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Bitterer Tiefschlag

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Endstation Minden: Emil Mellegard (rechts) scheitert mit der HSG Wetzlar an GWD Minden mit dem überragenden Philipp Ahouansou. Foto: Ben © Ben

Wetzlar. Ganz am Ende dieses wenig erfreulichen Abends für die HSG Wetzlar kreuzt Sebastian Weber wie aus dem Nichts im Treppenhaus der Buderus-Arena auf. Der frühere Kreisläufer, der seine Karriere vor knapp drei Jahren beendet hat, war von 2005 bis 2010 bei den Grün-Weißen von der Lahn am Handball. Und »Seppl« kennt aus dieser Zeit eigentlich nur eines:

Abstiegskampf in der Handball-Bundesliga. »Es muss einfach mal ,klick‹ machen, einfach ,klick‹. Jeder einzelne von den Jungs muss wissen: Ich kann hier jetzt verlieren, aber ich kann auch gewinnen. Diese Lockerheit vermisse ich gerade hier bei den Heimspielen«, schüttelt Weber den Kopf.

HSG Wetzlar - GWD Minden 25:27

Nein, es war mal wieder überhaupt nicht locker, sondern vielmehr ein einziger Krampf, den die Wetzlarer den 4207 erwartungsfrohen und mitgehenden Zuschauern in der sehr gut gefüllten Halle an der Lahn boten. Dabei war die Bühne für einen Sieg in den eigenen vier Wänden doch bereitet. Zwei Punkte in Stuttgart vor Wochenfrist und die schöne Aussicht, dem Samstagsgegner vielleicht schon endgültig die Rücklichter zu zeigen. Doch nach 60 Minuten hieß es 27:25 (17:13) für GWD Minden, die Heimbilanz der Mittelhessen liest sich mit 3:23 desaströs.

Es sind also wieder nur noch zwei Zähler Vorsprung für das Team von Trainer Hrvoje Horvat, auf der Plusseite versteht sich. Der Blick auf die Minuspunkte verrät noch Schlechteres, denn da liegen die Ostwestfalen als Tabellen-17. mit zwei Spielen im Hintertreffen sogar vor der HSG.

»Die Enttäuschung sitzt enorm tief. Wir alle haben uns vom Gesamtauftritt der Mannschaft mehr erwartet, eine andere Körpersprache, eine viel aggressivere Abwehr. Du denkst, es geht voran, und dann kommt so ein Rückschritt. Das kotzt mich an«, nahm Björn Seipp nach einer auch für ihn unruhigen Nacht mit wenig Schlaf und vielen Gedanken an die Zukunft der HSG kein Blatt vor den Mund.

Zu den erneut aufflammenden Diskussionen um Coach Horvat wollte und wird sich der Geschäftsführer derweil nicht beteiligen. »Ich verstehe den Ärger unserer großartigen Fans, die am Samstag zum wiederholten Male alles gegeben haben und bitter enttäuscht wurden. Aber der Trainer wirft vorne keine Tore und spielt auch keine Deckung. Die Jungs müssen das richten. Wir werden die Ruhe bewahren und unsere Schlüsse aus diesem Auftritt gegen Minden ziehen«, richtete Seipp den Blick bereits auf die nächste Aufgabe am kommenden Gründonnerstag (19.05 Uhr) bei Frisch Auf Göppingen.

An der Lehrstunde, die Gästetrainer Frank Carstens (»Wir hatten das Momentum zuerst auf unserer Seite, haben Kämpferherz und kühlen Kopf bewahrt, ich bin stolz«) dem Kroaten auf der anderen Bank in Sachen Taktik und Cleverness erteilte, änderte das alles nichts. Die 5:1-Deckung der Hausherren wurde in der ersten Halbzeit von Mindens Top-Torschützen Philipp Ahouansou häufig wie ein Stück weiche Butter durchschnitten. Dahinter konnte sich Anadin Suljakovic noch so anstrengen, seinem Mindener Widerpart Malte Semisch in puncto Paraden nachzueifern. Dem Asienmeister waren über die Stationen 4:7 (15.), 12:16 (28.) und 19:25 (51.) die Hände gebunden. Weil Erik Schmidt als Abwehr-Mittelmann auch in der 6:0 einen ganz schlechten Abend erwischt hatte. Weil Lenny Rubin auf halb ebenfalls zu viele Lücken in der ohnehin löchrig wirkenden Deckungsreihe erlaubte. Aber auch, weil »Suljos« Vorderleute Malte Semisch (13 Paraden, 35 Prozent Fangquote) mit ihren Versuchen und insgesamt vier vergebenen Siebenmetern (summa summarum 52 Prozent Trefferquote) berühmt warfen.

»So ein wichtiges Spiel, und dann machen wir uns wieder Stress. Ich habe versagt«, fasste sich HSG-Regisseur Magnus Fredriksen an die eigene Nase. »Ich habe heute viele Bälle bekommen, aber viel zu wenige reingemacht«, pflichtete ihm Emil Mellegard bei. »Wir müssen einfach effektiver spielen«, nahm Adam Nyfjäll, neben Jonas Schelker in den letzten beiden Partien endgültig aufs Abstellgleis geraten das Wort »müssen« in den Mund.

Ja, sie müssen punkten, die Profis der HSG Wetzlar, und zwar möglichst bald wieder. »Am besten schon in Göppingen«, sagte Kapitän Till Klimpke. Damit es nicht schon vor der Punktspielpause, die dem Final Four im DHB-Pokal geschuldet ist, oder spätestens vor der Partie am 23. April in Gummersbach einen Platz nach unten auf den ersten Abstiegsrang geht.

Minden hat jetzt Lemgo zu Hause, am 20. April dann das Duell beim Schlusslicht Hamm und darüber hinaus ja zwei Spiele mehr in der Hinterhand. »Und wenn wir mit solch einer Emotionalität wie in Wetzlar auftreten, haben wir gegen jeden eine Chance«, lächelte Malte Semisch nach den zwei wichtigen Punkten für GWD.

Die hätten der HSG ebenfalls gutgetan. Doch es hat eben nicht »klick« gemacht, wie es Sebastian Weber am Ende eines ernüchternden Abends aus Wetzlarer Sicht feststellte.

Wetzlar: Klimpke (ab 50.), Sulkakovic - Nyfjäll, Kuzmanovski (6/1), Schmidt, Nikolic, Schelker, Weissgerber, Fredriksen (1), Becher, Pliuto (4), Wagner, Mellegard (2), Rubin (4), Novak (3/1), Cavor (5).

Minden: Semisch, Shamir (n.e.) - Hakaj (1), Janke, Kranzmann, Korte (4/1), Pieczkowski (1), Johannsson (1), Ahouansou (9), Pehlivan, Holpert, Staar, Sebetic (4), Bitsch (2), Urban (3), Darmoul (2).

Schiedsrichter: Thöne/Zupanovic (Berlin) - Zuschauer: 4207 - Zeitstrafen: Wetzlar drei (Schmidt zwei, Mellegard), Minden sechs (Johannsson, Staar, Sebetic, Hakaj drei/rote Karte 39.) - verworfene Siebenmeter: Novak (Wetzlar) scheitert an Semisch (6.), Novak (Wetzlar) wirft an die Latte (39.), Weissgerber (Wetzlar) wirft übers Tor (44.), Kuzmanovski (Wetzlar) scheitert an Semisch (57.).

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