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Auffangbecken heimischer Talente

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Die Hoffnungsträger des FSV Fernwald für die anstehende Hessenliga-Saison. Foto: Schepp © Schepp

Der FSV Fernwald geht mit einer interessanten Mannschaft in die neue Hessenliga-Saison.

Fernwald. Der FSV Fernwald geht bestens aufgestellt in die Hessenliga-Saison. Und das im doppelten Wortsinne. »Wir waren das erste Mal in den letzten Jahren in der glücklichen Lage, unseren gewachsenen Kader nur punktuell verstärken zu müssen«, sagt Trainer Daniyel Bulut zur personellen Situation des FSV.

Zudem hat sich auch im Umfeld etwas getan, ist zum Beispiel Ex-Bürgermeister Stefan Bechthold zur Unterstützung in Sachen Marketing bei den Fernwäldern eingestiegen, kümmert sich der früher bereits für die Steinbacher aktive Karsten Haas wieder unterstützend um Kasse und Finanzen. »Er ist sehr gut vernetzt, das kann nur hilfreich sein«, sagt über das Engagement von Bechthold der Fernwälder Übungsleiter, dem dieses Attribut ebenfalls zugeschrieben werden kann.

Eben weil der DFB-Stützpunkt- und ehemalige Jugendtrainer der TSG Wieseck auch über die entsprechenden Kontakte verfügt, konnten auf den letzten Drücker mit Tom Woiwood und David Siebert zwei hochkarätige Verstärkungen verpflichtet werden, die »auch erst 21 Jahre sind, aber in NLZs bestens ausgebildet wurden«, wie Bulut weiß. Der eine, Woiwood, soll Tore schießen, der andere, Siebert, ist ein Allrounder, »unheimlich kreativ, den sehe ich in der Offensive für die Ideen, Abschlüsse, Anspiele«. Dass das freilich alleine nicht reicht in der höchsten hessischen Amateurliga, die als 20er-Klasse den Vereinen ein strammes Programm abverlangen wird, ist Bulut klar. Denn tatsächlich haben die Fernwälder »gut 60 Prozent U21-Spieler«, was den Gedanken, wie der FSV Fernwald seine Ziele erreichen und sich als Verein etablieren will, verdeutlicht. Junge Spieler aus der Region sollen für die Steinbacher die Kugel bewegen, angesichts des zuletzt unter Druck und mit heißer Nadel gestrickten Kaders des Nachbarn FC Gießen ist das für den Ortsteilverein eine Alternative, die auch als Lockmittel für dringend benötigte Zuschauer dient.

Daniyel Bulut, der am Nachmittag des Gesprächs einen überaus aufgeräumten und zufriedenen Eindruck macht, weiß freilich, dass »es alles andere als einfach ist, solche Spieler zu rekrutieren«, denn »mit Waldgirmes, uns und nun noch zusätzlich dem FC Gießen und Stadtallendorf haben wir doppelt so viele Vereine, die sich auf hessenliganiveau um die Akteure bemühen, aber wir haben ja nicht per se doppelt so viele talentierte Spieler«.

Der 41-Jährige bringt allerdings die denkbar besten Voraussetzungen mit. Als Stützpunkttrainer kannte er beispielsweise Siebert bereits als zwölfjährigen Burschen, der schon damals sein besonderes Talent aufblitzen ließ. Auch zu Woiwood, ebenfalls Jahrgang 2001, hatte Daniyel Bulut, der ja auch schon beim (damals noch) VfB 1900 Gießen und in Waldgirmes an der Seitenlinie stand und auch Fernwald von 2010 bis 2013 bereits betreute, immer Kontakt gehalten. Die Vorteile der Vernetzung und des langjährigen Engagements in der Talentförderung liegen auf der Hand. Siebert hätte auch die knapp zehn Minuten zu Fuß von seinem Elternhaus ins Waldstadion dem Weg nach Fernwald vorziehen können, aber da er sich bei Bulut sowieso schon fit hielt und das Vertrauen da war, ist der Wechsel folgerichtig.

Daniyel Bulut weiß natürlich, dass 60 Prozent U21-Spieler die Hessenliga nur halten können, wenn da auch ordentlich Prozente gesetzteren Alters den Plan vorgeben. »In dieser Liga kannst du nur bestehen, wenn du auch abgezockte Typen und gestandene Fußballer drin hast«, sagt er über die körperlich robust-rustikalen Anforderungen einer Liga, in der manches Schlitzohr aus noch höheren Klassen seinen Fußballer-Ruhestand einläutet und entsprechend auch clever und taktisch gewieft agiert wird. Insbesondere mit Kevin Kaguah, Louis Goncalves oder auch Erdinc Solak hat aber auch Fernwald genau diese Typen an Bord. Ok, ok, das Phrasenschwein ist immer mit im Spiel an dieser Stelle, aber es passt tatsächlich, wenn man behauptet: die Mischung stimmt.

Dass das so ist, ist einerseits kein Zufall, kommt aber andererseits, nach dem siebten Platz in der zuletzt in Auf- und Abstiegsrunde geteilten Liga, durchaus unerwartet. »Man darf eins nicht vergessen«, mahnt Bulut, »als ich kam, waren wir ja praktisch abgestiegen, wollten in der Verbandsliga neu aufbauen und wurden dann im Grunde nur durch den coronabedingten Abbruch gerettet«.

An dieser Stelle des Vorschaugesprächs wird erst bewusst, dass Daniyel Bulut bei seinem zweiten Engagement beim FSV Fernwald im Grunde noch keine normale Runde gespielt hat. Corona hieß der Schiedsrichter, der für An- und Abpfiff und gar eine Modusänderung zuständig war. »Dafür ging der Umbau jetzt doch recht zügig voran«, sagt Bulut, der weiß, dass die durch das Erreichen der Aufstiegsrunde früh gegebene Planungssicherheit ein großes Plus war, ab Januar 2022 »eine mittel- bis längerfristige Philosophie« zu implementieren. Und die heißt: »Wir wollen den FSV Fernwald wieder in der Hessenliga als feste Größe etablieren.«

Und da sind die Fernwälder, betrachtet man den Kader und die regionale Anbindung der meisten Akteure - was durchaus als Kampfansage an den FC Gießen als Rhein-Main-Filiale gesehen werden kann - auf einem guten Weg.

Ein Weg, der auf diesem Niveau naturgemäß viele Stolpersteine parat hält. »Es gibt viele Unwägbarkeiten«, sagt der in sich ruhende Bulut, der mit diesem Satz nicht unruhiger wird. So nennt er zuvorderst Verletzungen oder Corona-Fälle, wobei in Sachen Verletzungen der lange Ausfall von Kevin Göbel in der Vorbereitung schon einen Vorgeschmack gab. »Es ist eine höchst attraktive Liga, mit ganz vielen Mannschaften, die annähernd gleich stark sind. Es wird viele fifty-fifty-Spiele geben«, sagt Bulut, der auch Respekt vor den Aufsteigern aus Weidenhausen und Unter-Flockenbach hat. Und das nicht nur wegen der »Euphorie, die so ein Aufstieg mit sich bringt«. Auch die weiten Fahrten (»wir sind Amateure, alle haben einen Job«) nötigen dem Fußball-Trainer Respekt ab.

»Weidenhausen ist im äußersten Norden, Unter-Flockenbach im äußersten Süden, das ist schon ein Aufwand«, ahnt Bulut, der die neu etablierte Eintracht-U-Mannschaft (»die einzigen Profis«), Stadtallendorf, Bayern Alzenau und Eddersheim auf dem Zettel hat, wenn es um den Aufstieg geht.

Sein FSV Fernwald habe »keinen so großen Druck, aber wir wollen mit dem Abstieg nichts zu tun haben und wenn man im Vorjahr, auch wenn es andere Voraussetzungen waren, als Siebter ankam, soll es nicht unbedingt viel weniger sein.« Wichtig sei der Start, meint der mit erst 41 Jahren bereits extrem erfahrene Coach. »Nach acht, neun Spielen weiß man, wo die Reise hingeht.« Zunächst gegen Namensvetter SV Steinbach und dann am kommenden Mittwoch zum FC Gießen. »Das Spiel hätte ich gerne als Auftakt gesehen, ja, es wäre eigentlich ein Muss als Auftaktspiel gewesen.«

Aber Daniyel Bulut ist kein Mensch, der lange hadert. Was ihn übrigens mit seinem FC-Pendant Daniyel Cimen verbindet. Am kommenden Mittwoch bereits wird man sehen, welche Philosophie der beiden Gießener Sportkreis-Vertreter besser trägt. Zumindest zum Start in eine Mammutliga unter weiterhin besonderen Umständen.

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