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Russlands Rekruten fliehen: Wohl schon 260.000 außer Landes - Berichte über erste Ausreise-Stopps

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Von: Franziska Schwarz

Der Kreml hat erstmals „Fehler“ bei der Teilmobilisierung zugegeben. Unterdessen gehen die Proteste weiter. News-Ticker zur Lage in Russland.

Update vom 27. September, 8.35 Uhr: Seit der Bekanntgabe der russischen Teilmobilisierung in der vergangenen Woche sollen bereits 260.000 russische Männer das Land verlassen haben. Wie die russische Zeitung „Nowaya Gazeta“ berichtet, sollen sich die Männer durch ihr Flucht einem möglichen Kriegseinsatz entzogen haben. Das russische Medienunternehmen „The Bell“ berichtet, dass Männern an Flughafen und Grenzübergängen mittlerweile sogar die Ausreise verweigert werden soll.

Bereits gestern machten Berichte die Runde, dass sich ein Mann selbst angezündet haben soll, um den Kriegsdienst zu umgehen (siehe vorheriges Updates).

Russischer Männer, die im Rahmen der Teilmobilisierung einberufen wurden, versammeln sich in der Stadt Bastaisk.
Russischer Männer, die im Rahmen der Teilmobilisierung einberufen wurden, versammeln sich in der Stadt Bastaisk. © Erik Romanenko/imago-images

Russischer Kriegsverweigerer zündet sich wohl öffentlich selbst an –„Ich will nicht an die Front!“

Update vom 26. September, 19.57 Uhr: Aus Verzweiflung über seine drohende Einberufung zum Krieg gegen die Ukraine hat sich ein Mann in Russland Medienberichten zufolge selbst angezündet. Das Medium Nowaja Gaseta veröffentlichte am Montag das Video einer Überwachungskamera, auf dem zu sehen ist, wie sich eine Person mit einer Flüssigkeit übergießt und kurz darauf am ganzen Körper brennt. Augenzeugen zufolge rief der brennende Mann am Busbahnhof in der Stadt Rjasan rund 200 Kilometer südöstlich von Moskau: „Ich will nicht an die Front!“

Polizisten sollen das Feuer gelöscht haben, und der Mann soll verletzt in ein Krankenhaus gekommen sein. Über seinen genauen Gesundheitszustand gab es in russischen Medien unterschiedliche Angaben. Offizielle Mitteilungen zu dem Vorfall, der sich bereits am Sonntag ereignet haben soll, gab es zunächst nicht.

Krem-Sprecher Dmitri Peskow betont, Moskau habe noch keine Entscheidung über Einführung des Kriegsrechts getroffen

Update vom 26. September, 18.32 Uhr: Um die Einberufung für den Krieg in der Ukraine zu umgehen, reisten zuletzt Zehntausende Männer fluchtartig aus Russland aus. Zu den Rekrutierungen im Rahmen der Teilmobilisierung gibt es Berichte über Zwang und Gewalt. Der Kreml-Sprecher Dmitiri Peskow betonte, die russische Führung habe bisher keine Entscheidung über die Einführung des Kriegsrechts getroffen. Bei einer Einführung des Kriegsrechts dürften wehrfähige Männer Russland nicht mehr verlassen.

Kreml räumt erstmals Fehler bei russischer Teilmobilmachung ein

Update vom 26. September, 15.35 Uhr: Der Kreml hat nun „Fehler“ bei der russischen Teilmobilmachung eingeräumt. „In der Tat gab es Fälle, in denen gegen das Dekret verstoßen wurde“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Reportern. „In einigen Regionen arbeiten die Gouverneure aktiv daran, die Situation zu berichtigen.“

Auf die Frage nach Grenzschließungen angesichts von Protesten und der Ausreise zahlreicher Russen im kampffähigen Alter sagte er, dass bisher „keine Entscheidung“ dazu getroffen worden sei.

Gegen Mobilmachung durch Putin: Mann schießt in russischer Einberufungsstelle

Erstmeldung vom 26. September: Irkutsk/Moskau - Die von vielen Russen abgelehnte Teilmobilmachung zeitigt Folgen, und zwar nicht nur in Form von Straßenprotesten in Russland: Nun hat ein Reservist auf den Leiter einer Einberufungsstelle geschossen und den Mann schwer verletzt.

Der Vorfall ereignete sich in der ostsibirischen Stadt Ust-Ilimsk im Gebiet Irkutsk, wie der Gouverneur der Region, Igor Kobsew, am Montag (26. September) auf Telegram mitteilte. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. „Der Schütze ist sofort verhaftet worden und wird definitiv bestraft werden“, führte Kobsew aus.

Der 25 Jahre alte Reservist, der eingezogen werden sollte, wurde demnach festgenommen. Der Zustand des „Militärkommissars“ sei kritisch, sagte Kobsew. „Die Ärzte kämpfen um sein Leben.“

Schüsse in russischer Einberufungsstelle: „Niemand geht irgendwo hin“

Wie die Bild erfahren haben will, war der Täter in Aufruhr gewesen, weil sein bester Freund einberufen wurde. Er selbst hatte wohl noch keinen Bescheid erhalten. Der Guardian wiederum zitierte einen mutmaßlichen Zeugen der Tat: Als der Mitarbeiter den Einberufenen das Prozedere erklärte, sei ein Mann aus der Reihe hervorgetreten und habe gesagt: „Niemand geht irgendwo hin.“ Dann seien drei Schüsse zu hören gewesen.

Kritiker haben den Behörden vorgeworfen, ihre Bemühungen zur Mobilmachung auf abgelegene Gegenden wie Sibirien und den Nordkaukasus zu konzentrieren, um in den städtischen Regionen und besonders Moskau keinen Widerstand zu entfachen.

Proteste in Russland: Widerstand gegen Teilmobilmachung eskaliert

In der russischen Teilrepublik Dagestan eskalierte am Wochenende in mehreren Orten der Widerstand gegen die Einberufungen. Frauen gingen mit Fäusten auf Polizisten los, weil sie damit verhindern wollten, dass ihre Männer, Söhne oder Brüder bei der russischen Invasion in die Ukraine sterben.

Polizisten nehmen Demonstranten fest während eines Protestes gegen die russische Teilmobilisierung in St. Petersburg.
 (Foto vom 24. September)
Polizisten nehmen Demonstranten fest während eines Protestes gegen die russische Teilmobilisierung in St. Petersburg. (Foto vom 24. September) © dpa

Viele riefen, dass sie nichts gegen Ukrainer hätten und deshalb nicht auf sie schießen würden. Ein Polizist feuerte mit einer Maschinenpistole in die Luft, um die wütende Menschenmenge zur Ruhe zu bringen. Zeitweise wurde auch eine Fernverkehrsstraße mit Sitzblockaden der Dagestaner gesperrt.

Teilmobilmachung löst Flucht aus Russland aus: Familien in Panik

Um der Einberufung zu umgehen, verlassen weiter Zehntausende Männer fluchtartig das Land mit Flügen oder mit dem Auto etwa über die Grenzen zu den Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan (Zentralasien) oder Georgien (Südkaukasus). Viele Familien in Russland sind in heller Panik, ihre Angehörigen in dem Krieg zu verlieren.

Kremlchef Wladimir Putin hatte die Teilmobilmachung angeordnet. 300.000 Reservisten sollen nun in die russische Armee eingezogen werden. Zugleich hatte Putin die Gesetze gegen Kriegsdienstverweigerer verschärft. Die Verantwortung für die Organisation der Einberufung liegt bei den regionalen Gouverneuren und den einzelnen Kreiswehrersatzämtern vor Ort. (dpa/AFP/frs)

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