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Bester Botschafter der Metropole

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Frankfurt . Auf dem Weg ins Finale der Europa League hat die Frankfurter Eintracht den FC Barcelona ausgeschaltet. Das Motto der Katalanen ist längst zu übertragen auf den Klub vom Main. »Més que un club« oder »Mehr als ein Verein« lautet das Vereinscredo des FC Barcelona. Die Eintracht ist auch »mehr als ein Verein«.

Wer die Begeisterung in den letzten Monaten beim Weg nach Sevilla und nach der Rückkehr mit dem Pokal gesehen hat, weiß nun, welche Kraft dieser Verein hat, welche Identifikation er auslöst, welchen Weg er vom »Schmuddelkind« der Bundesliga, das ist auch erst ein gutes Jahrzehnt her (Stichwort: Randalemeister (2011), zu einem der Lieblingsklubs des Landes gegangen ist. »Dieser Verein entfaltet eine Wucht wie kaum ein anderer«, sagt Vorstandssprecher Axel Hellmann. Das trifft es ziemlich genau. Die Eintracht wird nicht nur in Frankfurt geliebt, sie hat längst die Herzen in der gesamten Region erobert. Überall flattern die Fähnchen mit dem Adler, immer mehr kleben die Wappen auf ihre Autos, Eintracht-Fan sein ist »in«. Die Marke von 100 000 Mitgliedern ist überschritten. Zehntausende haben die Mannschaft begleitet auf ihrer Europa-Tournee. Über 50 000 haben sich das Finale in der Arena auf einer Leinwand angeschaut, die Kneipen waren voll, Autokorsos sind durch die Stadt gefahren, unzählige Menschen haben ihre Fenster, Balkone und Gärten mit Eintracht-Utensilien geschmückt. Und hunderttausende haben die Mannschaften der Eintracht gefeiert, 2018 und gerade jetzt wieder. Sie haben über viele Stunden auf dem Römerberg auf ihre »Helden« gewartet. Sie haben die Spieler in ihren Cabrios durch die halbe Stadt begleitet, wollten sehen, fühlen, nah sein, ein bisschen was vom Erfolg abbekommen. Es gab Tränen der Freude, unglaublich schöne Bilder, eindrucksvolle Begegnungen.

Die Spieler und die Trainer haben die Nähe zugelassen, das Bad in der Menge genossen. Es ist genau diese Nahbarkeit, die den Klub in die Herzen der vielen Fußball-Anhänger gebracht hat. Und nicht nur das. Die Eintracht ist längst der beste Botschafter für die Metropole am Main. Es ist einige Monate her, da hatte Vorstandssprecher Axel Hellmann, der Vordenker der Eintracht, einen Paradigmenwechsel angestoßen. »Mehr Wetterau als Asien« müsse gewagt werden. Sollte heißen: Wieder näher ran an die Heimat. Damals schwang die Angst mit, die Corona-Einschränkungen könnten für eine Entwöhnung der Fans vom Profifußball gesorgt haben. Das Gegenteil ist der Fall. Nie zuvor war die Eintracht den Menschen so nahe. Das ist vielleicht der größte Erfolg dieser Saison über den Pokal hinaus.

Die Basis für alles ist immer der sportliche Erfolg, klar. Aber woraus resultiert dieser sportliche Erfolg? Aus einer ganzen Menge wichtiger Einzelentscheidungen, die sich in ihrer überwiegenden Mehrzahl als richtig herausgestellt und den Weg geebnet haben. Es waren nicht einzelne Personen, die diese Entscheidungen getroffen und verantwortet haben. Es waren vielmehr viele Menschen, die im Sinne der Eintracht in den letzten Jahren in der Verantwortung gestanden haben, und dieser Verantwortung mit Augenmaß, mit Intelligenz, mit Weitblick und Mut gerecht worden sind.

Der sportliche Erfolg ist Grundlage für all das Wachstum, das durch Corona gebremst wurde und nun durch den Sieg von Sevilla wieder Fahrt aufgenommen hat.

Der wichtigste Angestellte ist dementsprechend der Trainer. Die Eintracht hat es geschafft, dreimal in Folge genau den richtigen Trainer für die jeweilige Situation zu holen. Niko Kovac für den Abstiegskampf, der Disziplin und defensive Ordnung in die Mannschaft brachte und vorm Pokalsieg die Emotionen wecken konnte. Adi Hütter als Weiterentwickler, der einen ganz anderen Blickwinkel auf den Fußball hatte als Kovac, spielerischer, offensiver, schöner. Und nun Oliver Glasner, der unterschätzt wie kaum ein anderer, sich mit dem EL-Sieg in die obere Kategorie der Fußball-Lehrer katapultiert hat. Diese drei wurden von drei verschiedenen sportlichen Chefs geholt. Kovac noch von Heribert Bruchhagen in Zusammenarbeit mit dem damaligen Manager Bruno Hübner. Hütter vom ehemaligen Sportvorstand Fredi Bobic, in erster Linie aber von Hübner. Und Glasner vom aktuellen Sportchef Markus Krösche.

Drei Trainer, drei Sportchefs

Die beiden ersten Erfolgstrainer sind weitergezogen, weil sie sich irgendwann größer gefühlt haben als der Klub, der sie groß gemacht hat. Kovac ist zu den Bayern gegangen, Hütter nach Mönchengladbach. Was ihnen nicht unbedingt weitergeholfen. Der eine, Kovac, geht nach einem Abstecher nach Monaco nun in die Provinz nach Wolfsburg, der andere, Hütter, ist aktuell ohne Job. Glasner wird bleiben. Wie lange, das kann niemand sagen.

Alle hatten es schwer bei ihren Amtsantritten, Krösche und Glasner hatten es am schwersten. Der Start in die Saison hatte bei der Eintracht etwas Schwermütiges an sich nach dem verpassten Champions-League-Traum vor einem Jahr. Eine Glocke der Unzufriedenheit lag über dem Klub, über der Mannschaft, über den Fans. Der überragende Spieler, Torjäger André Silva, war weg, der noch wichtigere Filip Kostic wollte weg. Und mit Amin Younes, gerade erst zum Nationalspieler geworden, hatte ein anderer völlig die Bodenhaftung verloren und musste aussortiert werden. Der Start ging dementsprechend schief, das Pokalaus in Waldhof versprach nichts Gutes, auch der Start in die Liga mit sechs Spielen ohne Sieg ließ nicht einmal erahnen, wie alles enden sollte. »In der damaligen Verfassung hätte die Mannschaft den Europacup nie holen können, null Chance«, hat Glasner gerade gesagt, »und auch in der Verfassung des ganzen Klubs wäre es nicht möglich gewesen, null Chance«. Wie also ist diese Eintracht in einem dreiviertel Jahr von 0 auf 100 gekommen?

Die verblüffende Antwort: Mit Ruhe, mit Überzeugung, mit Vertrauen. Die Ruhe im Klub hat dem Trainer geholfen. Glasner war nie in Frage gestellt. Er konnte seinen Weg gehen und er ist ihn gegangen. Die Führungsgremien hatte in den letzten Jahren so viel Selbstvertrauen gesammelt, dass sie überzeugt waren, dass es sich nur um eine kurzfristige Delle handeln würde. Das Vertrauen untereinander und damit das Vertrauen in den »Weg der Eintracht«, zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, zwischen Sportvorstand und Trainer, zwischen Trainer und Mannschaft ist von Tag zu Tag gewachsen.

Und da war ja diese Europa-League, die im Herzen von Europa mit so viel Leidenschaft, mit so viel Freude und Liebe zelebriert wird. Der Eintracht half sie, zu Beginn der Saison die sportlichen Schwächen auszugleichen. Aus dem Vehikel wurde im Laufe der Monate ein Sportwagen, aus dem Sportwagen im Endspurt ein Formel-1-Bolide.

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