Mittwoch,
17.04.2019 - 23:00
4 min
"Bunte Bühne Basketball": Der Erfolg der Farmteams
Man mag es ja dieser Tage kaum glauben, aber mit Blick auf Basketball kommen aus Gießen noch immer gute Nachrichten - nun, in diesem Fall im entfernteren Sinn. Also aus Texas. Aber der Name Hartenstein ist an der Lahn natürlich in Stein gemeißelt, die Auftritte von Center Florian sind rund um die "Sechsundvierziger" legendär. Und dessen hochtalentierter Sohn Isaiah, der sich inzwischen seine ersten NBA-Auftritte ans Revers heften darf, und zwar an der Seite von Megastar James Harden bei den Houston Rockets, ist nach Tim Ohlbrecht der zweite Deutsche, der in der G-League den Titel gewonnen hat. Im NBA-Unterhaus sicherte sich Hartenstein im Trikot der Rio Grande Valley Vipers - das Farmteam der Rockets - aber nicht nur die Meisterschaft gegen die Long Island Nets, sondern wurde auch zum "Most Valuable Player" (MVP) gewählt. Hut ab!
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Hätten die Zuschauer in der Sporthalle Ost am vergangenen Sonntag direkt die Möglichkeit gehabt, ihren persönlichen MVP zu wählen - sprich, den "Hammer des Spiels", wie es dort heißt - so wäre die Wahl auf Alen Pjanic gefallen. Der 22-jährige Youngster, der mit den Gießen 46ers Rackelos erneut eine starke ProB-Saison ablieferte und inzwischen zweimal in Folge von Headcoach Ingo Freyer in der BBL in die Starting-Five beordert wurde, war gegen die MHP Riesen Ludwigsburg der einzige Lichtblick im Dress der Mittelhessen. Er arbeitete, warf sich in Bälle, zeigte Biss und Kampfgeist und tat vor allem etwas, was die Zuschauer beim Rest des Teams vermisst haben dürften: Er vermittelte Spaß am Basketball - "Behind the back"-Pass auf Mahir Agva, geiler Block gegen Lamont Jones und in 22:24 Minuten Spielzeit viele Emotionen sowie unterm Strich 13 Punkte und sechs Rebounds. Gegen Braunschweig fiel er bereits positiv auf, gegen Ludwigsburg sorgte er für Begeisterung.
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"Ich habe das gar nicht so krass realisiert, weil man direkt abliefern muss. Man muss verteidigen, man muss funktionieren. Da ist es eigentlich egal, welcher Gegenspieler vor einem steht. Aber klar, es ist schon etwas anderes als in der ProB - das ist schon aufregend", sagte Pjanic Mitte Dezember 2018, als ihn diese Zeitung für seine Auftritte bei den Rackelos zum "Spieler der Woche" auserkoren hatte. Wenige Wochen zuvor hatte ihn Freyer beim FC Bayern München früh aufs Parkett geschickt und ihm somit nämlich Duelle mit Spielern ermöglicht (Stichwort: realisieren), die man in diesen jungen Jahren der Karriere nicht selten eher von der Playstation kennt - etwa Derrick Williams, 428 Mal in der NBA im Einsatz. Pjanic, der sich auf der Saisonabschiedsfeier im Mai vergangenen Jahres von seinen Teamkollegen noch scherzhaft anhören musste, dass er doch mal mehr im Fitnessstudio pumpen solle, liefert inzwischen ab. Und das richtig. Eben auch dank seiner Athletik, und diesbezüglich hat er in der laufenden Spielzeit große Fortschritte gemacht. Am kommenden Sonntag gastieren die Gießener bei der BG Göttingen, und Pjanic wird dafür sorgen wollen, die inzwischen sieben Spiele andauernde Niederlagenserie seines Teams beenden zu wollen. Von seinen Auftritten gegen Braunschweig und Ludwigsburg könnte sich so mancher "Alter Hase" in der Truppe mal eine Scheibe abschneiden.
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Lassen wir den Scheinwerfer auf den Farmteams dieser Region und schauen auf die Rollstuhlbasketballer des RSV Lahn-Dill. Während sich die erste Mannschaft auf das große Playoff-Finale gegen die Thuringia Bulls vorbereitet, durfte die zweite Garde bereits die Sektkorken knallen lassen: Die Lahn-Dill Skywheelers, eine Kooperation zwischen Wetzlar und Frankfurt, setzten sich in der entscheidenden Playoff-Serie gegen Essen durch und haben damit den Aufstieg in die 1. Bundesliga in der Tasche. Wird der RSV Lahn-Dill in der kommenden Saison also gleich doppelt in der RBBL vertreten sein? Nein, wohl eher nicht. "Erst einmal muss man festhalten, dass sich die Mannschaft diesen Erfolg natürlich erarbeitet hat. Wir hatten damit gerechnet, dass sie oben mitspielen können, ja. Aber dass sie so durchmarschieren, kam überraschend. Und nun gibt es zwei Parteien: den RSC Frankfurt und uns, den RSV Lahn-Dill. Alleine schon aus Transparenzgründen und eventuellen Vorwürfen der Wettbewerbsverzerrung wollen wir nicht an einem zweiten Team in der 1. Liga beteiligt sein", sagt RSV-Geschäftsfürher Andreas Joneck auf Anfrage. Rein rechtlich sei der Aufstieg aber, so Joneck weiter, kein Problem: "Die Hoheit hat der RSC Frankfurt, dort liegt die Lizenz. Wir würden dann allerdings darauf drängen, dass wir aussteigen und das Team einen neuen Namen bekommt." Inwieweit die Frankfurter eine RBBL-Saison mit eigenem Team aber stemmen könnten, scheint noch fraglich. Sicherlich wird es in den kommenden Wochen noch viele Gespräche geben.
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Sollte es zur "Trennung" kommen, so würden die Wetzlarer eine derart gut aufgestellte und erfolgreiche zweite Mannschaft durchaus vermissen. Vorrangiges Ziel der Kooperation war es, junge Spieler, die etwa zu stark für die Regionalliga sind, in ihrer Entwicklung zu fördern. Sprich, der ganz klassische Farmteam-Gedanke. Gut geklappt hat das in der Runde 2018/19 etwa beim iranischen U22-Nationalspieler Peyman Mizan oder Marian Kind.