädern möglich sind.
Ferner gibt es ein Verbot, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten zu stören.
Die Haselmaus wird zwar seltener. Als bedrohte Art gilt sie indes nicht. Und dennoch sollen Haselmäuse am nördlichen Vogelsberg umgesiedelt werden, weil dort ein Windrad gebaut werden soll. „Das funktioniert aber nicht“, fürchtet Sommerhage.
In Hessen hat Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) den Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Chefsache gemacht. Er spricht oft und gerne über das Haselhuhn, das in Deutschland immer mal wieder den Bau eines Windrades verhindert hat, obwohl es keine längeren Strecken fliegend zurücklegen kann. „Das Haselhuhn ist schwierig nachzuweisen“, heißt es beim Nabu. Sommerhage vergleicht es mit dem Ungeheuer von Loch Ness: „Kaum einer sieht es, alle reden darüber“.
Der Naturschützer stellt fest: „Es gibt kein Artensterben wegen Windkraft“. Intensiver Ackerbau sei das größere Problem. Der Nabu jedenfalls unterstütze den Ausbau der Erneuerbaren Energien – der durch den Artenschutz allerdings erschwert wird.
Denn es sind umfangreiche Untersuchungen erforderlich, bevor ein Windrad genehmigt wird. Ein Jahr lang Vorlauf, in dem zwei, manchmal drei Beobachter am geplanten Standort sein müssen, heißt es bei Abo-Wind. „90 Prozent der Planungskosten stecken im Artenschutz“. Und am Ende der Begutachtung steht oft das „Aus“ für einen Standort. Selbst dort, wo ein Vorrangebiet für Windkraft ausgewiesen ist, gibt es keine Garantie auf Genehmigung. Erst im April hat ein artenschutzfachliches Gutachten dazu geführt, dass Abo-Wind seine Planungen für fünf neue Räder in der Wetterau beenden musste. Gut zwei Jahre lang hatte das Unternehmen an den Plänen gearbeitet. Vergebens.