Aller guten Dinge sind drei

Gießen (grm). Selten hat eine Mannschaft die Fußball-Kreisoberliga Gießen/Marburg Süd so dominiert wie der diesjährige Meister SG Obbornhofen/Bellersheim. In der aktuellen Saison hat die Elf von Trainer Ralf Landgraf 25 von 28 Saisonspielen gewonnen - bei nur einer Pleite! Im Sommer startet daher das verdiente Abenteuer Gruppenliga, auf das der Verein länger als geplant warten musste.
Als am 29. Mai 2022 die Begegnung zwischen der TSG Wieseck und der SG Obbornhofen/Bellersheim abgepfiffen wird, steht den Gästen nicht nur aufgrund der klaren 0:5-Pleite die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Wie im Vorjahr hat die SG eine herausragende Saison gespielt, doch erneut steht nicht der erhoffte Meistertitel. War es in der Spielzeit 2020/21 noch Corona, das im Oktober 2020 die Aufstiegshoffnungen der damals ungeschlagenen SG nach zwölf Spielen platzen lässt, scheitert man knapp anderthalb Jahre später in der Aufstiegsrunde.
Doch auch die zweite Nichtaufstieg in Folge lässt die Sportliche Leitung der SG um Klaus Jäckel, Marco Hartig und Thomas Schäfer nicht in Aktionismus verfallen. Im Transferfenster bleibt die SG nahezu untätig - mit einer Ausnahme, die es jedoch in sich hat: Von Hessenligist FSV Fernwald kehrt Tim Richter zu seinem Heimatverein zurück, dessen Trikot er bis 2019 getragen hatte.
»Mit ihm, Yannik Zander und Patrick Werner haben wir drei Unterschiedsspieler, die man sicherlich hervorheben muss, aber dennoch sind alle im Kader wichtig«, betont Trainer Ralf Landgraf und ergänzt: »Von einem anderen Verein habe ich die Aussage mitbekommen, dass wir Meister werden, weil wir einen guten Torwart und einen guten Stürmer haben - und davon will ich mich klar distanzieren! Es ist zu einfach, uns darauf zu reduzieren, weil wir ein gutes Team sind, in dem die Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern passt.«
Wie groß die fußballerische Klasse seiner Mannschaft ist, wird auch beim Blick auf die Tabelle deutlich: Vier Spieltage vor dem Saisonende haben die Obbornhofener unfassbare 93 Treffer erzielt, sodass auch die Fabelmarke von 100 Treffern nur noch eine Formsache zu sein scheint.
Wenig überraschend geht der Großteil der Tore dabei auf das Konto von Richter, der mit 35 Treffern bester Torjäger der Liga ist, und Patrick Werner (15 Tore). Anders als große Teile der Konkurrenz kann sich die SG jedoch nicht nur auf ein treffsicheres Duo verlassen, sondern hat mit Loris Schmitt, Paul Ortmann (beide neun Treffer), Nico Kammer oder Tim Hufnagel weitere schlagkräftige Waffen in ihrem Sturmarsenal.
Bei aller Torfreude wäre es jedoch zu kurz gegriffen, die Landgraf-Elf nur auf ihre offensiven Qualitäten zu reduzieren: In 28 Spielen kassiert der Meister gerade einmal 25 Gegentreffer - ein Schnitt von weniger als einem Gegentor pro Spiel! Torhüter Zander rettet seiner Mannschaft in mehreren Spielen die Punkte und kann sich außerdem auf seine Vorderleute Marius Werner, Till Schwing und die kopfballstarken Innenverteidiger Henrik Paul und Sebastian Schad verlassen. Auch Landgraf weiß um die Qualitäten seines Teams: »Wenn man sowohl die beste Offensive als auch die beste Abwehr der Liga hat, zeigt das, wie die Mannschaft für einander arbeitet.« Dennoch ist dem SG-Trainer auch bewusst, dass sein Team nicht jeden Gegner überrollt hat: »Wir hatten auch Spiele, die wir nicht dominiert haben, aber im richtigen Moment die Tore gemacht haben. Meistens haben wir vor allem richtig gute zweite Halbzeiten gespielt.« Gerade in diesen Spielen ist es das Obbornhofener Abwehrbollwerk, welches die Partie offen hält - und somit den Raum für die Entscheidung durch Richter und Co. bereitet.
So zeigt bereits der 2:0-Auftaktsieg bei der FSG Laubach im August 2022, dass der Aufstieg für Obbornhofen kein Selbstläufer wird. Beim folgenden 3:2-Sieg in Leihgestern beweist SG-Kapitän Schmitt Nervenstärke, als er in der Nachspielzeit einen Elfmeter zum Sieg verwandelt. Nachdem die SG beim 1:1 gegen den TSV Klein-Linden erstmals Punkte liegen lässt, startet sie in der Folge eine unfassbare Siegesserie, die 20 Spiele lang andauert und die Mannschaft dem Aufstieg Schritt für Schritt näher bringt. In dieser Phase lässt sich die Landgraf-Elf auch von personellen Rückschlägen nicht aufhalten: Während beispielsweise Kapitän Schmitt mit einer Muskelverletzung bis zur Winterpause ausfällt, verpasst Tim Richter drei Partien wegen einer Rotsperre.
Das Ende der Siegesserie kommt schließlich Ende März 2023, als man bei der FSG Wettenberg den Auftakt verschläft und sich trotz Aufholjagd am Ende mit 3:4 geschlagen geben muss. »Ich habe vor Beginn der Rückrunde gemahnt. So lange du nichts in der Tasche hast, hast du nichts. Dass irgendwann eine Niederlage wie in Wettenberg kommt, das haben wir zu diesem Zeitpunkt vielleicht auch gebraucht«, sagt Landgraf, dessen Team schnell wieder in die Spur findet und schließlich am 23. April mit einem 2:2 bei der SG Treis/Allendorf den Aufstieg perfekt macht. Die wahre Meister-Gala folgt jedoch eine Woche später, als man den Lokalrivalen aus Birklar beim 7:1 vor heimischem Publikum nach allen Regeln der Kunst vorführt. Nach dieser Partie macht Kapitän Schmitt deutlich, wie viel ihm der Aufstieg bedeutet: »Wir spielen seit Jahren zusammen, mit den meisten habe ich Jugend gespielt. Da ist es einfach etwas Besonderes, in so einem Moment auf dem Platz stehen zu können!«
Bereits den ersten SG-Aufstieg in die Gruppenliga 2009 hatte Schmitt live miterlebt und hielt mit einigen seiner damaligen Jugend- bzw. heutigen Mannschaftskameraden das damalige Meisterbanner hoch (siehe Foto). Ähnliche Lobesworte findet auch Ralf Landgraf: »Ich habe schon einige Stationen hinter mir, aber dieser Spirit - sowohl in der Mannschaft als auch in der sportlichen Leitung - ist einzigartig! Ich freue mich natürlich, den Aufstieg erstmals aus Sicht eines Trainers zu genießen, aber vor allem für diesen Verein. Wenn man sieht, was hier über Jahre geleistet worden ist, gönne ich es ihnen so sehr, dass sie endlich das erreicht haben, was sie seit Jahren wollten!«
Dennoch richtet sich der Blick des Meistertrainers bereits jetzt auf die kommende Spielzeit: »Wir genießen die Phase des Erfolgs, aber wissen auch, dass es in der Gruppenliga deutlich schwieriger wird. Da müssen wir uns sicherlich noch in der Breite verbessern, um in den verschiedenen Saisonphasen entsprechend nachlegen zu können. Leider war es trotz der letzten drei Erfolgsjahre schwierig, Leute hierher zu bekommen, aber vielleicht gibt es ja Jungs, die sich vorstellen könnten, sich unserem Projekt hier anzuschließen.«