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Beinahe ist daheim noch weiter weg

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Symbolcharakter: Lenny Rubin entnervt am Boden. Foto: Ben © Ben

Wetzlar . Auswärts ein wenig furchtloses hui, zuhause dafür furchtbar pfui: Die HSG Wetzlar hat ihren lange Jahre währenden Nimbus als heimstarke Mannschaft in den vergangenen Monaten verloren und nun endgültig eingebüßt. 3:19 Punkte in elf Partien daheim, nur ein Sieg (am 6. Oktober beim 32:24 gegen Stuttgart), Letzter in der Heimstatistik. Was für ernüchternde Zahlen.

Kein Gegner muss mehr erzittern, wenn er von der B49 kommend Richtung Forum abbiegt und per Bus auf den Parkplatz am Seitengang der Buderus-Arena halt macht. Furcht müssen die Spieler der Auswärtsmannschaft vor allem dann nicht mehr haben, wenn sie das Parkett im Innern betreten. »Dabei kann diese Halle ja einen enormen Druck ausüben.« Sagte Raul Alonso am Donnerstagabend nach den für ihn und seine Handballer so positiv verlaufenen 60 Bundesliga-Minuten in der gefallenen Festung am Lahnufer. Die Doppeldeutigkeit in den Worten des Trainers des HC Erlangen inbegriffen.

Alonso war glücklich über den Sieg. Doch vielmehr gilt es, über den bitter enttäuschten und tief enttäuschenden Verlierer zu sprechen. 28:35 (14:17) lautete das ernüchternde Endresultat aus Sicht der Wetzlarer, die wie schon zwei Wochen zuvor gegen Hannover-Burgdorf (24:31) nahezu alles vermissen ließen, was zum erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt benötigt wird. Natürlich ist der Druck bei allen im Lager des Tabellen-16. spürbar, kleiner ist er alleine schon durch den gleichzeitigen Sieg von Schlusslicht ASV Hamm gegen Gummersbach nicht geworden. Und auch GWD Minden als weiterer »Hüter« der beiden Abstiegsränge ist nach wie vor in Schlagdistanz zur Handballspiel-Gemeinschaft, die vor fast einem Vierteljahrhundert als HSG Dutenhofen/Münchholzhausen in die Beletage aufgestiegen war. Ausgerechnet in der Jubliäumssaison stehen die Zeichen erstmals seit vielen, vielen Jahren wieder auf Abstieg.

Davon konnte sich die offiziell 3011 Tribünengäste - darunter der frühere Wetzlarer Oberbürgermeister Wolfram Dette und auch HSG-Trainerlegende Velimir Petkovic samt Frau Nada - gegen die Erlanger, die als angeschlagener Boxer kamen und als klarer Punktsieger gingen, das nächste eindrückliche Bild machen. »Es tut unfassbar weh, was wir für unsere Zuschauer hier im Gesamtpaket veranstalten«, sprach Jasmin Camdzic später den allen Verantwortlichen aus der Seele. »Es ist auch für mich schwer zu verstehen, dass wir wie nach Flensburg nun erneut fünf Tage nach einer guten Auswärtsleistung wieder so etwas abliefern. Berlin war in Ordnung, aber zu Hause sind wir nicht mal beinahe dran an Punkten, sondern meilenweit entfernt«, rang der ebenfalls gehörig in der Kritik stehende Sportliche Leiter der Grün-Weißen eine knappe Stunde nach der nächsten Enttäuschung um Fassung. »Wir sind alle drin in dieser trüben Suppe. Jeder will, aber keiner weiß, was los ist. Wir wollen den Kampf liefern, den wir uns alle vorstellen. Aber er kommt nicht. Wir alle glauben an die Wende, aber sie kommt nicht«, fiel der Blick von »Jasko« kurz nach dem Spiel ins Leere.

Die HSG kassierte die siebte Bundesliga-Niederlage in Folge, Hrvoje Horvat erlebte die fünfte erfolglose Punktspiel-Begegnung als Trainer-Nachfolger des glücklosen Ben Matschke an der Seitenlinie hautnah mit. Und stellte sachlich fachlich hinterher fest: »Wir sind nicht abgezockt genug in dieser schwierigen Situation. Jetzt müssen wir nicht viel über Handball reden, sondern sollten uns am besten zusammen einschließen, und keiner kommt raus, ehe das nicht geklärt ist mit der Kopfsache.«

Verbal draufhauen auf die verunsicherten Mannen um den wie viele völlig derangiert wirkenden Kapitän Adam Nyfjäll, das bringt aber keinem etwas in dieser vertrackten Lage. »Hrvoje arbeitet ruhig. Klar, er provoziert und kitzelt die Jungs im Training. Aber mit Gewalt wird nichts gelöst«, so Camdzic.

Angefangen von Torhüter Till Klimpke, der am frühen Rückstand gegen physisch agilere und mental stärkere Franken auch nichts ändern konnte, über Neuzugang Filip Kuzmanovski (»35 Gegentore gegen Erlangen, oh, Mann«) bis zu besagtem Kreisläufer Adam Nyfjäll (»Wir sind eine Mannschaft ohne Selbstvertrauen«) - alle bei der HSG sind auf der Suche nach dem passenden Schlüssel aus dem Loch. »Wir probieren alles. Doch kaum setzen wir einen Fuß in unser Wohnzimmer, läuft es nicht. Aber ich verspreche: Wir werden alles tun, um uns aus dieser Scheiße rauszukämpfen und geben nicht auf«, sagte Lenny Rubin. Dabei richtete der Schweizer den Blick schon auf die kommende Aufgabe am Donnerstag bei den Rhein-Neckar Löwen. Die die Wetzlarer weiter als 16. des Klassements und krasser Außenseiter in Angriff nehmen werden. Zum Glück auswärts, könnte man provokant behaupten. Jedoch: »Die Tabelle lügt nicht, jedes Spiel ist jetzt ein Finale«, weiß auch Adam Nyfjäll, was die Stunde geschlagen hat.

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