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An der Seite von Podolski

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Einer, der noch da ist mit einem, der schon (länger) weg ist: Aykut Öztürk (rotes Trikot) hinter Marco Boras, der vom FC Gießen den Sprung zur TSG Hoffenheim II wagte. Foto: Imago © Imago

Unzählige Ex-Teutonen und Ex-Gießener unterwegs: Beobachtungen am Spielerkarussell

Gießen . »Kotzke unterschreibt bei Gornik Zabrze - trifft auf Podolski und Broll«. Das schrieb vor 14 Tagen das Online-Portal transfermarkt.de. Jonatan Kotzke? Da war doch was! Manch einer wird sich erinnern, für die anderen sei gesagt, dass jener Kotzke in der Saison 2016/17 für den SC Teutonia Watzenborn-Steinberg in der Regionalliga Südwest am Ball gewesen ist. Seitdem spielten der FC Gießen (und als Vorgänger-Club die Teutonia) insgesamt vier Jahre in der Viertklassigkeit an der Schnittstelle zum Profifußball.

Unzählige Spieler kamen an die Watzenborner Neumühle und später ins Waldstadion - und sagten zumeist nach kurzer Zeit auch wieder »Tschüß«. Ein Bericht darüber, was aus ihnen geworden ist, kann deshalb lediglich ein Abriss sein. Und der beginnt mit Jonatan Kotzke , da er derjenige ist, der es nach seinem Zwischenhalt in Mittelhessen am Höchsten schaffte. Als er 2016 bei den Grün-Weißen anheuerte, hatte er immerhin 19 Zweitligapartien absolviert. Ein Top-Transfer für den Defensivbereich, einer der wenigen, der die Erwartungen seinerzeit erfüllte. Kotzke war nach dem Abstieg nicht zu halten, zwei Kreuzbandrisse sorgten aber auch dafür, dass er nachhaltig in puncto größere Karriere ausgebremst schien. So sollte Jonatan Kotzke die U23 des 1. FC Ingolstadt anführen, doch dann nahm seine Laufbahn noch einmal richtig Fahrt auf. 55 mal lief er für die Schanzer in der Zweiten und Dritten Liga auf, ehe er jetzt mit 32 Jahren sein Glück in Polens »Ekstraklasa« an der Seite von Weltmeister Podolski sucht. Im Auftaktspiel wurde er in der Schlussphase eingewechselt.

Korzu, der Aachener

Der Sprung von der fünfgleisigen Regionalliga in die Dritte Liga ist immens, hinzu kommt, dass der FC Gießen (und vorher Watzenborn) bis auf die Spielzeit 2020/21 dreimal tief in den Abstiegskampf verstrickt waren und zweimal runter mussten - was nicht attraktiv ist, um auf dem Radar höherklassiger Vereine zu landen. Einen Vertrag bei einem Drittligisten, nämlich beim 1. FC Saarbrücken, hatte im Sommer 2021 Offensivmann Tim Korzuschek ergattert. Für einen Einsatz reichte es allerdings nicht. »Korzu«, der sich als beste Gießener Torschütze empfohlen hatte, zog im Winter weiter zu West-Regionalligist Alemannia Aachen. Ein Traditionsverein mit viel Wucht, einem schmucken Stadion, das Bundesliga-Ansprüchen genügt, der aber aktuell bemüht ist, eine Runde ohne Sorgen um den Klassenerhalt hinzubekommen. Korzuschek ist Stammspieler, erzielte am Freitagabend per Elfmeter den 1:2-Endstand in Oberhausen. Der gebürtige Gießener Nico Rinderknecht , dem lange das Potenzial für den Profifußball attestiert wurde, scheiterte 2021 denkbar knapp mit dem 1. FC Schweinfurt in der Aufstiegs-Relegation in die Dritte Liga am TSV Havelse und steht seit Juli beim Bayernligisten SV Donaustauf unter Vertrag. Wie Rinderknecht war auch Stürmer Jake Hirst 2019/20 beim FC Gießen. Als Pendler zwischen Rasen und Bank schießt der Bad Nauheimer seine Tore mittlerweile für den FSV Frankfurt in der Vierten Liga. Dort wird er weiterhin auf Gießens Ex-Kapitän Hendrik Starostzik treffen, der mit Hessen Kassel eine Platzierung im oberen Drittel anpeilt. Neben Starostzik hatte 2020/21, als Gießen einen starken elften Rang belegte, Marco Boras als erstaunlich souveräner Youngster im Abwehrzentrum überzeugt. Vor seinem zweiten Jahr im Regionalliga-Team von Bundesligist TSG Hoffenheim hat der 20-Jährige, der im April nach einer sechsmonatigen Verletzungspause aufs Spielfeld zurückgekehrt war, seinen Traum, oben anzuklopfen, gewiss nicht aufgegeben.

Wie Boras sind auch Dennis Owusu und Donny Bogicevic Jahrgang 2001. Beide machten in der desaströsen FCG-Abstiegsaison 2021/22 sportlich positiv aufmerksam auf sich und wollen bei der Regionalliga-Spitzenmannschaft des TSV Steinbach Haiger den nächsten Schritt gehen. Ein Wiedersehen wird es für sie mit Louis Münn geben, der nun das Trikot von Neuling Wormatia Worms trägt. Die Staffel getauscht haben Tobias Reithmeir mit West-Mittelfeldclub RW Ahlen und Takero Itoi mit dem Nordost-Vorjahres-Zweiten CZ Jena. Vielleicht bahnt sich ja im Nordosten das Duell zweier Ex-Gießener um Rang eins an, schließlich schnürt Leonidas Tiliudis die Schuhe für Meister Dynamo Berlin.

Einen gänzlich anderen Weg hat derweil Giuseppe Burgio eingeschlagen. Mit der Hoffnung auf viele Tore geholt, war die abgelaufene Runde für den 33-Jährigen in Gießen mit vielen Verletzungen und der vorzeitigen Vertragsauflösung ein Reinfall. Der Stürmer schlug seine Zelte beim Kreisoberligsten SV Hummetroth auf, der finanziell betucht mit bekannten Spielern wie Burgio den Steilflug antreten will. »Der Pate aus dem Odenwald« titelte die »Welt« bereits und meint dabei das Investment von Stefan Trizzino, der sich selbst selbst als Dietmar Hopp der Kreisliga bezeichnet.

Nicht in den beschaulichen Odenwald, sondern nach Luxemburg hat es indes Marian Sarr verschlagen. Ohne despektierlich klingen zu wollen: Es ist wohl so etwas wie die letzte Ausfahrt im »bezahlten Fußball« für den einstigen Juniorennationalspieler, der als 18-Jähriger in der Champions League für Borussia Dortmund auflief und von Jürgen Klopp als »Jahrhunderttalent« gepriesen worden war. Über die Dritte und Vierte Liga bishin zum Abstieg in die Fünftklassigkeit ging es immer weiter bergab für Sarr, der im Winter von einem Wechsel nach Belgien oder in die Niederlande sprach.

Gießener Duo in Luxemburg

Nun ist es also das benachbarte Luxemburg eine deutlich kleinere Fußballnation geworden, wo dem Vernehmen nach vergleichsweise gutes Geld zu verdienen ist. Beim Erstligisten Union Titus Petingen, im Vorjahr Elfter, könnte er übrigens mit einem anderen früheren Gießener das Innenverteidiger-Duo bilden. Sascha Heil ist schon ein Jahr dort und bestritt 14 von 30 Meisterschaftsbegnungen. Während ein Wiedersehen mit dem FC Gießen bei Sarr und Heil kein Thema ist, ist das bei Ben-Luca Fisher fix datiert. Am 19. August empfängt er mit der U23 der Frankfurter Eintracht in der Hessenliga den FCG.

Mit knapp 600 Spielen in den verschiedenen Regionalligen verfügen Frederic Löhe und Nikola Trkulja über jede Menge Erfahrung, die im Moment brach liegt. Weder Keeper Löhe, konstant Leistungsträger beim FC Gießen, noch Sechser Trkulja, der 2021/22 als Kapitän fungierte, haben bis dato einen neuen Club. Wobei das nicht unbedingt etwas zu bedeuten hat, weil das Transferfenster bis Ende August offen ist und vereinslose Spieler auch darüber hinaus verpflichtet werden können. Das Spielerkarussell dreht sich weiter - der Absprung ist beileibe nicht nur in Zabrze, Aachen, im Odenwald oder in Luxemburg möglich.

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